"Zu dumm" und "frustriert" – so ticken Brandstifter

Bielefeld. Täglich brennen zuletzt in Bielefeld Autos auf dem Gelände von Autohäusern oder Gebrauchtwagenhändlern. Die Sorge in der Branche ist groß. Ist inzwischen sogar ein Sicherheitsdienst nötig, um das Risiko eines nächtlichen Schadensfalls durch Brandstiftung abzuwenden? Hier hilft vielleicht ein Blick auf typische Verhaltensmuster von Serienbrandstiftern. Welche Brandstifter-Typen gibt es? Rebecca Böndu von der Psychologischen Hochschule Berlin hat für ihre Forschung zahlreiche Ermittlungsakten des Branddezernats im LKA Berlin auf wiederkehrende Motive analysiert. Im Spiegel nennt sie diese Täter-Kategorien: Es gibt Jugendliche, die auf der Straße rumhängen und Mülltonnen anzünden, weil sie nichts Besseres zu tun haben. Eine Form des Vandalismus. Dann gebe es Täter, die sich an jemandem rächen wollen. &bdquo;Sie zünden Nachbars Auto an oder seinen Kellerverschlag.“ Am schwierigsten einzuschätzen seien Täter mit Psychose, weil ihre Motive mit der Realität nichts zu tun haben. Und dann gibt es diejenigen, &bdquo;die das Feuer lieben, seinen Geruch, die Hitze“. Sie legen Feuer aus Spaß. Was treibt diese Feuer-Täter an?Der aktuelle Brandstifter in Bielefeld scheint ein erstaunliches Interesse an brennenden Autos entwickelt zu haben. Die Psychiater, die sich intensiv mit Serienbrandstiftern befassen, kommen trotz aller individuellen Unterschiede oft auf einige typische Gemeinsamkeiten. Im Interview mit der Lokalredaktion betont der anerkannte Bielefelder Psychiater und Gerichtssachverständige Carl-Ernst von Schönfeld zuletzt, dass es zwar &bdquo;keine bestimmte Persönlichkeitsstruktur eines Brandstifters“ gebe. Dennoch sei Frust bei vielen Brandstiftern ein ganz wesentliches Motiv. &bdquo;Brandstifter spüren in der Regel eine enorme Wut oder ein Rachebedürfnis“, sagt der Experte der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel. Weil viele der Täter aber nicht über adäquate Mittel verfügten, um diesen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, setzen sie stattdessen Dinge in Brand. Wie sieht ein typisches Brandstifter-Profil aus? Die Täter sind eher jung als alt, eher männlich als weiblich, meistens alleinstehend und sie verfügen in der Mehrzahl der Fälle über eine relativ geringe Bildung. Der Anteil an Minderbegabten sei bei Brandstiftern überdurchschnittlich groß, so von Schönfeld. Der Münchener Kriminalpsychologe Georg Sieber hat in einem denkwürdig unverblümten Stern-Interview gesagt: &bdquo;Nach unserer Erfahrung ist der typische Serienbrandstifter selten intelligent, hat einen einfachen Job und zeigt insgesamt wenig Leistungsbereitschaft. Um es brutal zu sagen: "Es sind meistens die Loser der Gesellschaft, die versuchen, mit möglichst wenig Aufwand große Aufmerksamkeit zu erregen.“ Von Schönfeld formuliert es etwas moderater: Mit einfachen Mitteln großen Schaden zu verursachen, verführe gerade Menschen, die sonst nicht so große Möglichkeiten in unserer Gesellschaft hätten. Bei der aktuellen Serie reicht ein Grillanzünder aus, um enorme Feuer auszulösen: Das zeigen auch die aktuellen Schadenssummen bei den Autohäusern. Oft bauten die Täter beim Feuerlegen innere Spannungen ab, die durch den Frust im Alltag entstehen. Die Experten sprechen hier von einer Ventilfunktion. Ist den Tätern bewusst, was sie anrichten? Kleinere Betriebe können in ernste Existenznot geraten, wenn nach so einem Brand keine ausreichende Versicherung vorliegt. Schon eine brennende Mülltonne direkt am Wohnhaus kann in kürzester Zeit Menschenleben in höchste Gefahr bringen. Das Bemerkenswerte: Die mangelnde Intelligenz vieler der Täter habe gezeigt, dass sie sich keine Gedanken über die Folgen ihres Handelns machen, so Sieber: &bdquo;Offenbar sind sie einfach zu dumm, um das zu erkennen“, sagte der Psychologe im Stern.Sind die alle krank? Die Experten gehen bei den meisten Serientätern davon aus, dass sie gesund sind. Auch von Schönfeld betont das. &bdquo;Bei ihnen spielt die Zerstörungswut eine sehr große Rolle.