Unfairer Wettbewerb in Gütersloh? Bekannter Händler sauer – das sagt die Stadt zur Kritik

Gütersloh. Ab dem 1. Mai müssen die Fotos für alle Ausweisdokumente in digitaler Form erstellt werden. In einer Mitteilung empfiehlt die Stadt Gütersloh, rechtzeitig vor der bald beginnenden Urlaubszeit Ausweise und Pässe auf ihre Aktualität hin zu überprüfen und gegebenenfalls neue Dokumente zu beantragen. Dabei wird auf den eigenen Ausweisautomaten hingewiesen, mit dem ein Passfoto direkt im Rathaus gemacht werden kann. Dass die Stadt nicht auch auf den Fachhandel verweist, der dazu ebenso berechtigt ist, darüber ist Rainer Schorcht mehr als verstimmt. &bdquo;Die Stadt Harsewinkel hat auch eine Mitteilung über die neuen Bedingungen für Passfotos herausgebracht. Im Gegensatz zu Gütersloh hat sie am Ende in einem Link die lizenzierten Fotografen vor Ort aufgeführt. Das hätte ich auch von der Stadt Gütersloh erwartet. Ich finde, das ist kein faires Verhalten“, sagt Schorcht, der zusammen mit seiner Tochter Catharina das seit fast acht Jahrzehnten bestehende Geschäft &bdquo;Foto Schorcht“ betreibt. Mögliche Klage wegen Wettbewerbsverzerrung wird geprüft Zudem prüfe die Nürnberger Verbundgruppe Ringfoto, deren Ehrenvorsitzender auf Lebenszeit Schorcht ist, die Prüfung einer Klage wegen Wettbewerbsverzerrung. Ob die Klage gegen die Bundesdruckerei, die die Automaten ausliefert, erfolgt, sei Teil der Prüfung. Die Klage soll &bdquo;mit hoher Wahrscheinlichkeit“ von einem Einzelhändler geführt werden, der aber nicht Rainer Schorcht heiße, so der 78-Jährige. Die Klage werde von Ringfoto sowie dem Deutschen Einzelhandelsverband unterstützt. Das Thema ist für die Fotobranche nicht neu. Schon als der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) 2020 das Vorhaben angekündigt hatte, um Ausweisdokumente sicherer zu machen und den Verwaltungsaufwand zu verringern, regte sich Widerstand. Denn Seehofer wollte zunächst die professionellen Fotografen ausschließen und das Fotografieren für Pässe ausschließlich den Behörden überlassen. Gütersloher Fotografen hatten gegen Ausweisautomaten protestiert Für die meisten Fotostudios hätte das nach damaliger Auskunft der Branche massive, wenn nicht gar existenzbedrohende Mindereinnahmen bedeutet. Erst nach massiven Protesten wurde diese Entscheidung wieder zurückgenommen und auch die Privatwirtschaft mit einbezogen. Lesen Sie auch: Wird der neue Automat für Ausweise in Gütersloh zur Fehlinvestition? Als in Gütersloh der Ausweisautomat vor drei Jahren im Rathaus aufgestellt wurde, haben auch die Gütersloher Fotografen dagegen bei der Stadt Protest eingelegt. &bdquo;Unsere Bedenken wurden aber von der Stadt nicht gehört“, erinnert sich Horst Sentker, der schräg gegenüber vom Rathaus das Geschäft &bdquo;Foto Ramhorst“ betreibt. Als Gründe seien ihm damals die Digitalisierung des Rathauses sowie der Service für die Bürger genannt worden. Fotostudios, die Digitalbilder für Ausweise und Reisepässe machen wollen, müssen nicht nur dafür extra lizenziert sein. Sie müssen auch in eine entsprechende Ausrüstung investieren. Schorcht spricht von 15.000 Euro, die er für jeden seiner Standorte ausgegeben hat. Automaten werden vom Bundesinnenministerium gestellt Dazu kommen noch die Kosten für eine von Ringfoto entwickelte Cloud, über die die Fotos an die Behörden weitergeleitet werden. &bdquo;Fotoring hat viele Millionen Euro für dieses Programm ausgegeben“, sagt Schorcht. Kosten, die an die Mitglieder von Europas größtem Fotokooperation weitergegeben werden. Ganz so hohe Investitionen hatte Horst Sentker nicht. &bdquo;Das Equipment war zum großen Teil schon vorhanden.“ Dennoch: Um das Geld wieder zu erwirtschaften, sind die Fotografen auf viele Kunden angewiesen. Ihr Preis für biometrische Passbilder liegt zudem deutlich über dem, was die Behörden verlangen. Bei Schorcht und Foto Ramhorst sind es knapp 20 Euro. Im Gütersloher Rathaus sind hingegen nur 7 Euro fällig. Dabei mussten die Kommunen selbst gar keine Investitionen tätigen, denn die Automaten werden vom Bundesinnenministerium gestellt. 