Nach Eklat

Fall Tönnies: DFB-Ethiker prüfen mögliche Anklage wegen Rassismus

Das vor drei Jahren vom DFB eingesetzte Gremium hat bisher in keinem Fall eine Anklage erhoben. Es prüft nun einen "schwerwiegenden Rassismus-Vorwurf"

Schalke-Boss Clemens Tönnies steht wegen seiner umstrittenen Afrika-Äußerungen unter Druck. | © picture alliance / SvenSimon

Andrea Frühauf
23.08.2019 | 23.08.2019, 12:04

Berlin. Die DFB-Ethikkommission benötigt nach den umstrittenen Afrika-Äußerungen des Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies nur noch eine nähere Information, um den Fall abschließend zu bewerten, wie der Kommissions-Vorsitzende Nikolaus Schneider nw.de sagte. Dies dürfte in einigen Tagen der Fall sein.

Der Beschluss werde voraussichtlich nächste Woche fallen, sagte Schneider. Das wäre nach dem Schalke-Spiel gegen Bayern München an diesem Samstag. „Wir müssen überlegen, ob wir Anklage wegen Rassismus erheben oder nicht", sagte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Schneider betonte: „Der Rassismus-Vorwurf ist schwerwiegend." Die Kommission muss nun prüfen, ob dieser Vorwurf zutrifft.

Anklage beim Sportgericht möglich

Die DFB-Ethikkommission kann zwar keine Sanktionen aussprechen, sie kann allerdings Untersuchungen einleiten und bei hinreichendem Tatverdacht Anklage bei der Ethik-Kammer des Sportgerichts des DFB erheben. Damit gibt sie den Fall ab. Auch bei Verzicht auf eine Anklage gehe dies nur im Einvernehmen mit der Ethik-Kammer des Sportgerichts.

Das DFB-Sportgericht ist das höchste Kontrollorgan im Deutschen Fußball-Bund. Es ist zuständig für alle Verstöße von Vereinen, Spielern, Trainern, Schiedsrichtern und Funktionären gegen Rechtsvorschriften des DFB sowie der Deutschen Fußball- Liga im Zusammenhang mit Bundesligaspielen. Es kann Sanktionen gegenüber Vereinen erlassen, welche sich über ein breites Spektrum verteilen.

Auch Ex-Schalke-Profi Asamoah befragt

Die DFB-Ethikkommission, die sich vor der Causa Tönnies unter anderem mit Verdachtsfällen von Untreue und Korruption befasst hatte, brachte bisher noch keinen Fall zur Anklage. Schneider: „Es gab Gründe, dies nicht zu tun." Die DFB-Ethiker haben sich jetzt gründlich mit dem Fall Tönnies befasst und den Unternehmer in einem dreiviertelstündigem Telefonat ausführlich angehört und befragt. Alle Schriftstücke dazu, darunter der Beschluss des DFB-Ehrenrates und die Pressemitteilung von Tönnies, habe die Kommission sich zuschicken lassen und gelesen, erläuterte der Theologe, der die Kommission nach dem Tod von Ex-Außenminister Klaus Kinkel kommissarisch führt.

Auch den früheren Schalke-Profi Gerald Asamoah befragte die Ethikkommission laut Schneider. Über den Inhalt sagte er nichts. Asamoah hatte nach dem Ausspruch von Tönnies öffentlich gesagt: „Er beleidigt mich und alle anderen Betroffenen. Das können wir nicht dulden." Allerdings stellte er auch klar: „Mir gegenüber hat er sich nie rassistisch verhalten."

Der Schalke-Aufsichtsratschef und Fleischfabrikant Clemens Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück hatte bei seiner Rede in Paderborn die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika vorgeschlagen: „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren." Und damit einen Proteststurm ausgelöst.

"Das ist eine Sanktion des Ehrenrates"

„Uns geht es um die Bewertung dieser Aussagen und die Einschätzung der Person Tönnies. Wie sehen wir die Zukunft von Herrn Tönnies und was erwarten wir von ihm?", erläuterte Schneider, der seine eigene Bewertung wegen des schwebenden Verfahrens zurückhielt. Tönnies, der sich für seine Aussagen entschuldigte, habe sich zuvor stets gegen Rassismus eingesetzt. Schneider betonte: „Wir sind unabhängig vom DFB und entscheiden nach ethischen Gesichtspunkten." Tönnies als Geldgeber für Schalke spiele für die Kommission keine Rolle.

Der Schalke-Boss lässt nach seiner Entgleisung sein Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrats für drei Monate ruhen. Kritiker hatten weitreichendere Konsequenzen erwartet. „Das ist eine Sanktion des Ehrenrates", betonte hingegen Schneider. Das fünfköpfige Gremium hatte in seinem Beschluss den Vorwurf des Rassismus als „unbegründet" gesehen. Vorzuwerfen sei ihm allerdings, „gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen zu haben."

Die dreijährige Amtszeit der DFB-Ethik-Kommission endet am 27. September. Sie war erst vor drei Jahren in Folge der „Sommermärchen"-Affäre des DFB eingesetzt worden. Neben Schneider gehören dem vierköpfigen Gremium auch die Betrugsermittlerin Birgit Galley und die auf Sportrecht spezialisierte Anwältin Anja Martin an, die ehemals Geschäftsführerin der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschland (NADA) war.