Verwirrung um neuen Gütersloh-Song – jetzt äußert sich der anonyme Rapper

Gütersloh. Das Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag der Stadt Gütersloh hat gerade erst angefangen und schon gibt es Irritationen: Der &bdquo;Song für Gütersloh“, die Hymne, die aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist, wurde mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt. Im vergangenen Jahr hatte der Fachbereich Kultur Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, ein Lied für Gütersloh zu kreieren. Eine unabhängige Jury entschied sich unter den Einsendungen für die &bdquo;Gütersloh-Hymne“ von Rapper und Sänger B61, der aber auf eigenen Wunsch anonym bleiben möchte, hieß es auf der Jubiläumspressekonferenz der Stadt kurz vor Weihnachten. Der Künstler sei in Gütersloh aufgewachsen und zur Schule gegangen, habe in der Weberei gefeiert und auf den Dorfplätzen des Kreises für den SC Eintracht Fußball gespielt, waren die Informationen der Stadt zu dem Liedermacher. Internet-Tool bestätigt: 100 Prozent aus KI generiert Der Gütersloher Sebastian Sieg, der in Bielefeld Medienwissenschaft studiert, hatte gleich beim ersten Hören der Jubiläumshymne den Verdacht: &bdquo;Dahinter steckt eine KI.“ Dass der Interpret anonym bleiben möchte, unterstütze diese Vermutung. Sebastian Sieg testete den Gewinnersong daraufhin mit einem Detektor des französischen Unternehmens Ircam Amplify, ein Werkzeug zur Erkennung KI-generierter Musik. Der &bdquo;AI-Generated Detector“ kam zu dem Schluss, &bdquo;dass er Song tatsächlich zu 100 Prozent aus der Feder einer KI stammt“, so Sebastian Sieg. Das ehemalige sachkundige Mitglied im Kulturausschuss wundert sich, dass diese Tatsache bisher seitens des Fachbereichs Kultur mit keinem Wort erwähnt wurde. Er möchte jedoch niemandem einen Vorwurf machen. &bdquo;Ich fürchte, das wird allen Beteiligten durchgegangen sein.“ Ihm ist nur wichtig, dass das Lied jetzt auch als KI-generiert gekennzeichnet werde. &bdquo;Das ist nur fair. Denn es sind sicher auch reale kreative Leistungen eingereicht worden“, so der Student. Fokus der Jury aus Gütersloh lag auf dem Ergebnis Die Jury habe aus 14 eingereichten Songs auswählen können, sagt Lena Jeckel, Fachbereichsleiterin Kultur, auf Nachfrage. Der Einsatz von KI habe bei der Beurteilung des Jubiläumssongs keine Rolle gespielt, die Jury habe die Ergebnisse unabhängig davon bewertet. &bdquo;Der Gewinnersong hat durch seine musikalische Umsetzung und den thematisch treffenden Bezug überzeugt.“ Jeckel ergänzt: &bdquo;Bei der Ausschreibung wurde keine Regelung zu KI getroffen, weil der Fokus auf dem Ergebnis lag, nicht auf dem Entstehungsprozess.“ Der Gewinnersong erfülle alle gewünschten Voraussetzungen, sagt sie. &bdquo;Originalität und Kreativität, Bezug zur Stadt Gütersloh - Geschichte, Kultur und so weiter - , Eingängigkeit und Potenzial als Hymne sowie die emotionale und musikalische Wirkung.“ Lesen Sie auch: Gütersloh steht ein Mega-Geburtstagsjahr bevor - großer Festakt geplant Der Fachbereich Kultur leitete die Fragen, die die &bdquo;NW“ zu dem Song hatte, an den Künstler weiter. &bdquo;Es freut mich, dass der Song so viel Aufmerksamkeit bekommt“, lautete seine erste Reaktion. &bdquo;Der Song wurde komplett von mir geschrieben, um Gütersloh lyrisch und emotional gebührend einzufangen“, schreibt er. Den Einsatz von künstlicher Intelligenz leugnet er jedoch nicht. B61: Die Hymne sei das Ergebnis tagelanger Detailarbeit Die KI habe als kreatives Werkzeug gedient, &bdquo;mit dem ich Melodien und Klangwelten umgesetzt habe.“ Der Prozess sei sehr kleinteilig gewesen, es sei unmöglich, so einen Song auf Knopfdruck zu erstellen - &bdquo;zumindest für mich“. &bdquo;Beispielsweise mussten unsere Stadtteilnamen erst verständlich eingebaut werden, da sie für eine KI schwer aussprechbar sind.“ Die Hymne sei das Ergebnis tagelanger Detailarbeit, schreibt B61. Viele Sektionen hätten miteinander verbunden werden müssen, um eine eingängige und stimmige Mischung aus Genres zu schaffen. &bdquo;Das zeigt, dass KI allein nicht ausreicht – entscheidend ist die menschliche Kreativität, die sie lenkt“, meint der Rapper. Ein anderer der 14 Wettbewerbsteilnehmer ist Holger Blüder. Als er durch die &bdquo;NW“ erfährt, dass der Gewinnersong mit KI erstellt wurde, muss er laut lachen: &bdquo;Das ist ja witzig.