OWL Crime - mit Podcast

Als sich ausgerechnet Feuerwehrleute in Bielefeld als Feuerteufel entpuppten

Immer wieder sorgen Brandstifter in der Stadt für großes Aufsehen. Zuletzt waren es Autobrände. Aber auch Schafe starben. In unserer aktuellen Podcast-Folge thematisieren wir die Frage, wie es dazu kam, dass die Täter immer mehr wollten.

Eine Serie von Brandstiftungen endete in Bielefeld mit dem größten Feuerwehreinsatz der letzten Jahrzehnte. Die Täter hatten die komplette Recyclingfirma Kriehme in Brand gesetzt. | © Jens Trautmann

28.09.2023 | 28.02.2024, 15:17

Bielefeld. Unkontrolliertes Feuer löst bei den meisten Menschen existenzielle Angst aus. Aber es gibt auch Menschen, die von den zerstörerischen Flammen fasziniert, von ihnen sogar angezogen sind, sich im Flackerschein der Flammen sogar besser fühlen als im übrigen ernüchternden Alltag. Manche von ihnen werden zum Serienbrandstifter.

In Bielefeld sorgen im Sommer immer wieder solche Tatserien für viel Aufsehen. 2022 brannten innerhalb kürzester Zeit die Fahrzeuge zahlreicher Autohäuser. In Sieker sorgten wiederkehrende Brandstiftungen für riesige Schäden. Zuletzt starben sogar mehrere Schafe in einem Stall. 2012 endete eine solche Serie mit dem bisher größten Feuerwehreinsatz der letzten Jahrzehnte: dem Großbrand der Recyclingfirma Kriehme, Am Strebkamp.

Es begann mit brennenden Mülltonnen und endete mit Bielefelds größtem Feuerwehreinsatz

In der neuen Folge von Ostwestfälle, dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, widmen sich Moderator Frank Philipp und NW-Lokalredakteur Jens Reichenbach dem Phänomen Feuerteufel von verschiedenen Seiten. Dabei geht es ihnen nicht nur um die gefährlichsten Brände oder die längsten Tatserien, sondern auch um die Erklärung von Experten, was die Täter antreibt und warum viele von ihnen immer größere Brände legen.

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Auch 2009 hatte alles ganz klein angefangen. Anfangs brannten nur Mülltonnen. Dann kamen Gartenlauben dazu, später brannte eine Werkstatt, sogar ganze Gebäude gingen in Flammen auf – wenn auch leer stehende. Längst hatte die Polizei sich auf die Lauer nach den Brandstiftern gelegt, die auch damals vorrangig in Sieker zündelten.

Am Pfingstmontag, Ende Mai 2012, wurde der Feuerwehr schließlich ein Großbrand auf dem Gelände der Recycling-Firma Kriehme gemeldet. Zwei brennende Industriehallen, meterhohe Flammen in riesigen Müllbergen, explodierende Kanister wurden zur größten Herausforderung der Bielefelder Feuerwehr.

Explodierende Kanister, meterhohe Flammen, vier Verletzte

Hunderte Einsatzkräfte eilten bereits in der ersten Nacht zum Einsatzort: Löschen unter gefährlichsten Bedingungen. Am Ende wurden in mehr als drei Tagen rund 600 Brandbekämpfer eingesetzt, vier Wehrleute wurden verletzt, der Recycling-Unternehmer verlor seine Existenzgrundlage – ein Millionenschaden.

Auch Tage nach dem Ausbruch des Großbrands mussten Feuerwehrleute mit Schaum und Wasser löschen. - © Sarah Jonek
Auch Tage nach dem Ausbruch des Großbrands mussten Feuerwehrleute mit Schaum und Wasser löschen. | © Sarah Jonek

Auch in diesem Fall sollte sich schon bald herausstellen, dass Brandstifter das Feuer gelegt hatten. Der Brand war an mehreren Stellen ausgebrochen. Noch größer war allerdings die Überraschung, als sich herausstellte, dass zwei der drei Verantwortlichen (22, 23, 24) Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr waren. Die Kripo hatte nach dem Kriehme-Brand verdeckt gegen zwei polizeibekannte Brüder ermittelt und diese zusammen mit einem dritten Mann schließlich Anfang August überführt.

