
Bielefeld/Herford. Zum Start der Ferienzeit holen wir eine besondere Folge aus dem Archiv: Unser stellvertretender Chefredakteur Martin Fröhlich spricht mit uns über einen Cold Case, der ihn bis heute beschäftigt – der grausame Fund einer Leiche in einer Reisetasche am Weserufer. Ideal für alle, die in der Reisezeit Lust auf Gänsehaut haben.
Es ist nur eine kleine Meldung auf der Titelseite der NW vom 11. April 1970. Zehn Zeilen. Doch der Inhalt ist grausig: Von einem Bauern in Lahde bei Minden ist die Rede. Er hat am Weserufer eine braune Tasche entdeckt. Darin befanden sich Teile einer männlichen Leiche. Allzu lange können sie noch nicht im Wasser gelegen haben. Die Kriminalpolizei bittet um Hinweise, wo seit kurzem ein Mann vermisst werde.

Es wird tatsächlich ein Mann vermisst. Gar nicht so weit entfernt. In Herford. Es handelt sich um den 67-jährigen Rentner Josef K. Einen gebürtigen Schlesier und ehemaligen Bergmann. Doch noch ahnt niemand etwas von einem Zusammenhang. Es werden noch Wochen ins Land gehen, bis ein Polizist eine Vermisstenanzeige mit dem Leichenfund überein bringt.
Die Leiche in der Reisetasche - Alle Fakten im Überblick
- Am 11. April 1970 findet ein Bauer in Lahde bei Minden Teile einer männlichen Leiche in einer braunen Tasche am Weserufer
- Der 67-jährige Rentner Josef K. aus Herford gilt als vermisst, nachdem er am 4. April 1970 von einem Fremden mit dem Versprechen einer Mitfahrgelegenheit angesprochen wird
- Frau K. sieht ihren Mann am 6. April das letzte Mal, als er mit dem Fremden in einem hellen VW Käfer zu einer Fahrt aufbricht.
- Er nimmt 1.000 D-Mark und eine braune Tasche mit, kehrt jedoch nicht zurück. Nach dem Leichenfund gibt es keine direkte Verbindung zu K.s Verschwinden, bis schließlich der Zusammenhang von einem Polizisten erkannt wird und der Tod festgestellt wird.
- Der Fall bleibt ungelöst, auch nachdem er in der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY" vorgestellt wird
Der Fall Josef K. ist einer der ältesten Cold Cases in OWL. Bis heute ist nicht klar, was passiert ist und vor allem, wer den Mann getötet hat. Begonnen hat alles am 4. April 1970 am Bielefelder Hauptbahnhof. Josef K. wartet dort auf seinen Zug nach Herford, wo er mit seiner Frau Lisbeth wohnt. Da spricht ihn ein Mann an.
Der Fremde stellt sich als Heinz Schastock vor. Ein Staubsaugervertreter für die Marke Kobold. Solche Vertreter gab es damals reichlich. Man kommt ins Gespräch. Der Fremde berichtet, er stamme auch aus Schlesien. Schließlich bietet er Josef K. an, ihn mit dem Auto nach Herford mitzunehmen.
Niemand schöpft Verdacht - ein tödlicher Fehler
Als sie dort ankommen, wundert sich Ehefrau K. über den hellen VW Käfer, aus dem ihr Mann steigt. Sie hat den Wagen noch nie gesehen. Der etwa 30-jährige Fahrer stellt sich auch ihr vor. Niemand schöpft Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt. Die beiden Männer vereinbaren für den 6. April eine gemeinsame Fahrt nach Bremen und dann nach Cloppenburg, wo Josef K. einen Neffen hat.
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Zwei Tage später fährt der helle VW Käfer um 5 Uhr morgens bei den K.s vor. Josef K. steigt ein, bereit für die Fahrt nach Norddeutschland. Er nimmt eine braune Tasche und etwa 1.000 D-Mark in einem Koffer mit. Der VW Käfer setzt sich in Bewegung. Frau K. ahnt nicht, dass sie ihren Mann nie wieder sehen wird.
Am 11. April liest Frau K. in der Zeitung vom Leichenfund an der Weser. Von ihrem Mann hat sie seit der Abreise nichts mehr gehört, doch sie glaubt nicht an eine Verbindung. Ihr Sohn aus erster Ehe schon. Er rät ihr, die Polizei aufzusuchen. Vergebens. Lisbeth K. wartet lieber weiter. Die Tage vergehen. Von Josef K. kein Lebenszeichen.
Am 20. April dann die Überraschung: Der Staubsaugervertreter erscheint bei Lisbeth K. Er richtet ihr Grüße ihres Mannes aus und will sie überreden, mit ihm nach Cloppenburg zu ihrem Gatten zu fahren. Denn der sei dort bei dem Neffen angekommen. Doch Lisbeth K. traut der Sache nicht und lehnt ab. Möglicherweise hat ihr diese Entscheidung das Leben gerettet.
Aktenzeichen XY berichtet ausführlich über den Fall

Schließlich erstattet sie doch eine Vermisstenanzeige. Fahndungsplakate werden verteilt. Ohne Erfolg. Bis ein Polizist richtig kombiniert und der Leichenfund endlich geklärt wird. Die traurige Wahrheit ist: Josef K. lebt nicht mehr. Er wurde umgebracht.
Es wird eine Belohnung für Hinweise ausgesetzt. Erst 2.000, dann 3.000 D-Mark. Am 16. Oktober 1970 wird über den ungelösten Fall bei "Aktenzeichen XY" berichtet. Groß und ausführlich. Mit nachgestellten Szenen und vielen Details. Entscheidende Hinweise bleiben aber aus. Der Fall ist bis heute nicht gelöst. In Foren zu Cold Cases wird bis heute über ihn diskutiert.
Da geht es unter anderem um die Frage, wie verlässlich die Angaben der Ehefrau waren. Denn auf ihrer Aussage beruht die gesamte, teils merkwürdige Vorgeschichte. Auffällig ist auch, dass im selben Jahr bei "Aktenzeichen XY" über eine Vielzahl von Morden in Deutschland berichtet wird, bei denen die Leichen verstümmelt wurden.
Über 15 Jahre zieht sich das Geschehen hin, 104 Fälle sind gelistet. Es begann 1955 mit einem Leichenfund in einer Holzkiste an der Nordsee. Ob es einen Zusammenhang zwischen den Taten gibt, ist unklar. Ebenso, ob der Mord an Josef K. von einem Täter begangen wurde, der für einige der anderen Taten verantwortlich ist.
INFORMATION
Sommerpause Ostwestfälle
Ab dem 30. Juni geht der Podcast "Ostwestfälle" in die Sommerpause. Wir sind ab dem 6. August wieder jeden Donnerstag für unsere Hörerinnen und Hörer zurück mit neuen aufsehenerregenden Fällen. Alle Folgen lassen sich auf unserer OWL-Crime-Seite nochmal anhören. Viel Spaß!