Häme im Netz verdreht Täter-Opfer-Realität

Bünde. Auf Opfer einzutreten, wenn diese bereits am Boden liegen – das geht gar nicht. So gut wie jeder würde dieser Aussage wahrscheinlich zustimmen. Und doch verhalten sich Menschen nicht selten anders - vor allem, wenn sie sich im Internet bewegen, dort vermeintlich anonym kommentieren, was anderen passiert ist. So auch im Fall von Thomas G. aus Bünde (Name von der Redaktion geändert), über den die NW jetzt berichtete. Der 31-Jährige hat eine große Dummheit begangen, wie er selbst sagt. Er ist auf Betrüger hereingefallen, die ihm große Gewinne versprochen haben, wenn er im Internet in Kryptowährung investieren würde. Der 31-Jährige klickte und investierte Geld, das eigentlich für die Ende Oktober bereits fest geplante Hochzeit mit seiner Verlobten gedacht war. Als 8.000 Euro futsch waren und ihm endlich klar wurde, dass er Betrügern auf dem Leim gegangen war, erstattete er Anzeige und beichtete seine Dummheit seiner Freundin. Um die Hochzeit noch irgendwie zu retten, stellte er einen Spendenaufruf auf die Internet-Plattform gofundme. Lesen Sie auch: Kryptobetrug in Bünde - Bräutigam verzockt Geld für die Traumhochzeit &bdquo;Ein Opfer ist niemals selbst schuld“ Unsere Geschichte über Thomas G. hat einiges an Aufmerksamkeit erregt, was auch an den Kommentaren im Internet abzulesen war. &bdquo;Gier frisst Hirn“, hatte ein User kommentiert oder &bdquo;Selbst schuld - wie kann man bloß...?“ ein weiterer. Ein Mitarbeiter der Bielefelder Polizei, mit dem ich telefonierte, reagierte ganz entschieden, als er von den Kommentaren im Netz erfahren hat: &bdquo;Ein Opfer ist niemals selbst schuld“, sagte er. Eine Äußerung, über die sich das Nachdenken lohnt. Sicherlich verhalten Menschen sich manchmal nicht klug, sind vielleicht naiv oder leichtgläubig. Aber damit es zu einem Betrug kommt, bedarf es eben immer einer Gegenseite, die solch ein leichtgläubiges Verhalten ausnutzt. Der Mitarbeiter der Polizei, ein IT-Fachmann, wusste auch zu berichten, dass es gerade bei Anlagebetrug im Internet wahrscheinlich eine hohe Dunkelziffer gebe. Die Opfer schämten sich und gingen deshalb häufig nicht zur Polizei. Und da ist man schnell wieder beim Opfer, das schon am Boden liegt. Wer sagt, die Opfer seien selbst schuld und darüber hinaus noch – fast schon anerkennend – feststellt, dass die Täter ja ganz schön professionell vorgegangen sind, der verdreht die Täter-Opfer-Realität. Mitleid? – Fehl am Platz. Und das ist wirklich keine gute Entwicklung. Lesen Sie auch: Budget für Traumhochzeit von Bünder Paar weg: So schützt man sich vor Betrug Wenn Opfer sich schämen: Dunkelziffer steigt an Ob man nun für den betrogenen Thomas G. aus Bünde und seine Hochzeit, die auf der Kippe steht, spenden will, ist eine ganz individuelle Entscheidung. Aber Häme über ihm auszuschütten, dient wohl hauptsächlich der Erhöhung der eigenen Person, wie auch der IT-Fachmann der Bielefelder Polizei beobachtet hat. Es sei immer einfach, zu behaupten, dass einem selbst so etwas nie passiert wäre, sagt er. &bdquo;Das ist wie mit Autounfällen: Wenn wir alle so gute Autofahrer wären, wie wir behaupten, dann würde es gar keine Unfälle geben. Es gibt sie aber.“ Opfer sind und bleiben Opfer – dabei ist es nicht entscheidend, ob sie leichtgläubig oder naiv waren. Und wer hämisch kommentiert, der trägt dazu bei, dass die Dunkelziffer bei solchen Betrugsfällen immer höher wird, weil die Scham der Opfer und ihre Hemmschwelle, Betrug oder andere kriminelle Fälle anzuzeigen, immer größer wird. Und genau das kann nicht im Sinne der Allgemeinheit sein. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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