Mitten in der Pandemie: Zahl der Kinderwunsch-Behandlungen steigt

Bielefeld. Die Menschen in Deutschland haben sich von der Corona-Pandemie bei ihrem Wunsch nach Nachwuchs nicht ausbremsen lassen. Im Gegenteil. Die offizielle Statistik für Kinderwunsch-Behandlungen für 2020 zeigt ein deutliches Plus. Erhoben wird die Statistik für die In-vitro-Fertilisationen, also künstliche Befruchtungen, die aus verschiedenen Indikationen zum Einsatz kommen, wenn der Kinderwunsch auf natürlichem Weg nicht erfüllt werden kann. Die Zahlen des Deutschen IVF-Registers für das vergangene Jahr sind eindeutig: 108.000 reproduktionsmedizinische Behandlungen wurden dem DIR von den angeschlossenen Zentren gemeldet. Das sind 9,3 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019, als es 99.000 waren. Insgesamt liegt die Zahl der Behandlungen etwas höher als in der Statistik ausgewiesen. Laut DIR haben 113 der 138 angeschlossenen Zentren für Reproduktionsmedizin ihre Daten gemeldet. "Hochgerechnet auf alle DIR-Mitglieder wird sich damit nach 2019 ein weiteres Rekordjahr ergeben", heißt es in der Auswertung. Dieses Bundesland verzeichnet den höchsten Anstieg In NRW stieg die Zahl der gemeldeten Kinderwunschbehandlungen um 7,3 Prozent von 23.565 auf 25.278. Der Anstieg liegt damit etwas unter dem Bundesschnitt, ist aber immer noch beträchtlich. Den höchsten Wert verzeichnete Rheinland-Pfalz mit +25,6 Prozent, den niedrigsten Bayern mit 4,8 Prozent. "Die zeitliche Koinzidenz zur Pandemie liegt auf der Hand. Normalerweise schwanken die Werte nicht so deutlich. Ein Zusammenhang mit der Pandemie scheint eindeutig", sagt Wiebke Rübberdt, Reproduktionsmedizinerin im Fertility Center Bielefeld/Gemeinschaftspraxis Völklein, Szypajlo, Rübberdt. Auch in ihrer Praxis sei eine klare Zunahme von Kinderwunschbehandlungen zu verzeichnen gewesen. Und das, nachdem zu Anfang der Corona-Zeit im März und April 2020 die Nachfrage sehr stark zurückgegangen sei. "Da hatten wir über Wochen deutlich weniger Behandlungen, es gab weniger Anfragen und wir mussten im Rahmen des Hygienekonzeptes Abläufe umstrukturieren. Mindestabstand musste eingehalten werden, so dass wir deutlich weniger Patientinnen behandeln konnten." Auch andere Arztpraxen verzeichneten in dieser Zeit einen starken Rückgang der Behandlungen. Nach dem ersten Lockdown aber schossen die Anfragen nach Kinderwunsch-Therapien nach oben und das hielt bis zum Jahresende an. "Auch im ersten Halbjahr 2021 zeigte sich diese Entwicklung", erklärt Rübberdt. Erst Richtung Sommer habe der Ansturm etwas nachgelassen. Was aber sind die Gründe dafür, dass viele Paare ausgerechnet in der Pandemie ihren Wunsch nach Kindern in die Tat umsetzen? Die Krankenkassen zahlen nicht in allen Fällen "Viele haben die Zeit genutzt um sich persönlich zu finden, haben über das Leben nachgedacht", sagt Wiebke Rübberdt. Dies habe sie in vielen Gesprächen mit Patientinnen gehört. Auch zeitliche Freiräume durch Kurzarbeit haben die Paare genutzt, um sich in die Kinderwunschtherapie zu begeben. "Außerdem war bei vielen Paaren plötzlich mehr Geld verfügbar, weil es an Möglichkeiten mangelte, dieses auszugeben." Geld spielt in der Kinderwunsch-Therapie noch immer eine Rolle. Denn nicht alle Behandlungen bezahlen die Krankenkassen. Die Häufigkeit der Versuche ist begrenzt. Grundsätzlich sieht das Gesetz nur die Kostenübernahme bei verheirateten Paaren in bestimmten Altersgrenzen vor: Frauen zwischen 25 und 40 Jahren und Männer zwischen 25 und 50 Jahren. Es gibt etliche Paare außerhalb dieser Altersgrenzen und auch unverheiratete Paare, wo die Behandlung nicht von den Kasse unterstützt wird. "Es kommen auch Frauen erst nach dem 40. Lebensjahr mit dem Kinderwunsch zu uns", so Rübberdt. Zukunftsängste hat die Pandemie mit Blick auf den Nachwuchs offenbar kaum ausgelöst. "Der Kinderwunsch scheint größer zu sein als Sorge und Bedenken wegen Corona für Mutter und Kind", schreibt auch das DIR in seiner Auswertung.

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