2.500 Stück stehen bereits in den deutschen Rathäusern oder Einwohnermeldeämtern. Bis August sollen es 10.000 Automaten sein. &bdquo;Handwerk des Fotografen wird angegriffen“, beklagt Schorcht Der Bund gibt für Bereitstellung sowie für die Wartung in den ersten fünf Jahren rund 177 Millionen Euro aus. Diese Kosten werden durch einen Teil der Gebühr refinanziert, rund 2 Euro bleiben bei der Kommune. Schorcht erkennt darin eine doppelte Wettbewerbsverzerrung. &bdquo;Zum einen bedeutet dieses Vorgehen der Behörden einen staatlichen Eingriff zum Nachteil des Handels. Das ist geradezu so, als würde der Staat die Aufgaben des Schornsteinfegers plötzlich selbst übernehmen. Zum anderen wird aber auch das Handwerk des Fotografen angegriffen.“ Lesen Sie auch: Bald weniger Straftaten im Rathaus-Umfeld? Die Polizeiwache in Gütersloh will umziehen Denn während es sich bei den Automaten um Selbstbedienungsterminals handele, der Kunde also auf sich gestellt sei, würden sie im Fachhandel von den Serviceleistungen professioneller Fotografen profitieren. &bdquo;Ein Automat sagt Ihnen nicht, ob Ihr Haar oder der Anzug sitzt. Das macht aber der Fotograf.“ Im Studio bekomme man die besseren Bilder, versichert Schorcht Spiegelnde Brillen seien zudem oftmals ein Problem, das ein Fotograf besser lösen könne. Und bei Kindern oder Menschen mit Handicap sei zuweilen eine intensivere Betreuung nötig, die könne ebenfalls nur im Fotostudio geleistet werden. &bdquo;Vom schöneren Ambiente mal ganz zu schweigen“, so Schorcht. &bdquo;Bei uns bekommen Sie einfach die besseren Bilder.“ Auch Horst Sentker ist überzeugt, sich durch Service und Qualität als lizenziertes Fotostudio davon abheben zu können. &bdquo;Wir sind kein Automat, sondern dahinter stehen die handwerkliche Leistung eines Menschen und eine professionelle Ausstattung.“ Zudem könnten die Menschen die Fotos auch ausgedruckt mit nach Hause nehmen und weiterverwenden. Auch das sei bei den Automatenfotos nicht möglich. So äußert sich die Stadt Gütersloh zur Kritik der Händler Für Sentker ist die Passfotografie nicht nur ein wichtiger Einnahmezweig. &bdquo;Sie ist auch für viele Kunden ein niedrigschwelliger Einstieg, andere unserer Leistungen in Anspruch zu nehmen, etwa Porträts, Familien- oder Hochzeitsfotos machen zu lassen.“ Falle das Passfoto weg, würden auch die anderen Angebote weniger genutzt. Die Stadt hat auf Nachfrage die Kritik der Händler zurückgewiesen. &bdquo;Die Pressemitteilung verfolgte ausschließlich das Ziel, Bürgerinnen und Bürger über die technischen und rechtlichen Neuerungen bei der Beantragung von Ausweisdokumenten zu informieren – insbesondere über die Umstellung auf digitale Lichtbilder und die damit verbundenen Abläufe. Es handelte sich nicht um eine werbliche Mitteilung“, stellt Carsten Schlepphorst, Beigeordneter unter anderem für Digitalisierung und IT, schriftlich klar. Lesen Sie auch: Mensch gegen Automat: Gütersloher Fotografen in Angst um Existenz Schorcht hatte zudem die Einschätzung geäußert, dass es sich dabei um Wettbewerbsverzerrung handele, auch weil die Stadt den Automaten von der Bundesdruckerei unentgeltlich erhalten habe. Schlepphorst dazu: &bdquo;Ein Hinweis auf lokale Fotodienstleister war nicht vorgesehen, jedoch keineswegs ausgrenzend oder wettbewerbsverzerrend gemeint.“ Gerät der Bundesdruckerei sei im Rathaus nicht im Einsatz Die Stadt Gütersloh nutze kein Gerät der Bundesdruckerei. Stattdessen sei im Rahmen eines Konzessionsmodells ein Vertrag mit einem privaten Anbieter geschlossen worden. Mehr will Schlepphorst aus datenschutzrechtlichen Gründen zu diesem Punkt nicht sagen. Die Nutzung des Automaten sei freiwillig und ersetze nicht die Möglichkeit, biometrische Lichtbilder weiterhin bei lizenzierten Fotohändlern anfertigen zu lassen, erläutert Schlepphorst. &bdquo;Da die Umstellung auf digitale Lichtbilder auch die Ausländerbehörde der Stadt Gütersloh betrifft, ist die Anschaffung eines weiteren Gerätes vorgesehen und in Auftrag gegeben.“

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