Tötungsdelikt an Paderborner Marienstraße: Experten analysieren Todesursache

Paderborn. Es besteht kein Zweifel, dass in der Nacht auf den 1. Mai auf der Feiermeile Marienstraße der Paderborner Lukas L. (Namen geändert) drei Schläge und möglicherweise auch einen Tritt einstecken musste. Das ist auf einem Video, das die Überwachungskamera eines Barber-Shops aufgezeichnet hat, zu erkennen. Aber tragen damit Amir B. und Omar E., die als Täter identifiziert wurden, auch die Verantwortung für das Versterben des 30-Jährigen? Um auf diese zentrale Frage eine Antwort zu finden, hat die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Paderborn am zehnten Verhandlungstag gleich zwei Experten geladen. Dass die Ruptur eines Aneurysmas für den Tod des Lukas L. ursächlich war, hat als Ergebnis der vorgenommenen Obduktion bereits Eingang in die Anklageschrift von Staatsanwalt Kai Uwe Waschkies gefunden. Diese hatte eine schwere Hirnblutung ausgelöst, die medizinisch nicht mehr zu behandeln war. Und so ist jetzt das Fachwissen eines Neuropathologen ebenso gefragt wie die Erkenntnisse der Rechtsmedizinerin, die im Mai den Leichnam obduzierte. Von ihnen hofft das Gericht zu erfahren, ob die beiden Angeklagten das Platzen des Aneurysmas verursacht haben. Lesen Sie auch: Tötungsdelikt an Paderborner Marienstraße: Verteidiger hält Anklage für &bdquo;atomisiert“ Neuropathologe außer Ruptur keine weiteren Verletzungen am Gehirn des Toten Werner Paulus, der an der Universität Münster das Institut für Neuropathologie leitet, hat das Hirn des 30-Jährigen genau untersucht und festgestellt, dass es bis auf die Ruptur dort &bdquo;keine traumatischen Schäden, keine Prellungen, keine Einblutungen anderer Art“ gab. Er schließt auch aus, dass sich erst im Verlauf der Auseinandersetzung, etwa infolge von Schlägen, ein Aneurysma gebildet hat. Ein solches entstehe nicht spontan, sondern entwickele sich im Verlauf eines Lebens über Wochen, Monate oder sogar Jahre hinweg, erklärt er und weist darauf hin, dass sich bei rund drei Prozent aller Menschen ein Aneurysma ausbilde, bei etwa einem Drittel komme es dann irgendwann zu einer Ruptur. Dabei sei aber ein mechanisches Trauma, also Gewalt gegen den Kopf, als primäre Ursache äußerst selten, sagt Werner Paulus. Alkohol, Drogen oder Bluthochdruck als Risikofaktoren Risikofaktoren seien hingegen vor allem Alkohol und Drogen, aber auch ein plötzlich auftretender Bluthochdruck. Und genau da liegt anscheinend der Hase im Pfeffer. Denn eine Schlägerei bedeute &bdquo;eine ganz massive emotionale Beteiligung“, erklärt der Neuropathologe. Die Folge: ein deutlich erhöhter Blutdruck. Aber auch eine kurze verbale Auseinandersetzung könne eine solche, sogenannte &bdquo;Blutdruckspitze“ verursachen und damit das Risiko für eine Aneurysmaruptur erhöhen, sagt Paulus. Wenn Lukas L., in dessen Blut nicht nur eine hohe Alkohol-Konzentration sowie ein Cocktail aus Kokain, Cannabis und diversen anderen Rauschstoffen nachgewiesen wurden, an diesem letzten Aprilabend in seinem Bett gelegen hätte, wäre das Aneurysma höchstwahrscheinlich nicht gerissen, ist der Mediziner überzeugt und bilanziert schließlich: &bdquo;Alles beeinflusst alles.“ Rechtsmedizinerin sieht nur wenige Anzeichen von Gewalteinwirkung Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch die Rechtsmedizinerin Stefanie Schlepper. Sie hat bei der Obduktion nur sehr wenige Anzeichen von Gewalteinwirkung am Körper des Lukas L. festgestellt. Einen Anhaltspunkt dafür, dass der 30-Jährige getreten wurde, hat sie gleichfalls nicht ausmachen können. Dass der Paderborner von der Gefäßausstülpung in seinem Gehirn nichts wusste, ist anscheinend nichts Ungewöhnliches. &bdquo;Es ist typisch, dass es vorher keine Symptome gab“, sagt Stefanie Schlepper. Sicherlich könne es auch zu einer spontanen Ruptur eines Aneurysmas kommen. &bdquo;Es gibt auch Fälle, bei denen gerade junge Männer stumpf umfallen.“ Doch sie verweist gleichfalls auf den Zusammenhang der verschiedenen Faktoren in dieser Nacht. Die körperliche Attacke, der von Lukas L. in starken Maß getrunkene Alkohol sowie der von ihm konsumierte Drogencocktail - die Expertin spricht von einer &bdquo;Mischintoxikation“ - hätten das Risiko für eine Ruptur deutlich erhöht. Es könne aber nicht festgestellt werden, welcher Aspekt der entscheidende gewesen sei, sagt die Rechtsmedizinerin. Aus dem Prozess: Tötungsdelikt in Paderborner Marienstraße: Zeugen brechen Lanze für junge Angeklagte Urteil am Paderborner Landgericht wohl noch vor Weihnachten Welche Schlüsse die Richter unter dem Vorsitz von Nicole Klein aus diesen Erkenntnissen ziehen, wird sich voraussichtlich noch vor Weihnachten zeigen. Doch bevor sie am Montag, 23. Dezember, nach den Schlussvorträgen ihr Urteil sprechen werden, sind am Donnerstag, 19. Dezember, die Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe sowie der psychologische Gutachter am Zug. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn.

Meistgelesen