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„Das Corona-Konzept von Arminia könnte Vorbild für die Schulen sein“

Arminia-Arzt Tim Niedergassel erklärt, warum für ihn die Profi-Fußballer nicht besser gestellt, sondern besser vorbereitet sind.

Arminia-Mannschaftsarzt Tim Niedergassel bei einem der zwei Testreihen, die der DSC wöchentlich durchführt. Hier lässt Reinhold Yabo sich einen Abstrich abnehmen. | © Thomas F. Starke

24.10.2020 | 26.10.2020, 10:27

Bielefeld. Arminia Bielefelds Mannschaftsarzt Tim Niedergassel ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie auch der Hygienebeauftragte des DSC. Er ist zuständig für die Corona-Regeln und -Tests, die den Spielbetrieb am Laufen halten.

Dass das von einer medizinischen Task Force ausgeklügelte Corona-Konzept der Bundesliga als Besserstellung empfunden werde, hält er für überzogen. Hatte doch die Corona-Infizierung von Bayern-Spieler Serge Gnabry eben keine Quarantäne bei den Arminen ausgelöst. Anders war es bei Hunderten Schülern und Lehrern in Bielefeld, die zuletzt trotz negativer Tests volle 14 Tage in Quarantäne bleiben mussten.

Tim Niedergassel ist nicht nur Mannschaftsarzt bei Arminia Bielefeld, sondern auch der Hygienebeauftragte des Vereins. - © Thomas F. Starke
Tim Niedergassel ist nicht nur Mannschaftsarzt bei Arminia Bielefeld, sondern auch der Hygienebeauftragte des Vereins. | © Thomas F. Starke

Bei 90 Minuten Fußball haben die Profis keine 15 Minuten kritischen Kontakt

Niedergassel: „Wir sind einfach besser auf so einen Fall vorbereitet. Das Corona-Konzept der Bundesliga ist einfach sehr ausgeklügelt und deshalb auch schon weltweit von anderen Verbänden kopiert worden." Über 83 Seiten lang ist das Regelwerk inzwischen und es habe vor allem ein Ziel: „Alles was die Spieler in Hotels, Umkleidekabinen und auf dem Platz machen, muss ausschließen, dass sie bei einem Kontakt zu einem Infizierten zur Kontaktkategorie 1 gezählt werden." Wie berichtet, sind Personen der Kategorie 1 grundsätzlich 14 Tage in Quarantäne zu schicken. Das Robert-Koch-Institut definiert diesen Fall mit einer 15-minütigen Kontaktdauer – wie bei einem Gespräch ohne Maske.

Dass der infizierte Serge Gnabry auf dem Platz so gut wie keine Gefahr für die Arminen bedeutete, konnte laut Niedergassel schon vor Saisonstart anhand einer Bewegungsanalyse der Bundesligaspieler nachgewiesen werden, sagt Niedergassel: Bei keinem der Rückrundenspiele in der vergangenen Saison seien zwei Spieler auf eine infektionskritische Zeit von 15 Minuten gekommen. Das habe auch das Amt für Arbeitsschutz überzeugt.

Trotz Gnabrys Infektion sah das Münchener Gesundheitsamt keinen Anlass für einen Anruf

Das habe auch die Praxis bewiesen: Bisher wurden 18 positive Corona-Fälle in der Bundesliga gemeldet. „Bei keinem Einzigen kam es zu einer Ansteckung innerhalb der Teams."

Kurz gesagt: Das Hygienekonzept schließt also schon von der Herangehensweise aus, dass die Profisportler bei einem Kontakt der Kategorie 1 zugeordnet werden. „Die Spieler befinden sich weiterhin nahezu in Arbeitsquarantäne." Deshalb habe es vom Münchener Gesundheitsamt auch keinen einzigen Anruf gegeben, nachdem Gnabrys Infektion bekanntwurde. Daher habe der Mannschaftsarzt die Äußerung von Bielefelds Krisenstabschef Ingo Nürnberger, die Bundesligisten erführen hier eine Sonderbehandlung, als unpassend empfunden.

Arminia-Sprecher: "Warum haben die Kommunen kein tragfähiges Konzept?"

Arminia-Sprecher Daniel Mucha ergänzt: „Dafür müssen wir aber auch zweimal die Woche 50 Personen testen. Das bereitet den Vereinen enorme Kosten. Die Tests werden uns nicht geschenkt." Mucha fragt sich deshalb, warum andere mit dem langen Finger auf diejenigen zeigen, bei denen die Corona-Abwehr funktioniert. „Warum haben denn die Schulen oder die Kommunen kein solches tragfähiges Konzept?"

Niedergassel weiß natürlich, dass der Aufwand solcher Testreihen an Schulen nicht realistisch sei. „Aber das Bundesliga-Corona-Konzept könnte streng genommen in Teilen auch ein Vorbild für die Schulen sein", sagt der Mannschaftsarzt.

Wenn sich die Profis nicht disziplinieren, können sie nicht arbeiten

Die einzige Gefahr sehe er im Freizeitverhalten der Spieler: „Wenn jetzt die Zahlen anziehen, müssen sich die Profis besonders disziplinieren. Halten sie sich nicht daran, können sie nicht mehr arbeiten."

Übrigens: Die Spieler von Bayern München hätten mit Mund-Nase-Masken die üblichen Umkleidekabinen im Stadion aufsuchen dürfen. "Aber Bayern hat das abgelehnt", sagt Niedergassel. "Sie haben das Angebot dankend angenommen, sich in der Turnhalle der Gertrud-Bäumer-Realschule umzuziehen. Weil die Bayern-Spieler dort auch untereinander ausreichend Abstand halten konnten." Diese besondere Vorsicht sei angesichts des bevorstehenden Champions-League-Spiels bei Atletico Madrid weitsichtig gewesen. Auch hier habe das Konzept funktionert.