Gütersloh. Manchmal muss man den Tatsachen ins Auge sehen. Wenn man in einer Kleinstadt wie Gütersloh lebt, ist die Wahrscheinlichkeit, Frauke Ludowig beim Klopapier-Kauf zu treffen, deprimierend gering. Vielleicht kann nicht jeder diesen Traum von mir verstehen. Vielleicht wäre Frauke Ludowig auch nicht jedermanns erste Wahl, sondern Arnold Schwarzenegger oder John Travolta.
Wenn man schon träumt, einem Promi zu begegnen, dann auch richtig. Aber Frauke Ludowig und mich, uns verbindet eine langjährige einseitige Freundschaft zur Vorabendzeit. Mein Leben lang wünsche ich mir nicht nur, sie zu kennen, sondern auch ihren Hairstylisten, ihren Visagisten. Meine Gesichtscreme-Wahl lege ich schon lange in ihre prominenten Hände. Wir haben gemeinsam die Bachelors und Bachelorettes kommen und gehen sehen und von C-Promi-Trennungen berichtet, als hätten wir zusammen von der Besenkammer aus zugesehen.
Ich hätte ein Foto mit ihr machen sollen. Habe ich aber nicht.
Dass Frauke Ludowig vor wenigen Wochen für eine Charity-Veranstaltung bei Liz Mohn in Gütersloh, quasi in meiner unmittelbaren Nähe, war, hinterlässt in mir ein Gefühl der Unruhe. Ich hätte versuchen können, sie zu treffen, aber hab ich nicht. Ich hätte ein Foto mit ihr machen können, aber hab ich nicht. Weil ich gemerkt habe, dass sich die Gesellschaft trennt: in diejenigen, die Selfies mit Berühmtheiten sammelt, und in den Rest der Menschheit, der es lässt.
Für ein Foto zu betteln, kommt mir so vor, als würde ich komplett dabei ausblenden, wer ich bin. Ich bin dann nicht mehr Sophia, die Studentin, die immer vergisst, ihre Katzen zu füttern und dafür ihre Kakteen übergießt. Ich wäre dann irgendein Gesicht, das ein Foto will. Dabei habe ich mir dieses Treffen doch ganz anders vorgestellt.
Wir greifen gleichzeitig nach derselben Klopapier-Packung
Wir würden uns zwischen den Regalen im Supermarkt treffen. Wir greifen gleichzeitig nach derselben Klopapier-Packung und müssen uns ganz verlegen anlächeln. Dann kommentiert sie meinen Einkauf und wir kommen ins Gespräch. Ich könnte mich endlich persönlich dafür entschuldigen, dass ich als Kind dachte, sie hieße Frau Koludowig. Wir würden herzlich lachen.
Nach einigen Stunden schmeißen sie uns aus dem Laden, weil wir über unsere angeregte Unterhaltung ganz die Öffnungszeiten vergessen haben. Wir verabschieden uns auf dem menschenleeren Parkplatz und Frauke Ludowig drückt mir eine Einladung zur Studiobesichtigung von Exklusiv in die Hand.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, so präzise muss es nicht geschehen. Sie kann auch Zahnpasta kaufen oder eine Ananas. Da bin ich in meiner Vorstellung flexibel. Aber bis dahin träume ich weiter, ohne ein Foto, das mir entgegen schreit: Wir hatten uns nichts zu sagen.
Für die NW Gütersloh schreibt die junge Bloggerin Sophia Schmidts regelmäßig eine Kolumne, in der sie schaut, wie viel Digitalisierung der Mensch verträgt. Sie nimmt den Leser mit durch den digitalen Dschungel – mal kritisch, mal ironisch, mal witzig.
Sich selbst beschreibt die Studentin als „verwirrt, genervt, wetterfühlig. Bei Sonnenschein optimistisch. Hoffnungsvoll." Auf ihrem Blog „Testphase Mensch" veröffentlicht sie seit einigen Jahren Beiträge über Menschen, Medien und die Gesellschaft. Der Name ist dabei Programm. „Denn der Mensch ist eine seltsame Spezies. Eigentlich kann sie sich nur in der Testphase befinden", meint Schmidts.
Mal berichtet die Studentin von eigenen Erfahrungen – mal von Beobachtungen, die sie hier und da gemacht hat. Mehr von Sophia Schmidts gibts im Internet auf ihrem Blog.