Gütersloh. Die sich abzeichnende Schließung der Karstadt-Filiale in Gütersloh Ende Januar bereitet Rainer Schorcht, dem Sprecher der Gütersloher Einzelhändler, keine Sorgen - im Gegenteil. Er findet: "Das ist eine Riesenchance".
Die Innenstadt habe nun eine große Chance zur Entwicklung bekommen, der Verlust für den Einkaufsstandort halte sich in Grenzen. Mehrere Leser haben Schorchts Thesen in ihren Zuschriften aufgegriffen. Sie sind hier im Wortlaut nachzulesen:
Peter Foth, Gütersloh:
Der Verlust von Karstadt ist laut Herrn Schorcht eine Riesenchance für die Stadt. Ich frage mich, woher er plötzlich diesen Optimismus nimmt. Wenn ich die Entwicklung der Einzelhandelsgeschäfte in Gütersloh in den letzten Jahren betrachte, ist jede Chance, die sich durch den Verlust eines Traditionshauses geboten hat, meist durch ein weniger qualifiziertes Angebot ersetzt worden.
Andere Angebote haben dann weder Stadt noch Marketing oder Immobilienbesitzer in die Stadt locken können außer 1,10-Euro-Läden o.ä. Und Karstadt nicht als Magneten zu sehen, erscheint mir auch etwas übermütig. Zumal die Breite des Angebotes den einen oder anderen Kunden in die Innenstadt lockt. Und ist es nicht die Kombination von Markt, starken, inhabergeführten Geschäften und dem Kaufhaus, die den Charme unserer Innenstadt ausmacht?
Leider hat Herr Schorcht bei seiner Aufzählung vergessen, dass die Gefahr der Abwanderung zu Versandhändlern und Städten, in denen es ein breiteres Angebot auch groß ist. Und bitte, welche neuen Geschäfte sollen denn in eine, irgendwann, renovierte Immobilie ziehen? Es würde doch nur eine weitere Verlagerung von einem zum neuen Ort geben, wenn überhaupt.
Ebenerdig als Markthalle für Waren und kleine Genussangebote wäre es auch eine Möglichkeit, wie in anderen Städten auch. Und unsere Marktbeschicker hätten ein wetterunabhängiges, ganzjähriges Quartier, ergänzt durch Kaffee, Snacks und andere Nettigkeiten. Und im Obergeschoss Büros, Ärzte und andere Dienstleister.
Bleibt nur die Frage nach den Mietpreisen. Schließlich sind 23 Millionen Euro kein Pappenstiel. Sicher, der starke Magnet ist Karstadt nicht. Aber auch weniger starke Magneten üben immer noch eine Anzugskraft aus, von denen andere profitieren „können". Wir müssen die Innenstadt nur nutzen. Sonst wird es so oder so nichts.
Maria Droop, Gütersloh:
Ich wäre dafür, eine schöne Markthalle davon zu machen, in die auch die Obst und Gemüsehändler einziehen könnten. Das ist in anderen Städten auch super, z.B. Stuttgart. Da sind unten die Marktstände und auf der Galerie noch Geschäfte mit Haushaltswaren oder Kochbüchern und anderen Kochutensilien, Tischwäsche und Tischdekoration.
Wolfgang Adler, Gütersloh:
„Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand", lautet ein altes Sprichwort. Dementsprechend müsste jemand, der gleich fünf Ämter versieht, mit Verstand nur so gesegnet sein. Umso unverständlich erscheint es, wenn der Sprecher der Gütersloher Einzelhändler zur Erkenntnis gelangt, es sei „nicht schlimm, wenn Karstadt in Gütersloh schließt".
Zwar versichert er die betroffenen Mitarbeiter (unter denen sich viele Mitarbeiterinnen befinden) seines Mitgefühls, aber die Innenstadt gewinne durch einen solchen Shutdown an Attraktivität. Seine Aufzählung von Geschäften, welche für das bei Karstadt anzutreffende Warenangebot einspringen können, gipfelt in dem Hinweis, „Kleidung findet man auch bei Aldi, Lidl oder Takko".
Das erinnert zwar an den alten Witz vom „Herrenausstatter Aldi", lässt aber auch fragen, ob die Genannten besagte Attraktivität der Innenstadt (sofern sie überhaupt hier anzutreffen sind) mitgestalten, und vor allem: Ist dem Autor nicht bekannt, unter welch menschenunwürdigen Umständen viele der hier angebotenen Kleidungsstücke zu Hungerlöhnen produziert werden?
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