“ Blüder ist Pianist, Dirigent, Komponist, Kabarettist, Autor und Leiter der Musikschule für den Kreis Gütersloh. Er räumt ein: &bdquo;Es wurden offenbar die richtigen Parameter und die richtigen Stichwörter eingegeben. Auch das ist ein kreativer Prozess.“ Gleichzeitig habe dieser Prozess &bdquo;fast etwas plagiatartiges“, weil man sich per KI &bdquo;fremder kreativer Leistungen bedient, die so gar nicht den eigenen kreativen Wurzeln entsprungen sind“. Fairness nicht mehr gewährleistet Er selbst hat seinen Gütersloh-Song am Klavier komponiert und auch beim Verfassen des Textes nur Gehirnschmalz, Talent, Geschmack, Bleistift und Papier genutzt - also rein analog gearbeitet. &bdquo;Ich habe am späten Abend aus einer Laune heraus angefangen, an meiner Gütersloh-Hymne zu arbeiten“, sagt er. Der Spaß daran sei für ihn der größte Antrieb gewesen, nicht die Absicht, zu gewinnen. KI lehnt Blüder nicht generell ab. Im Gegenteil. Beim Verband deutscher Musikschulen (VDM) sei der Einsatz von KI im Musikschulunterricht ein großes Thema. Auch die Digitalisierungsbeauftragte der Kreismusikschule &bdquo;hat jetzt die Aufgabe, herauszufinden, wie man KI sinnvoll und gewinnbringend in den Unterricht integrieren kann“. Lesen Sie auch: Bühnencomeback nach 20 Jahren: Comedy-Trio tritt zum Mega-Geburtstag in Gütersloh auf Er hätte es deshalb begrüßt, wenn in der Ausschreibung entweder der Einsatz von KI im Vorhinein ausgeschlossen oder der wenigstens darauf hingewiesen worden sei, dass KI eingesetzt werden darf. &bdquo;Sonst kämpft man mit ungleichen Mitteln. Die Parameter der Fairness sind nicht mehr gewährleistet, denn KI kann auf das gesamte Wissen der Menschheit zurückgreifen“, so Blüder. &bdquo;Dann wird es künftig wie beim Schach sein: Gegen den Computer kann man nicht mehr gewinnen.“ Künstler: Text stammt aus menschlicher Hand Der Wettbewerbsgewinner B61 hingegen verweist auf die Ausschreibung der Stadt im Hymnen-Wettbewerb: &bdquo;Ob mit eingängigen Melodien, poetischen Texten oder innovativen Klangexperimenten – eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt!“ Dieses kommentiert B61: &bdquo;Eine eingängige Melodie hat der Song hoffentlich. Der poetische Text stammt zu 100 Prozent aus menschlicher Hand. Und was ist ein innovatives Klangexperiment, wenn nicht der Einsatz von KI – einer der größten Innovationen unserer Zeit? Warum sollte KI bei einem Songwettbewerb, der bewusst so offen gestaltet wurde, nicht genauso ihren Platz haben? Ich persönlich habe mich über diese Offenheit sehr gefreut, weil sie ermöglicht, dass eine Hymne zum Stadtjubiläum nicht nur in die Vergangenheit schaut, sondern auch den Blick nach vorne richtet.“ Auch Lena Jeckel bezeichnet die Gütersloh-Hymne als ein &bdquo;sehr gelungenes Klangexperiment und auch als Ausdruck des aktuellen Zeitgeistes. Musik hat schon immer von den technologischen Innovationen profitiert. KI unterstützt aus unserer Sicht, ersetzt aber nicht die kreative Vision und intensive künstlerische Arbeit des Künstlers.“ Im Frühjahr soll ein Video entstehen Über den Wert von KI in der Kunst ist Blüder allerdings gespaltener Meinung. Die Vervollständigung der unvollendet gebliebenen 10. Sinfonie von Ludwig van Beethoven durch KI, die 2021 uraufgeführt wurde, habe ihn nicht überzeugt. &bdquo;Wenn man aber ein Gedicht nach gewissen Stichworteingaben schreiben lässt, kommt da durchaus etwas Brauchbares heraus.“ Wenn man so arbeite, solle man aber wenigstens dazu stehen, findet Blüder. Lesen Sie auch: Anwohner-Beschwerden in Gütersloh stoppen Events an diesem beliebten Platz Lena Jeckel aber sagt, man respektiere, dass der Urheber anonym bleiben möchte. &bdquo;Wir werden gemeinsam im Frühjahr ein Video produzieren, das dann auch zum Festakt im Mai gezeigt werden kann“, verriet sie. B61 ist übrigens erneut kreativ gewesen. Der &bdquo;offiziellen Jubiläumsversion“ hat er nun auf den gängigen Streamingplattformen wie Spotify und Tidal die &bdquo;Schützenfestversion“ an die Seite gestellt. Der mutmaßlich KI-generierte Unterschied? Die neue Version klingt fast genauso wie die alte, ist aber eine Minute kürzer.

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