Gütersloh

Kolumne: "Facebook ist die Hochburg menschlicher Inkompetenz"

Bloggerin Sophia Schmidts kritisiert das Verhalten von Kommentatoren in Sozialen Netzwerken.

Wenn 
Menschen Langeweile haben, tun sie die unterschiedlichsten Dinge. Manche von ihnen werden in Sozialen Netzwerken tätig und bilden sich zu allem und jedem eine Meinung.
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10.07.2019 | 10.07.2019, 13:01

Gütersloh. Wenn Menschen Langeweile haben, tun sie die unterschiedlichsten Dinge. Manche Menschen lesen verzweifelt Arztromane, melden sich zu Töpferkursen im Freilichtmuseum an und finden dort mit ganz viel Glück eine Leidensgenossin, mit der sie lästernd Nordic Walken und den Joggern extra viel zu spät aus dem Weg gehen können.

Manche Menschen kaufen sich ein Haustier, das sie aus Langeweile überfüttern und bei Regen mit der Kacktüte ums Handgelenk zum nächsten Grünstreifen tragen müssen. Und dann gibt es da noch die Menschen, die mit so viel Selbstbewusstsein auf die Welt kamen, dass sie der festen Überzeugung sind, das Kommentarfeld sozialer Netzwerke sei allein dazu erfunden worden, um die Welt mit ihren geistigen Ergüssen zu beglücken.

Es werden alle Register gezogen

Wenn ich Langeweile habe, schreibe ich keine Kommentare. Ich lese mir auch keine bloßen Kommentare durch. Ich lese die Kommentare auf die Kommentare. Das ist die wahre Goldgrube deutscher Unterhaltung. Dort werden alle Register gezogen. Meinungen werden angefeindet. Es wird sich gegenseitig markiert, damit der User bloß mitbekommt, dass ihm der Krieg erklärt wurde. Manchmal rührt es mich förmlich, wie gesprächsbereit wir sind, wenn wir uns nicht persönlich kennen. So viel Offenheit Fremden gegenüber wäre an anderer Stelle ja wirklich wünschenswert.

Wenn die Diskussion hakt, wird auf Persönliches gefeuert. Mit glühenden Schädeln werden die Profile des Gegners nach Widersprüchen durchforstet. Und wenn das dann immer noch nicht zündet, geht man auf die mangelnde Rechtschreibung los. Das zieht immer.

Man fühlt sich aufgerufen zum Kommentieren

Beim Thema Rechtschreibung versteht der Deutsche keinen Spaß. Wir leben in der „Jetzt sag ich da mal was zu"- Epoche. Man fühlt sich nicht nur aufgerufen zum Kommentieren. Nein, man sieht es schon als seine Pflicht an. Der trendbewusste Kommentator trägt sein Selbstbewusstsein meist ohne Begründung, dafür gerne unterm Gürtel. Vielleicht weil die Werbeindustrie uns sagt, dass wir genau so bleiben sollen. Weil jedes zweite Selbsthilfebuch uns sagt, dass wir aufhören sollen, an uns zu zweifeln. Lob hören immer die Falschen. Facebook ist die Hochburg menschlicher Inkompetenz.

Wenn ich unter einem Text, in dem von Gütersloh als einem "Sicheren Hafen" für Flüchtlinge im Mittelmeer gesprochen wird, Freibadvergleiche und Bademeisterwitze lese, dann sehe ich keine politisch interessierten Menschen. Wenn jemand unter einem Text seine Freunde markiert, in dem ein Mann gesucht wird, der ohne Grund Leute schlägt, sehe ich keine zukünftigen Sternchen der Comedy-Szene. Ich sehe Menschen, denen ich einen Töpferkurs nur dringend ans Herz legen kann. Und Arbeitgeber lesen mit Chipstüte in der Hand mit.