OWL Crime – mit Podcast

Tanz in den Mai endet für 30-jährigen Paderborner tödlich

In der Nacht auf den 1. Mai 2024 ist viel los an der Paderborner Marienstraße. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen drei Männern – wenige Tage später ist einer von ihnen tot.

Kerzen-Gedenken an Lukas L. an den Tagen nach der Tat: Der Fall bewegt die ganze Stadt Paderborn. | © Niklas Tüns

Josefin Stein
20.11.2025 | 20.11.2025, 02:00

Paderborn. Auf der Marienstraße in Paderborns Innenstadt leuchten im Mai 2024 etliche Kerzen und viele Blumen liegen vor einem Bild in Gedenken an Lukas L. (30, alle Namen geändert). Die Auseinandersetzung zwischen drei Männern am Maifeiertag, nach der der junge Mann stirbt, sorgt damals deutschlandweit für Aufsehen und raubt einer ganzen Stadt den Atem.

Lukas L. arbeitet in einer bekannten Gastronomie in Paderborn. In der Nacht auf den 1. Mai 2024 feiert er mit seinen Freunden. Auf der Paderborner Marienstraße ist einiges los – viele Menschen tanzen gemeinsam in den Mai. Was bisher noch keiner ahnt: Die Paderborner Partymeile wird schon bald zu einem Tatort.

In der neuen Folge von „OstwestFälle“, dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, spricht Moderatorin Birgitt Gottwald mit NW-Redakteur Birger Berbüsse, der die Tage nach dem Vorfall in Paderborn miterlebt hat.

Die Auseinandersetzung am 1. Mai – der Fall im Überblick

  • Vor einem Kiosk an der Marienstraße kommt es zwischen Lukas L. und Amir B. zu einer Auseinandersetzung.
  • Amir B. verpasst Lukas L. drei Faustschläge ins Gesicht.
  • Omar E. tritt zusätzlich mit einem „Sprung-Tritt“ gegen den Oberkörper von L.
  • Der 30-Jährige geht zu Boden, die beiden jungen Männer flüchten.
  • Wenige Tage später stirbt Lukas L. an einem Aneurysma im Kopf.
  • Amir B. und Omar E. stellen sich fünf Tage später der Polizei.
  • Amir B. wird wegen schwerer Körperverletzung zu 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt.
  • Omar E. bekommt eine Bewährungsstrafe von 9 Monaten.

Das geschah in der Nacht auf den 1. Mai 2024

Kurz vor 1 Uhr in der Nacht des Vorfalls spricht Lukas L. vor einem Kiosk in der Nähe des Clubs „Container“, Amir B. (18) an. B. hat kein Interesse an einem Gespräch und wendet sich von L. ab. Doch dieser lässt nicht locker. Es kommt zu einer Auseinandersetzung.

Blumen und Kerzen erinnern an die Gewalttat an der Marienstraße am 1. Mai 2024. - © Niklas Tüns
Blumen und Kerzen erinnern an die Gewalttat an der Marienstraße am 1. Mai 2024. | © Niklas Tüns

Amir B. schlägt dabei dreimal mit der Faust in das Gesicht von Lukas L. Im Anschluss tritt Omar E. (17) mit einem „Sprung-Tritt“ gegen den Oberkörper von L. Er geht daraufhin zu Boden. Die beiden jungen Männer flüchten. Mehrere Zeugen, unter anderem auch Mitglieder des Sicherheitsdienstes der Diskothek, eilen L. zur Hilfe. Sanitäter bringen den Mann ins Krankenhaus. Der 30-jährige L. stirbt wenige Tage nach der Tat.

Kopfverletzungen nicht schuld an Tod von Lukas L.

Anders als zunächst vermutet sind nicht die Schläge und der Tritt schuld am Tod von Lukas L. Der junge Mann stirbt an einer Hirnblutung – einem sogenannten Aneurysma. Bei einer späteren Untersuchung des Gehirns an der Universität Münster konnten keine Prellungen und Einblutungen verursacht durch Schläge festgestellt werden.

Weiter ist Lukas L. an dem Abend der Tat stark alkoholisiert, wie eine später durchgeführte Obduktion zeigt. Es werden Kokain, Cannabis und diverse andere Rauschstoffe nachgewiesen. Der Alkohol- und Drogenkonsum von L. kann laut Obduktion dazu beigetragen haben, dass das Aneurysma geplatzt ist.

Die Täter stellten sich fünf Tage später bei der Polizei

Fünf Tage nach dem Vorfall suchen Amir B. und Omar E. zu später Stunde gemeinsam die Polizeistelle im Riemekeviertel auf. Die beiden jungen Männer stellen sich und werden vor Ort festgenommen. Am nächsten Tag werden sie dem Haftrichter vorgeführt.

