"Wir tilgen lieber Schulden statt Millionen für Neuzugänge auszugeben"

Paderborn. Seit gut 14 Jahren ist Martin Hornberger Geschäftsführer des SC Paderborn. Martin Przondziono beerbte unterdessen im vergangenen Juni den SCP-Geschäftsführer Markus Krösche. Nun stellten sich beide zum Interview. Im Gespräch mit nw.de erklärten die Geschäftsführer unter anderem, warum der Bundesliga-Aufsteiger bei den Sommertransfers so zurückhaltend war, warum Trainer Steffen Baumgart fest im Sattel sitzt und warum der SC Freiburg ein Vorbild für den SCP sein kann. Herr Hornberger, Herr Przondziono. Zwei Jahre ging es steil bergauf. Nun ist der SC Paderborn mit nur vier Punkten aus zehn Spielen Bundesliga-Schlusslicht. Können Sie verstehen, dass einige Fans nun schon wieder meckern?Martin Przondziono: Ich kann die Fans verstehen, die nach Köln oder Hoffenheim fahren und dann erleben, dass wir chancenlos sind. Auch wir sind mit unserer Ausbeute natürlich nicht zufrieden. Zehn, elf Punkte wären realistisch gewesen. Aber es sind erst zehn Spiele absolviert. Und wenn ich mir die anderen Mannschaften anschaue, wird es ein heißes Rennen bis zum Ende.Martin Hornberger: Es gibt einige wenige Fans, die grundsätzlich meckern. Doch ein hoher Prozentsatz unserer Anhänger hat verstanden, dass wir in den vergangenen beiden Jahren etwas Besonderes erreicht haben. Es ging von der Bundesliga runter bis fast in die vierte Liga und dann wieder nach oben. Ich nenne es das sportliche V, das im deutschen Fußball einmalig ist. Wir dürfen die Begeisterung über das, was wir erreicht haben, nicht verlieren. Wie ist es dem SCP denn gelungen, von ganz unten wieder nach oben zu kommen?Hornberger: Wir lagen auf der Intensivstation und die Geräte sollten abgestellt werden. Dann kam 1860 München. Und dann waren da Wilfried Finke und seine Freunde, die die wirtschaftlichen Voraussetzungen schufen, um dem fußballerischen Tod noch mal von der Schippe zu springen. Denn die vierte Liga wäre für uns das Aus gewesen. Mit Markus Krösche, Steffen Baumgart und dem gesamten Stab haben wir dann den Erfolgsweg eingeschlagen.Przondziono: Markus hat eine tolle Arbeit gemacht. Und Steffen war ein Glücksgriff. Beide haben von Beginn an auf eine langfristige Planung gesetzt und eine Spielidee entwickelt. Natürlich gehörte auch Glück dazu. Der Erstliga-Aufstieg war sicher nicht geplant. Aber Markus hat mal gesagt: Irgendwann wirst du für all das, was du investierst, belohnt. Und was hier geleistet wurde, ist ganz großes Kino. Die Euphorie schien nach dem ersten Bundesliga-Aufstieg 2014 dennoch größer gewesen zu sein.Hornberger: Die Euphorie ist diesmal eine andere. Dies liegt sicher auch an dem sportlichen Absturz, der nach 2015 kam. Viele Fans haben Angst, dass es nach dem Erstliga-Aufstieg nun wieder steil nach unten geht. Der Paderborner an sich ist etwas vorsichtiger geworden. Trotzdem ist eine Euphorie da, denn diese Liga ist ein Geschenk für uns. Und wir haben die Basis unserer Anhänger StepbyStep gesteigert. So hatten wir vergangene Saison den besten Zweitliga-Zuschauerschnitt der Vereinsgeschichte. Und was entgegnen Sie Fans, die die Transferpolitik kritisieren? So hat der SCP im Sommer ganze 150.000 Euro für neue Spieler ausgegeben.Przondziono: Wir haben halt weniger Geld zur Verfügung und müssen das Beste daraus machen. Wir wollen auch mit aller Macht die Bundesliga halten. Aber es geht vor allem um Paderborn als Standort im Profifußball. Wir wollen lieber Schulden tilgen, damit der Verein