Rohr in neuer Rolle: Paderborns falsche Neun trifft mit der Nase

Kiel. Not macht erfinderisch. An diese Redewendung erinnerte sich offenbar auch Lukas Kwasniok. Der Cheftrainer des SC Paderborn musste am Samstag im Zweitliga-Gastspiel bei Holstein Kiel auf seine etatmäßigen Stoßstürmer Marvin Pieringer (Sprunggelenk) und Felix Platte (Infekt) verzichten. Und so beorderte Kwasniok seinen Defensivspezialisten Maximilian Rohr flugs in den Angriff. Das gewagte Experiment war von Erfolg gekrönt. Die falsche Neun, die sonst als Innenverteidiger oder Sechser fungiert, schoss prompt ihr erstes Tor für Paderborn. Rohrs Treffer hätte beinahe für den fünften Sieg im fünften Rückrundenspiel gereicht, doch ein umstrittener Handelfmeter rettete den Hausherren aus Kiel noch ein 1:1 (0:1). "Die Kieler haben sich auch mindestens diesen einen Punkt verdient, denn sie waren über 90 Minuten gesehen die etwas bessere Mannschaft", resümierte Kwasniok. Diesem fehlten an der Ostsee zudem die Mittelfeldspieler Kai Klefisch und Sebastian Klaas. Die Kreativkünstler Florent Muslija und Julian Justvan saßen angeschlagen auf der Bank. Und dann erlitten zwei weitere SCP-Akteure im Verlauf der Partie auch noch schwere Verletzungen. Im Blindflug zum Premierentreffer Raphael Obermair kugelte sich die Schulter aus und musste in der 64. Minute raus. Für Robert Leipertz war bereits kurz vor der Pause Feierabend. Der SCP-Stürmer hatte sich am linken Fuß verletzt. Gut zehn Minuten zuvor hatte Leipertz die perfekte Vorarbeit zum Paderborner 0:1 geliefert. Der 30-Jährige flankte Richtung langer Pfosten. Dort löste sich Maxi Rohr geschickt vom Kieler Verteidiger Patrick Erras, um das Leder per Flugkopfball ins lange Eck zu bugsieren (31.). "Ich habe den Ball mit der Nase erwischt. Dann habe ich kurze Zeit nichts gesehen. Und als ich wieder aufgestanden bin, war der Ball drin", kommentierte Rohr seinen ersten Pflichtspieltreffer für den SCP. Es war zugleich sein erstes Zweitligator, aber nicht seine Stürmer-Premiere im Profibereich. So hatte Rohr bereits in Diensten des damaligen Drittliga-Schlusslichts Carl Zeiss Jena am 28. September 2019 in der Partie gegen den MSV Duisburg im Angriff gespielt. Jenas Trainer war damals ein gewisser Lukas Kwasniok. "Wir haben das Spiel 1:2 verloren. Und Lukas wurde daraufhin entlassen. Ich hoffe, dieses Schicksal bleibt ihm diesmal erspart", witzelte Rohr nach dem 1:1 in Kiel, das der SCP-Torschütze als "Punktgewinn" bezeichnete. Kwasniok kann es nicht fassen Relativ zufrieden war die HSV-Leihgabe auch mit seiner persönlichen Darbietung. "Am Anfang war es etwas schwierig. Ich musste erst einmal in die Rolle hineinfinden", erklärte Rohr. "Mit Blick darauf, dass Maxi das nach langer, langer Zeit mal wieder gespielt hat, war das eine gute Leistung", urteilte sein Trainer. Mit der Leistung des Schiedsrichters war Kwasniok dagegen gar nicht einverstanden. So hatte Referee Wolfgang Haslberger in der 64. Minute einen umstrittenen Handelfmeter gepfiffen. Marco Schuster hatte den Ball bedrängt vom Kieler Philipp Sander mit der Brust angenommen, um das Leder dabei wohl auch leicht mit dem rechten Arm zu berühren. "Uns wurde noch letzte Woche in einer Schulung erklärt, dass das niemals ein Elfmeter ist", sagte Paderborns Coach, der zudem nicht nachvollziehen konnte, warum der VAR nicht einschritt. "Da verstehe ich die Fußballwelt nicht mehr", so Kwasniok. Fabian Reese verwandelte jedenfalls den besagten Strafstoß zum 1:1-Endstand (66.). Kiel drängte anschließend aufs 2:1, doch geschickt verteidigende Paderborner ließen nur noch herzlich wenig zu. Gelungene SCP-Offensivaktionen waren jedoch Mangelware. "Für die Jungs war es nicht einfach. Erst bricht Leipertz weg, dann muss der Nächste raus. Dann bekommst du so einen Elfmeter", sagte Kwasniok. Kehrt Rohr auf die Sechs zurück? Der SCP-Coach hatte daher vollstes Verständnis dafür, dass es im Spiel mit dem Ball diesmal sichtlich hakte. "Die Jungs wollen ja mutig sein. Aber in der Summe geht es dann irgendwann nicht mehr, weil das Spiel mit dem Ball in erster Linie von Kreativität, Finesse und einer gewissen Selbstverständlichkeit lebt", so Kwasniok. Und all dies sei (wenig verwunderlich) durch die vielen Ausfälle und Rückschläge verloren gegangen. Das Spiel gegen den Ball war dagegen vorbildlich. "Wir können mit unserer defensiven Stabilität sehr zufrieden sein", bilanzierte Maximilian Rohr. Ob die Paderborner Allzweckwaffe nun am Freitag, 3. März, im Heimspiel gegen St. Pauli (18.30 Uhr, Home-Deluxe-Arena) erneut als falsche Neun aufläuft, ist fraglich. "Es ist sicher auch eine Option für die Zukunft. Aber auf der Sechs wird es bei uns ja nun auch etwas dünn", sagte Kwasniok. Dort fällt neben Kai Klefisch nämlich auch Kapitän Ron Schallenberg (Gelbsperre) aus.

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