Gütersloh

Kolumne: Warum tun wir so, als würden wir etwas tun?

Bloggerin Sophia Schmidts kritisiert, dass Menschen in der virtuellen Welt Felder pflügen, im realen Leben aber nicht einmal den Rasen mähen.

Mit diesem Videospiel lässt sich ein eigener Hof konstruieren, inklusive Wege, Felder und Wiesen. | © Robert Becker

28.07.2019 | 30.07.2019, 07:15

Gütersloh. Sind wir mal ehrlich. Eigentlich ist die Medienwelt ein Fluch. Eigentlich müsste jemand in die Vergangenheit reisen und Bill Gates kräftig auf die Finger hauen, bevor es zu spät ist. Jemand müsste die erste Lochbildkamera finden, einmal heftig ausholen, und ihrem Besitzer mitteilen, dass es so das Beste ist, weil damit sonst ein paar Jahrhunderte und zwei Weltkriege voller Not und Leid später neun Staffeln von „Der Bachelor" gedreht werden würden.

Worin der Fluch der Medien besteht, kann so wirklich niemand sagen. Niemand kann sagen, warum er im Baumarkt fasziniert stehen bleibt und sich drei Mal hintereinander das Video anschaut, in dem zwei Stücke Holz aneinander geleimt oder Badezimmerfugen verdichtet werden. Niemand kann sagen, warum er plötzlich das Bedürfnis hat, den Text auf der Shampooflasche zu lesen, wenn er auf der Toilette sitzt und sein Handy vergessen hat.

Was ist Simulation und was echt?

Es ist wie ein Strudel, in den wir hineingezogen werden, und der uns das Gefühl gibt, dass wir auf jeden Fall noch mehr davon wollen. Also wird uns mehr geboten. Ein neuer Bachelor wird gecastet, Instagram-Stories existieren gefühlt in Spielfilmlänge, das Lieblings-Videospiel bekommt neue Features, so dass man nicht nur bei Sonnenschein passen und Freistoß trainieren kann, sondern auch bei Nieselregen und Graupelschauer.

Wir wollen mehr, wir kriegen mehr. Und wir selbst tun immer weniger. Irgendwann stellt sich die Frage, was Simulation ist und was echt. Am Wochenende trafen sich hunderte begeisterte Gamer in Harsewinkel bei Claas zur FarmCon, einer Messe rund um das Videospiel „Landwirtschafts-Simulator". In ihm lässt sich virtuell Traktor fahren. Man kann ein virtuelles Feld pflügen oder virtuelle Heuballen in die virtuelle Scheune rollen. Es ist das Leben eines Landwirtes, ohne reale Arbeitszeiten, und garantiert ohne sich schmutzig zu machen.

Wir tun so, als würden wir tun

Man könnte sich freuen, dass ein Videospiel so viel Erfolg hat, in dem man ausnahmsweise niemanden erschießen muss. Das Spiel ist friedlich und harmlos, und nebenbei wird das Leben der Landwirte populärer gemacht. Und dennoch verstehe ich Ballerspiele mehr. Man hat nicht immer die Gelegenheit, ohne Konsequenzen um sich zu schießen, aber man kann sich jederzeit auf einen Traktor schwingen oder zumindest zuhause den Rasen mähen. Sicherlich fahren am Samstag bei Claas auch die echten Maschinen vor. Aber nur, um zu Hause von den virtuellen abgelöst zu werden. Denn das ist es, was wir heute wirklich tun. Wir tun so, als würden wir tun, und sind damit zufrieden.