Von
Sophia Schmidts
12.06.2019 | 12.06.2019, 15:13
Gütersloh
Die japanische Vogelfrau ist auch in Gütersloh angekommen. Kindern zu erklären, dass die Figur gar nicht existiert, wäre wohl zu leicht, sagt Bloggerin Sophia Schmidts
Seit ein paar Tagen grusele ich mich. Ich dachte ich könnte es verbergen. Ich dachte, ich könnte über andere Dinge schreiben. Darüber, dass mir ausgerechnet eine Rentnerin geraten hat, kein Prepaid-Guthaben mehr zu kaufen, weil das Abzocke sei. Oder über die Tatsache, dass ein Bild von meinen Katzen auf Instagram mehr Kommentare bekommen hat, als ein Bild mit meinem Gesicht. Aber ich schaffe es nicht. Die Angst ist zu groß. Und Schreiben soll ja bekanntlich eine Form von Therapie sein.
Momo ist nämlich wieder da. Der Kettenbrief von der japanischen Vogelfrau, die Kinder im Schlaf beobachten und umbringen will, geht aktuell an Gütersloher Grundschulen herum. Ich bin mir nicht sicher, was es über mich aussagt, dass ich mich vor der selben Sache fürchte, wie ein Kind zwischen sechs und zehn Jahren. Aber in der Kombination mit anonymen Anrufen, in denen ich seit Tagen nur mysteriös angeschwiegen werde, bezweifle ich definitiv die Stabilität meiner Psyche.
Experten raten Eltern, Kettenbriefe und Drohnachrichten zu löschen. Gegen die Angst vor der hässlichen Fratze hat sich auch ein Weg gefunden. Nacht für Nacht dürfen Eltern und Kind nun gemeinsam unters Bett und hinter die Gardinen leuchten, was zeigen soll: Momo ist nicht da. Ich schließe daraus, seinem Kind zu erklären, dass Momo gar nicht existiert, wäre zu leicht. Oder ihm in der Grundschule kein Smartphone zu kaufen.
Mein erstes Handy bekam ich in der fünften Klasse, als ich zum sogenannten Buskind wurde. Es konnte anrufen und es konnte Snake. Ich war zufrieden. Meine größte Angst war damals, nach sechs Wochen Sommerferien meine verschimmelte Brotdose wiederzufinden.
Eigentlich könnte alles so einfach sein. Man erklärt den Kindern, dass Momo so aussieht wie jemand, der sich schon länger nicht mehr die Haare gewaschen hat und wegen zu viel Handykonsum an Schlafmangel leidet. Und ihre Zähne hat sich die arme Frau ausgeschlagen, als sie gleichzeitig beim E-Roller fahren in der Fußgängerzone aus Langeweile Kettenbriefe verschickt hat und mit einem Rollator kollidiert ist.
Noch einfacher wäre natürlich, ein Schulfach namens Medienbildung einzuführen. Aber das würde ja bedeuten, dass neue Medien und ihre Konsequenzen einen genauso hohen Einfluss auf unser Leben hätten wie Gedichtanalysen und das Verdauungssystem von Kühen. Und von dem Wissen profitiert man bekanntlich jeden Tag.
Das ist die Momo-Challenge
Die sogenannte Momo-Challenge ist eine Form von Cyber-Mobbing. Sie verbreitet sich über soziale Medien, Videos und Smartphones. Handynutzer werden über ihren WhatsApp-Account dazu aufgefordert, einen Nutzer namens "Momo" in ihre Kontakte aufzunehmen. Dieser Account schickt dann Drohungen und makabere Bilder, außerdem fordert er dazu auf, gefährliche Aufgaben durchzuführen.
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