Salzkotten. Damit hatte der Verein „Judentum in Salzkotten“ nicht gerechnet. Laut eigenen Angaben kamen an die 70 Besucher zur ersten öffentlichen Führung über den jüdischen Friedhof an der Schützenstraße. Vor genau 85 Jahren, im April 1940, wurde dort mit der Beisetzung von Simon Grünberg die letzte Beerdigung vorgenommen. „Ich lebe nun schon fast 60 Jahre in Salzkotten, aber hier auf diesem Friedhof war ich noch nie“, erklärte ein Teilnehmer, sichtlich berührt von der gepflegten Ruhestätte der Toten.
Im Sonnenlicht schien der Friedhof manch einem wie ein Ort des Friedens: harmonisch geordnete Grabsteine, Moos und Efeubewuchs, lange Rasenstücke. Allerdings war die Geschichte des Friedhofs nicht immer so friedlich wie die Vorsitzende des Vereins, Elisabeth Kloke-Kemper, den Teilnehmern sehr lebendig erklärte. Der älteste Friedhof der jüdischen Gemeinde lag neben der Mühle auf der linken Seite der Heder auf dem Gebiet des heutigen Kleine-Parks. Nur zwei Gedenksteine erinnern noch an den Friedhof, der 1937 zwangsveräußert wurde.
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84 Grabsteine – der älteste ist von 1854 – stehen aber noch auf dem jüdischen Friedhof am Schützengraben. 1827 wurde er angelegt. Er zeige, so Kloke-Kemper, noch heute deutliche Spuren der Zerstörung. Im Zuge des Novemberpogroms sei es auch hier zu Schändungen und im Anschluss zu Zwangsverkäufen von etwa 60 Prozent des Areals gekommen. Heute habe der Friedhof wieder etwa die Hälfte seiner ursprünglichen Größe von 2.311 Quadratmetern. Er ist im Eigentum der Stadt Salzkotten und seit 1985 in die Denkmalliste eingetragen.
Grabsteine haben sowohl hebräische als auch deutsche Schrifttexte
Zunächst einmal sei für Juden der Friedhof ein „Haus der Ewigkeit“ (beth olam), erklärte die Vorsitzende. Gott als Schöpfer allen Lebens vergesse auch die Toten nicht. Die jüdische Kultur und Frömmigkeit lasse sich gut anhand der Grabsteine erklären. So sei der Grabstein Aser Cohns mit einem Bild der segnenden Hände geschmückt, ein Hinweis auf die von Aaron abstammende Priesterschaft. Der Stein von Julius Goldschmidt zeige eine Kanne, ein Hinweis auf den Stamm der Leviten. Viele Grabmäler sind mit Bibelzitaten versehen. Die Grabsteine hätten sowohl hebräische als auch deutsche Schrifttexte, referierte Kloke-Kemper weiter.
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Auf zahlreichen Steinen und Platten seien die sogenannten Rahmenformeln „Hier ruht “, sowie „Seine/Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens“ abgebildet. Die Grabmäler auf den jüdischen Friedhöfen in Westfalen wirkten eher nüchtern und seien mit nur sparsamen Schmuckelementen versehen. Gleichwohl seien auf dem hiesigen Friedhof einige sehr qualifizierte Steinmetzarbeiten anzutreffen. „Das ist große Kultur im Kleinen“, formulierte eine Teilnehmerin spontan.

Zahlreiche Besucher hatten Nachfragen, so Kloke-Kemper. Es sei deutlich geworden, dass so mancher „wohl im Kopf oder im Herzen eine kleine Geschichte mitgebracht hatte“. Denn lange verweilten die Besucher einzeln und in Gruppen still vor dem ein oder anderen Grabmal. Wegen der Größe der Gruppe seien manche Teile der Ausführungen nicht gut zu verstehen gewesen, wurde kritisch angemerkt. „Da lernen wir hinzu“, sagte Elisabeth Kloke-Kemper. „Das war ja das erste Mal, dass wir eine solche öffentliche Führung angeboten haben. Ich bin etwas überwältigt von der großen Resonanz.“