
Bielefeld. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte schon vor Wochen vor einer „Meldedelle" gewarnt: Durch verspätete Infektionsmeldungen und einen Meldeverzug über Weihnachten und Neujahr seien die Daten zu Corona-Neuansteckungen und Sterbefällen unvollständig. Aus dem daraus errechneten Sieben-Tage-Inzidenzwert lasse sich „daher allein kein Trend zu den aktuell erfolgten Neuinfektionen ablesen." Auch in Bielefeld ist das der Fall.
Der Inzidenzwert der Stadt ist in den letzten Tagen stark gestiegen und wird das noch weitere Tage tun. „Er spiegelt jedoch nicht das aktuelle Infektionsgeschehen", sagt Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger. Allerdings: Die reale Lage, die der Krisenstab derzeit anhand der Zahl der täglichen Neuinfektionen beurteilt, sei dramatisch. „Der Inzidenzwert liegt auch unabhängig von den derzeitigen Statistiken wohl über 200", so Nürnberger.
Keine Meldepflicht an Sonntagen
Wie in den meisten Kommunen habe es auch in Bielefeld über die Feiertage Meldeverzögerungen gegeben. Die „Meldedelle" sein jedoch kein „spezifisch kommunales Problem", sagt der Krisenstabsleiter.
An Sonn- und Feiertagen bestehe keine Meldepflicht für Infektionskrankheiten. Das Gesundheitsamt habe seinen Schwerpunkt daher auf die Kontaktnachverfolgung von Ansteckungsfällen gelegt und habe dabei sehr gute Arbeit gemacht. „In der Regel begann die Bearbeitung bereits am Eingangstag der positiven Testergebnisse", so Nürnberger.
Allerdings gingen über die Feiertage hunderte von Corona-Meldungen ein, die nur verzögert an das Landeszentrum Gesundheit und von dort ans RKI gemeldet wurden. 450 Meldungen hatten sich am Jahresanfang aufgestaut.
Die fließen nun Zug um Zug in den Inzidenzwert ein, der Neuinfektionen in den letzten sieben Tagen bezogen auf 100.000 Einwohner angibt. Der Wert sei dadurch sprunghaft gestiegen und spiegele nicht die reale Situation.
Unzureichend abgestimmt
Seit vergangenem Mittwoch arbeitet das Gesundheitsamt den Rückstau verstärkt ab. Mitte der Woche soll die Arbeit komplett erledigt sein. Dann wird es wiederum sieben Tage dauern, bis reale Zahlen vorliegen.
Nürnberger kritisiert den technischen Ablauf des Meldeverfahrens. Die Computersysteme der kommunalen Gesundheitsämter, der Landeszentrale Gesundheit und des RKI seien unzureichend aufeinander abgestimmt. Komplette Datensätze von Infizierten müssten mühsam eingegeben werden. Zudem sei das System fehleranfällig. „Das ist ernüchternd", sagt Nürnberger.
Bundeswehr bleibt noch
Er freut sich, dass das Gesundheitsamt noch bis Anfang Februar von Bundeswehrsoldaten unterstützt wird. Zudem sollen 70 Zeitverträge von Corona-Scouts, die in Kürze ausgelaufen wären, bis Ende Juni verlängert werden.
Die Lage bleibe gefährlich. In der vergangenen Wochen sei die Zahl der Neuinfektionen deutlich gestiegen. „Die Situation verschlechtert sich. Es ist davon auszugehen, dass die reale Meldeinzidenz in den nächsten Tagen über 200 gehen wird", sagt der Krisenstabsleiter. Dann müssten weitere Maßnahmen geprüft werden.
Ein Blick auf die Krankenhäuser verdeutliche die Situation. Nürnberger: „Ein Klinikchef hat mir berichtet: ,Wenn wir eine weitere Corona-Station eröffnen müssen, wird das die Versorgung in anderen Krankenhausbereichen deutlich verschlechtern."