
Gütersloh. „Wir fühlen uns wieder wie im Zweiten Weltkrieg", beschreibt Wilfried Jürgen die derzeitigen Bauarbeiten hinter seinem Haus. „Die Erschütterungen fühlen sich an, als ob Bomben fallen würden", sagt der 84- Jährige. Rund um das Industriegebiet Bartels Feld kommt es dieser Tag zu ohrenbetäubendem Lärm und starken Erschütterungen. Der Grund: Auf dem 48.000 Quadratmeter großen Areal wird zur Zeit das ehemalige Warenlager und Logistikbereich der Firma Brüggershemke + Reinkemeier (B+R) sowie die ehemaligen Büros und Betriebsflächen des Stahl-Service-Centers Amtenbrink abgerissen – zum Leid der Anwohner in der direkt angrenzenden Saarstraße.

Mit schwerem Gerät versuchen Arbeiter des Gütersloher Abrissunternehmens Hagedorn, gleichzeitig Inhaberin des Geländes, die steinernen Überreste auf dem Areal dem Erdboden gleich zu machen. „Am schlimmsten ist das Bearbeiten des Fundaments", schildern die Anwohner. Mit Bagger und Brecheranlagen zerstören die Arbeiter schwere Betonsockel. „Das ganze Haus wackelt", sagt Alexander Weiß, der von seinem Balkon beste Sicht auf die Abrissarbeiten hat.
"Derzeit ist kein Verschulden zu erkennen"
„Es hat uns niemand darüber informiert, was auf uns zu kommt", sagt Anwohner Harald Behr. Den 60-Jährigen und seine Frau Marion (59) hat es besonders schlimm erwischt. „Durch die Erschütterungen sind in unserem Haus Risse in Wänden und Fußboden entstanden", berichtet er. Ein Riss zieht sich vom Küchenfenster durch den Fliesenboden bis in die Mitte des Raumes. In den Wänden der Vorratskammer kann man fast schon von einem Spalt sprechen.
Die Schäden meldet er unverzüglich Hagedorn. Die Antwort der Versicherung des Unternehmens war wie ein Schlag ins Gesicht für Behr. „Derzeit ist kein Verschulden der Firma Hagedorn zu erkennen", hieß es in einem Schreiben. „Unsere Kundin hat auf dem Bauvorhaben mit einem Hydraulikbagger Fundamente gestemmt nach dem neusten Stand der Technik", hieß es weiter. Dadurch könnten keine Erschütterungen entstehen, die über eine Entfernung von über 100 Metern Risse verursachen. „Ich fühle mich verarscht", sagt Behr, der somit auf den Kosten für Material und Reparatur an seinem Haus sitzen bleibt.
"Lärm und Erschütterungen lassen sich nicht vermeiden"
Auch bei Nachbar Alexander Weiß machen sich im Treppenhaus seines Hauses, Baujahr 1949, erste Risse bemerkbar. „Sie wurden in den vergangen Wochen immer größer", berichtet der 60-Jährige. Das Problem: Das Erdreich rund um die Saarstraße ist sehr sandig. „Dadurch werden Erschütterungen im Boden besser übertragen", erklärt Weiß.
„Lärm und Erschütterungen lassen sich bei solchen Arbeiten leider nicht vermeiden", erklärt Rick Mädel, Geschäftsführer der Hagedorn Revital GmbH. Der Lärmpegel liege aber unterhalb der Grenze, die für die Anwohner zumutbar sei, sagte Mädel. „Wir haben so schnell, effizient und leise gearbeitet, wie es ging."
Gutachter klärt Umstände und Schäden auf
Anwohner, die in ihrem Haus Schäden zu beklagen haben, könne er zudem beruhigen. „Wenn wir etwas kaputt machen, dann kommen wir auch dafür auf", sagt Mädel. Dass die Versicherung im Falle von Behr erst einmal ein Verschulden abstreitet, sei laut des Geschäftsführers „normal". Hagedorn hat allerdings einen Gutachter beantragt, der die genauen Umstände und Schäden aufklärt. „Wenn es Schäden gibt, bezahlen wir auch dafür."
Seit Februar dauern die Abbrucharbeiten auf dem Gelände am Bartels Feld bereits an. Ein Ende ist jedoch in Sicht. „In drei bis vier Wochen werden die Rückbauarbeiten beendet sein", sagt Mädel. Dann beginnt der Tiefbau. Auf dem Areal möchte die Posttochter DHL künftig eine mechanisierte Zustellbasis für Pakete betreiben. „Bis zum Ende des Jahres soll der Bau des Zentrums beginnen", betont er. DHL und Hagedorn sind sich bereits einig. „Wir gehen davon aus, dass der Bauantrag in den nächsten vier Wochen eingereicht wird."