
Düsseldorf. Im Düsseldorfer Landtag ist die frühere stellvertretende Ministerpräsidentin und Ex-Schulministerin nicht mehr so häufig. Dabei hat die Grünen-Politikerin von hier aus sieben Jahre lang zusammen mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Politik in NRW bestimmt, bis der Wähler dem im Mai 2017 mit seinem Votum gegen die rot-grüne Landesregierung ein jähes Ende setzte.
Es ist ein anderes Anliegen, das sie zurück an ihre frühere Wirkungsstätte führt. Seit einigen Wochen ist die 63-jährige Solingerin Generalsekretärin des Vereins "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" und steht damit an der Spitze eines Vereins, der für 2021 ein großes Jubiläumsjahr vorbereitet. Dazu gibt sie bereitwillig Auskunft.
"Die Pflege der Erinnerungskultur ist für mich ein Lebensthema", sagt Sylvia Löhrmann. Schon in den sieben Jahren als Schulministerin hat sie sich für ein besonderes Verhältnis von Schulen zum Judentum und zu Israel eingesetzt, fuhr mit Schülern zusammen zur Gedenkstätte nach Auschwitz. Dass sie sich jetzt für das Jubiläumsjahr, das die lange jüdische Tradition in Deutschland in den Blickpunkt rücken möchte, engagiert, ist da nur eine Fortsetzung dieses Anliegens mit anderen Mitteln.
Erste Erwähnung im Jahr 321
"Das Judentum, seine Kultur und seine Weltanschauung sind konstitutiv für Deutschland", sagt Löhrmann. Die deutsche Geschichte, insbesondere die Geistesgeschichte, seien ohne den jüdischen Wurzelstrang nicht denkbar, fügt sie hinzu. Dass wir in diesem Jubiläumsjahr zusammen mit unseren jüdischen Freunden den Blick einmal über das furchtbare Geschehen der Shoa hinaus auf die Jahrhunderte alte deutsch-jüdische Geschichte werfen können, finde ich wunderbar."
Im Jahr 321 wurde jüdisches Leben erstmals in Deutschland erwähnt - in einer historischen Urkunde aus Köln. In der rheinischen Metropole, wo heute wieder eine der größten jüdischen Gemeinden in Deutschland existiert, hat sich deshalb ein Verein gegründet, der für 2021 das Jubiläumsjahr vorbereitet. In ihm arbeiten politische Persönlichkeiten mit Vertretern des deutschen Judentums und der katholischen wie evangelischen Kirche zusammen. Dem Kuratorium des Vereins steht der frühere NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) vor, an der Spitze der Mitgliederversammlung steht Abraham Lehrer, Vize-Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorstand der Synagogengemeinde Köln.
Viele Projekte geplant
18 Millionen Euro hat der Bund für das Jubiläumsjahr bereitgestellt, auch das Land NRW unterstützt den Verein mit 600.000 Euro. Geplant sind aber, wie Löhrmann erläutert, nicht nur größere Veranstaltungen wie die Eröffnung des Jubiläumsjahres mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Festredner, sondern vor allem zahllose kleinere und größere Projekte, verteilt über ganz Deutschland. Und diese Projekte werden mit dem von Bund und Land bereitgestellten Geld gefördert.
In einer ersten Runde haben sich bereits 70 Projekte beworben. Dabei geht es um Musik, Tanz und Lesungen, um gesellschaftspolitische, theologische und philosophische Vorträge. Die eingegangenen Anträge spiegeln die Vielfalt von 1.700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland eindrücklich wieder. "Obwohl kurz nach dem Start unserer Online-Plattform die Corona-Krise ausgebrochen ist, haben uns viele Ideen aus ganz Deutschland erreicht", sagt Generalsekretärin Löhrmann. Eine Jury werde jetzt die förderwürdigen Projekte auswählen. Die Bewerbungsfrist für eine zweite Projektrunde ist wegen der Corona-Pandemie bis zum 14. Juni verlängert worden. In Bielefeld beispielsweise gebe es Überlegungen, an die deutschstämmige Gründergeneration ("Jeckes") von Bielefelds israelischer Partnerstadt Nahariya zu erinnern, berichtet Löhrmann.
Mit dem über ganz Deutschland verteilten Programm des Jubiläumsjahres solle auch ein klares Signal gegen den wachsenden Antisemitismus gesetzt werden, betont Löhrmann. "Wir wünschen uns, das Juden und Nicht-Juden sich besser kennenlernen, sich ihrer gemeinsamen oft schmerzhaften Geschichte erinnern und die Zukunft in Deutschland zusammen gestalten wollen" sagt die Generalsekretärin.
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