grundsolide dasteht, falls es mal wieder in die andere Richtung geht. Das ist eine wesentlich bessere Idee als jetzt drei, fünf oder zehn Millionen Euro für Neuzugänge auszugeben. Denn damit steigt nicht zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit, die Liga zu halten. Uns geht es um die Professionalisierung der Strukturen. Da lohnt sich durchaus ein Blick zum SC Freiburg.Hornberger: Nach der Saison 2014/2015 haben wir gedacht, wir könnten mit großen Transfers den sportlichen Erfolg einkaufen und um den Wiederaufstieg spielen. Wir haben Millionen für Spieler wie Stöger, Wahl oder Bickel ausgegeben. Das war ein Trugschluss. Zumindest haben wir gleichzeitig mit dem Trainings- und Nachwuchsleistungszentrum herausragende Rahmenbedingungen geschaffen, die wir nun weiter ausbauen wollen. Wir können uns dank des erneuten Erstliga-Aufstiegs besser aufstellen, als es der SCP je war. Aber wir können uns nie so gut aufstellen wie andere Vereine. Die haben beispielsweise 80, 100 oder 120 Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle. Hier sind es inklusive des Stadionbetriebes knapp über 30. Sponsoren investieren beim SCP in die Zukunft Wie kann der SCP dann im Konzert der Großen mithalten?Przondziono: Indem wir uns als Ausbildungsverein verstehen. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren sechs Nationalspieler hervorgebracht. Allein daran sieht man, dass man sich hier toll entwickeln kann. Wir steigern die Marktwerte der Spieler, um dann Transfererlöse nutzen zu können. Für Jungs wie Collins, Dräger oder Vasiliadis ist Paderborn ja nicht die letzte Station. Wir sagen Spielern, die zu uns wollen, vielmehr: Kommt zu uns. Ihr macht uns besser, wir machen euch besser. Und wenn ihr dann eine Möglichkeit für einen lukrativen Wechsel habt, dann finden wir zusammen eine Lösung. Das ist unser Geschäftsmodell. Und wir suchen jetzt schon die nächste Generation an jungen Spielern. Und wofür werden die Transfererlöse genutzt?Przondziono: Wir bauen damit die Strukturen auf, die es uns ermöglichen, dauerhaft zu den Top 30 im deutschen Fußball zu gehören. Am Ende des Tages investierte ich lieber in die Infrastruktur und stelle neue Mitarbeiter ein, als einen Spieler zu holen, der uns wenn überhaupt nur kurzfristig weiterhilft. Mit dieser Ausrichtung wollen wir verhindern, dass wir noch mal in die dritte Liga absteigen. Und wenn wir mit unserer Rolle vernünftig umgehen, kann auch ein Misserfolg kompensiert werden, weil wir uns finanziell so solide aufgestellt haben. Stadionausbau auch Abstiegsfall Wie zufrieden sind Sie denn mit der Unterstützung durch Sponsoren?Hornberger: Wir sind sehr mittelständisch geprägt und haben rund 250 Partner, die uns unterstützen und eine breite Basis bilden. Das ist etwas anders als noch unter Zeiten von Wilfried Finke. Da hat sich jeder darauf verlassen, dass Herr Finke in einem Notfall wieder einspringt. Nun haben wir auch für unsere Gremien weitere erfolgreiche Unternehmer gewonnen, die sich für den SCP intensiv engagieren. Wir haben viele Partner aus der Region, wollen aber mit unserem ganz besonderen Fußball auch Global Player nach Paderborn holen.Przondziono: Wenn ein neuer Sponsor kommt, dann zahlt er nicht, um Vereinsschulden zu begleichen. Er kann hier beim SCP in die Zukunft investieren. Das ist ein Vorteil in Gesprächen mit potenziellen Geldgebern. Und diesen Vorteil können wir auch dadurch gewinnen, indem wir momentan etwas auf die Kostenbremse treten. Zur Verbesserung der Strukturen