“ Deshalb sei ihr Tun eher mit einem normalen Gewaltdelikt gleichzusetzen als mit einer psychischen Störung. Serie der zurückliegenden Auto-Brandstiftungen: 5. April, 23.30 Uhr, Eckendorfer Straße 14: Der Täter legt offensichtlich Brandbeschleuniger auf den Reifen eines Mercedes GLC Coupé auf dem Gelände der Car-Agentur. Passantinnen bemerken die Flammen und rufen die Feuerwehr. Als die eintrifft, gibt es nichts mehr zu löschen. Die Zeuginnen konnten Schaden frühzeitig abwenden. Der Täter könnte mit einem Roller geflohen sein. Kein nennenswerter Schaden. 19. April, 23.30 Uhr, Eckendorfer Straße, Höhe An der Pottenau: Ein Überwachungsvideo zeigt, wie ein Mann auf das Gelände des Audizentrums geht und einen Audi A6 in Brand setzt. Nach der Tat flüchtet der Mann zu Fuß. Er könnte kurz darauf auch in ein Fahrzeug gewechselt sein, sagt die Polizei. Schaden: 51.500 Euro. 26. April, 23.40 Uhr, Herforder Straße (zwischen Stadtheider und Schillerstraße): Auf dem Gelände eines Autohauses zündet jemand eine schwarze Mercedes S-Klasse an. Der Wagen wird im Bereich des rechten hinteren Rades beschädigt. Wie auch bei dem Octavia befindet sich an dieser Stelle der Tank des Fahrzeugs. Es ist offensichtlich, dass der Täter explizit danach sucht und dort das Feuer legt. 28. April, 0.35 Uhr, Detmolder Straße (nahe Wismarer Straße): Örtlich aus der Reihe tanzt diese Brandstiftung. War der Täter bisher auf den Bereich Eckendorfer Straße / Herforder Straße beschränkt, so legt ein Brandstifter diesmal Feuer beim Autohaus Cloppenburg – wieder an einem hinteren Radkasten, wie die Polizei mitteilt. Zwei 3er BMW werden komplett durch die Flammen zerstört, ein dritter Wagen wird zumindest durch die Hitze der Flammen beschädigt. Die Polizei geht wieder von Brandstiftung aus und beziffert den entstandenen Schaden allein hier auf 100.000 Euro. 1. Mai, 2 Uhr, Eckendorfer Straße 70: Der Täter kehrt zurück an die Eckendorfer Straße. Wieder geht das hintere rechte Heck eines Fahrzeugs in Flammen auf. Es ist ein Skoda Octavia. Die Feuerwehr kann verhindern, dass auch der vordere Teil des Wagens zerstört wird. Schaden: 10.000 Euro. 2. Mai, 1.15 Uhr, Eckendorfer Straße / Feldstraße: Streifenbeamten fiel auf dem Gelände eines Autohauses nahe der Feldstraße ein schwarzer VW Golf GTI auf, bei dem es am Hinterrad brannte. Das Feuer konnte frühzeitig gelöscht werden. Schaden: 4.000 Euro. 3. Mai, 0.30 Uhr, Detmolder Straße 378: Vor dem Skoda-Autohaus Wiegers geht ein SUV in Flammen auf. Der Wagen steht so nah an dem Gebäude, dass die Flammen drohen, auf die Fassade überzugreifen. Eine Schaufensterscheibe reißt aufgrund der großen Hitze. Der Wagen erleidet Totalschaden. Schaden: 35.000 Euro 4. Mai, 0.30 Uhr, Herforder Straße 280: Auf dem Hof eines Gebrauchtwagenhändlers stehen drei Fahrzeuge in Flammen. Nach wenigen Minuten können die Einsatzkräfte das Feuer löschen und ein Übergreifen auf weitere Fahrzeuge verhindern. Ein Renault Twingo, ein 1er BMW und ein VW Golf brennen jedoch komplett aus. Wert: ca. 16.500 Euro. 4. Mai, 2.40 Uhr, Eduard-Windthorst-Straße: Auf einem Parkplatz des Klinikum Mitte steckt jemand einen Hyundai Tucson (ein Hybrid-Fahrzeug) an. Die Kripo geht aus verschiedenen Gründen davon aus, dass diese Brandstiftung nicht zu der Serie der Autohaus-Brandstiftungen gehört. Hier brach das Feuer im Gegensatz zu allen anderen Fällen im Bereich des linken Vorderrades aus. War hier ein Trittbrettfahrer aktiv? Schaden: 50.000 Euro. 6. Mai, 23 Uhr, Detmolder Straße 301: Auf dem Gelände des Autohauses Stopka brennt ein Jaguar, ein zweiter wird beschädigt. Wieder geht das Feuer von einem hinteren Reifen aus. Die Feuerwehr kann ein Übergreifen auf weitere wertvolle Fahrzeuge verhindern. Der Schaden beläuft sich dennoch auf 70.000 Euro. 8. Mai, 0.10 Uhr, Herforder Straße 270: Ein Opel Insignia wird auf dem Gelände des Gebrauchtwagenhändlers MH Auto Center angezündet. Da die Feuerwehr schnell vor Ort ist, wird der Wagen nur im hinteren Bereich beschädigt.

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