Die Polizei vermutet, dass der Fahndungsdruck auf die beiden Männer zu groß wurde. Durch eine Überwachungskamera des Kiosks konnten die beiden Täter identifiziert werden. Auch ihre Namen waren der Polizei mittlerweile bekannt.

Falsche Zeugenaussagen verfälschen Ablauf der Tat

Knapp fünf Monate später, am 21. Oktober 2024, startet der Prozess vor der Jugendstrafkammer des Paderborner Landgerichts. Für die Verhandlung sind viele Zeugen geladen, doch es gibt unterschiedliche Darstellungen. Einige der geladenen Zeugen tätigen verfälschte Aussagen und beschreiben Beobachtungen, die nicht stattgefunden haben. So kam es weder zu Schlägen mit einer Glasflasche, noch zu Tritten gegen den Kopf, nachdem Lukas L. auf dem Boden lag.

Mehr zu den Zeugenaussagen: Zeuge nimmt zum Tötungsdelikt Marienstraße falsche Aussage zurück

Falsche Zeugenaussagen sorgen bei den Verhandlungen für ein Durcheinander. - © Rajkumar Mukherjee
Falsche Zeugenaussagen sorgen bei den Verhandlungen für ein Durcheinander. | © Rajkumar Mukherjee

Die Vermutung liegt nahe, dass die Zeugen durch versehentlich verfälschte Informationen seitens der Polizei, der Medien und anderer Zeugen beeinflusst wurden. Dennoch sind einige Aussagen hilfreich und tragen zur Aufklärung der Tat bei. Eine Überwachungskamera des naheliegenden Barbershops zeigt den Ablauf des Vorfalls und den Tathergang.

Staatsanwaltschaft gerät während Verhandlung in Kritik

Trotz der Videoaufnahmen und der Obduktion hält die Staatsanwaltschaft an dem Vorwurf des gemeinschaftlichen versuchten Totschlags fest. Gefordert werden lange Haftstrafen für Amir B. und Omar E.

Mehr zur Kritik: Paderborner Staatsanwaltschaft zieht Revision zurück

Die Verteidiger und Richter werfen der Staatsanwaltschaft vor, einige Beweise ignoriert und sich nur auf eine Zeugenaussage berufen zu haben, die einen brutalen Übergriff beschreibt. Auch von Vorverurteilung ist während der Verhandlungen die Rede. Diskussionen und Vorverurteilungen finden nach der Tat auch in den sozialen Medien statt. Hierbei wird sich vor allem auf den Migrationshintergrund der beiden Täter fokussiert.

Das Urteil lautet nicht gemeinschaftlich versuchter Totschlag

Die beiden Täter wirken vor Gericht, wie „zwei typische junge Männer, sehr in sich gekehrt und sichtlich bewegt von dem, was da passiert ist“, berichtet NW-Redakteur Birger Berbüsse im „OstwestFälle“-Podcast. Letztendlich werden sie wegen schwerer Körperverletzung nach Jugendstrafrecht verurteilt. Amir B. bekommt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Omar E. bekommt eine Bewährungsstrafe von neun Monaten.

Das Urteil: Paderborner Marienstraßen-Prozess: Haft und Bewährung für jugendliche Angeklagte

Feiermeile an der Marienstraße: Paderborner Problemzone

Nach dem Todesfall von Lukas L. entsteht in Paderborn eine Sicherheitsdebatte auf politischer und gesellschaftlicher Ebene. Einige Parteien äußern sich zu dem Vorfall und auch der damalige Paderborner Bürgermeister, Michael Dreier (CDU) – jetzt abgelöst durch Stefan-Oliver Strate (CDU) – meldet sich zu Wort. In der Debatte wird deutlich, dass sich die Paderborner auf der Marienstraße nicht wohlfühlen. Der Grund: häufige Schlägereien unter größeren Gruppen und Drogenhotspot.

Die Marienstraße gilt in Paderborn als Problemzone. Immer wieder passieren hier Schlägereien und Auseinandersetzungen. - © Niklas Tüns
Die Marienstraße gilt in Paderborn als Problemzone. Immer wieder passieren hier Schlägereien und Auseinandersetzungen. | © Niklas Tüns

Bereits im Vorfeld gibt es regelmäßige Polizeikontrollen an der Marienstraße, wenn auch nicht kontinuierlich. Der Paderborner Landrat Christoph Rüther (CDU) ist Behördenleiter der Polizei und ordnet nach der Tat mehr Kontrollen an. Laut Zeugenaussagen habe sich die Polizeipräsenz aktuell verringert und befindet sich wieder im normalen Betrieb, wie vor dem 1. Mai 2024. Es gibt aber weiterhin Schwerpunktkontrollen in Paderborn.

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