Täter sagt vor Bielefelder Gericht: "Das ganze Gelände sollte abfackeln"

In der Gerichtsverhandlung berichtete später einer der Angeklagten, dass sie tatsächlich an verschiedenen Stellen auf dem Kriehme-Gelände – drinnen und draußen – Grillanzünder angesteckt hatten. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters "Das ganze Gelände sollte abfackeln?" antwortete der Angeklagte nur kurz und knapp mit einem "Ja." Und dann berichtete er von seinen Emotionen dabei: Es sei ein ganz besonderes Gefühl, die Flammen zu sehen. Ein Gefühl der Euphorie.

Die Medienaufmerksamkeit war riesig, als sich das Brandstifter-Trio vor dem Landgericht verantworten musste. - © Wolfgang Rudolf
Die Medienaufmerksamkeit war riesig, als sich das Brandstifter-Trio vor dem Landgericht verantworten musste. | © Wolfgang Rudolf

Dass sie zur Tatzeit Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr waren, hatte zu einer zusätzlichen Motivation geführt: "Wir wollten einen längeren Einsatz, einen Brand, der den ganzen Tag dauert." Kurz gesagt: Sie wollten Action, sie wollten sich beweisen, suchten Lob für ihr Engagement. Die beiden jungen Männer (22, 23) galten als Leistungsträger ihrer Löschabteilung. Sie suchten ein wenig Glanz in einem sonst eher von Langeweile und Versagen gekennzeichneten Leben. Der Vorsitzende Richter Christoph Meiring betonte damals: "Dies geschah alles aus nichtigen Gründen und allein zur eigenen Unterhaltung." Er sprach von einer "verachtenswerten Tat".

Wut und geringe Bildung sind gemeinsame Nenner bei der Brandstiftung

Das Urteil fiel für die drei Männer sehr unterschiedlich aus. Für den "Kronzeugen", der umfassend ausgepackt hatte, gab es zwei Jahre auf Bewährung, für seinen Freund vier Jahre Haft, für dessen bereits vorbestraften Bruder sogar sechs Jahre. In einer Schadenersatzklage wurde das Trio zu einer Zahlung von 400.000 Euro an den Unternehmer verurteilt. Unwahrscheinlich, dass die Männer die Schuld jemals werden begleichen können.

Psychiater und Psychologen rätseln seit vielen Jahren über die Motive, die meist junge Männer zu Brandstiftern werden lassen. Obwohl es viele Auslöser geben kann, scheint "geringe Bildung" ein gemeinsamer Nenner zu sein. Der Anteil der Minderbegabten bei Brandstiftern sei überdurchschnittlich groß, sagt der Bielefelder Psychiater Carl-Ernst von Schönfeld. Auch Frust spiele bei den Tätern eine wiederkehrende Rolle. Brandstiftung sei oft ein Ausdruck eines Rachegefühls. Die Täter hätten oft nicht die richtigen Mittel, um diesen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Zum Feuerzeug zu greifen sei dann ein Ventil, die Wut herauszulassen.

Täter mit Psychosen sind am schwierigsten einzuschätzen

Rebecca Böndü von der Psychologischen Hochschule Berlin hat bei Ihrer Analyse von Brandstifterakten vier Kategorien identifiziert: Jugendliche, die Mülltonnen anzünden – eine Form des Vandalismus. Täter, die sich gezielt bei Personen rächen wollen – eine Form der Sachbeschädigung. Täter mit Psychosen, deren Motive mit der Realität nichts zu tun haben. Sie seien die am schwierigsten einzuschätzende Klientel. Und eben Brandstifter, die das Feuer lieben. Sie legen Feuer aus Spaß.

Hier gibt es neben dem Podcast zu den Bielefelder Feuerteufeln noch viele weitere OstwestFälle.

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