zählt auch der Stadionausbau. Wie ist dort der Stand der Dinge?Hornberger: Der Bauantrag ist gestellt. Die ersten vorbereitenden Arbeiten für den ersten Bauabschnitt haben sogar schon begonnen. Wir werden 300 neue VIP-Plätze auf der Westtribüne schaffen und das Funktionsgebäude aufstocken. Die neuen Tribünenteile an der Westtribüne sollen im Februar installiert werden, wenn wir drei Wochen lang kein Heimspiel haben. Zum Saisonstart 2020/2021 wäre die neue Tribüne dann nutzbar. Mit dem zweiten Bauabschnitt würden wir im Mai 2020 beginnen. Dann sollen zusätzliche Tribünen an den drei weiteren Seiten der Arena eingehängt und Treppenzugänge gebaut werden. Zur Rückrunde der Saison 20/21 hätten wir somit knapp 3.000 neue Sitzplätze. Beim Klassenerhalt müssen wir den zweiten Bauabschnitt ohnehin durchführen, aber wir werden ihn wohl auch bei einem Abstieg in Angriff nehmen. Denn es würde auch in der 2. Liga unsere Einnahmesituation verbessern. Zudem würden wir gerne unser TNLZ erweitern und zwei zusätzliche Trainingsplätze auf der ehemaligen Hochdeponie am Ahorn-Sportpark errichten. Da gibt es noch keine Bauanträge, aber wir sind in ersten Gesprächen. "Keiner hat einen Freifahrtschein für immer" Bleibt trotzdem noch Geld für Winter-Transfers?Przondziono: Wir wollen uns in der nächsten Länderspielpause zusammensetzen und analysieren, ob wir vielleicht auf der ein oder anderen Position nachbessern müssen. Ich denke da zum Beispiel ans defensive Mittelfeld. Aber wir werden unseren Weg nicht verlassen. Ich hole ganz sicher keinen 30-Jährigen, der noch ein paar Euros abgreifen will und nach ein paar Monaten wieder verschwunden ist. Trotz der mageren Punkte-Ausbeute ist der Trainer beim SCP unumstritten. Wird sich das auch nicht ändern?Przondziono: Keiner hat einen Freifahrtschein für immer und ewig. Aber Fakt ist: Wir haben einen Trainer, der mit einem Fast-Viertligisten in die Bundesliga aufgestiegen ist und der aus Dritt- und Viertligaspielern sechs Nationalspieler geformt hat. Solange ich das Gefühl habe, dass wir uns in die richtige Richtung entwickeln, werde ich den Trainer nie in Frage stellen. Wir entwickeln uns und haben noch sehr viele Ideen. Wir können ja nicht immer nur sagen, dass wir so sein wollen wie Freiburg. Wir müssen Freiburg auch leben. Die sind mit Finke und Streich mehrmals ab- und wieder aufgestiegen. Personelle Kontinuität spielt bei uns eine wichtige Rolle. Und ich denke, sie hilft beim Meistern von Krisen. Wenn Steffen Baumgart und ich uns irgendwann einmal anschauen und sagen &bdquo;Die Luft ist raus", dann stellt sich vielleicht die Trainerfrage. Aber derzeit besteht nicht im Ansatz die Notwendigkeit, darüber nachzudenken. Wir ziehen das Ding durch, solange wir meinen, dass es so richtig ist. Wie würde dann der passende Slogan für den SCP lauten? Arm, aber sexy?Hornberger:&bdquo;Wir sind anders als die anderen Bundesligisten", würde vielleicht passen. Wir haben weniger Geld, aber verzweifeln nicht daran. Wir haben vielmehr den Mut und den Willen, in der Bundesliga zu bleiben, ohne unsere Demut zu verlieren.Przondziono:Wir sind entwicklungsfähig und sexy. Der SCP hat ein großes Potenzial und wir schieben gerade eine Menge an. Das macht unheimlich viel Spaß. Wir wissen, dass wir in der Bundesliga mit einer Wasserpistole in den Wettkampf ziehen. Aber mit einer Wasserpistole kann man ja Gegner nass machen. Das Gespräch führten Thomas Seim, Carsten Heil und Frank Beineke.

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