
Halle. Die Gerry Weber International GmbH gerät zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren in finanzielle Schieflage und hat Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt: Vor allem in Halle ist diese Nachricht, nachdem sie am Dienstag (11. März) öffentlich wurde, ein großes Thema.
Hier im Ort haben die Menschen den Aufstieg des international agierenden Modekonzerns inklusive Stadionbau und ATP-Tennisturnier meist mit Stolz verfolgt. Obendrein war Gerry Weber ein bedeutender Arbeitgeber in der Region; zu Spitzenzeiten hingen Tausende von Arbeitsplätzen an dem Konzern.
Doch das ist lange schon Geschichte. Laut Angaben der Gewerkschaft IG Metall gibt es am Standort in Halle aktuell noch zwischen 300 und 350 Mitarbeitende; ein Unternehmenssprecher nannte die Zahl von 230, die zur Holding gehörten. So oder so: Hinter jedem von ihnen verbergen sich Schicksale, Existenzängste und natürlich Hoffnungen darauf, dass die Gerry Weber International GmbH erhalten bleibt.
Gerry Weber benötigt dringend einen neuen Investor
Besteht eine Chance darauf? Theoretisch ja. Ist das wahrscheinlich? Die bittere Antwort lautet: eher nein. Auch wenn die Verantwortlichen ausdrücklich betonen, dass „Ziel des Verfahrens die Fortführung des Damenmodeherstellers“ sei.
Wie Christian Gerloff, Restrukturierungsprofi und künftiges Mitglied der Geschäftsführung bei Gerry Weber, erklärt, müssten dazu „Strategie und Strukturen des Unternehmens angepasst“ werden. Das bedeutet: Gerry Weber benötigt frisches Geld und einen neuen Investor – und zwar innerhalb der nächsten vier bis maximal sechs Wochen.

Dann steht die nächste Orderrunde an, und dem Großhandel muss wenigstens ein Mindestmaß an Sicherheit geboten werden, damit der sich auf seiner Einkaufsrunde für die Haller entscheidet. Da geht es dann nicht mehr nur um die Mode selbst, sondern mehr noch darum, dass die Ware auch verlässlich geliefert wird.
Markenrechte liegen laut Recherchen mittlerweile in Luxemburg
Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mit denen sich Gerry Weber konfrontiert sieht, dürfte die Suche nach einem neuen Geldgeber zur maximal kniffligen Aufgabe werden. Nach einem Investor, der bereit ist, die Gerry Weber International GmbH mitsamt den Beschäftigten in dieser Situation zu übernehmen.
Lesen Sie auch: Ex-Manager von Unternehmen Gerry Weber im Kreis Gütersloh zeigt Erfindung in TV-Show
Bedeutend größer dürfte die Zahl derer sein, die Interesse am Kauf der Markenrechte von Gerry Weber haben. Die allerdings nach Recherchen unserer Zeitung nicht mehr in Halle liegen, sondern in Luxemburg bei der GWI Holding S.à.r.l.. Das ist jene Holding, die den drei Finanzinvestoren und Eigentümern von Gerry Weber gehört: Robus, Whitebox und J.P. Morgan. Damit die Kollektionen aus Halle den Namen Gerry Weber tragen können, fließt also vermutlich jedes Mal aufs neue Geld nach Luxemburg.
Robus, Whitebox und J.P. Morgan dürften aktuell ein hohes Interesse am Verkauf der Markenrechte haben: Das Risiko, dass Gerry Weber künftig nicht mehr in der Lage sein könnte, neue Mode zu produzieren und überdies Geld für den dazugehörigen Markennamen zu bezahlen, ist nicht zu unterschätzen – das hat sie die Erfahrung gelehrt.
Wer auf den Namen bietet, wird ihn vermutlich selbst nutzen wollen
Denn worüber gerade kaum jemand mehr spricht: Die Gläubiger von Gerry Weber hatten im Jahr 2023 schon einmal einen umfassenden Restrukturierungsplan gebilligt. Im Zuge der Sanierung wurde das insolvente Modeunternehmen rund 150 Millionen Euro seiner Schulden los.
Während die Aktionäre leer ausgingen, blieben nur die Forderungen der drei Großaktionäre Robus, Whitebox und J.P. Morgan bestehen. Forderungen, die bis 2027 gestundet wurden. Praktisch als Sicherheit werden sich die drei Unternehmen dafür die Markenrechte gesichert haben.
Ob jedoch jemand Neues die Marke Gerry Weber kauft, um dann darauf zu vertrauen, dass er für Kollektionen aus Halle regelmäßig Geld sieht? Unwahrscheinlich. Vielmehr dürften eher jene Unternehmer auf den Namen bieten, die ihn dann auch selbst nutzen und ihren eigenen Kollektionen verleihen möchten. Das würde dann jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit das Aus für den Standort Halle bedeuten.
Team von Gerry Weber hofft auf gute Nachrichten
Während zurzeit noch die Phase der vorläufigen Insolvenz in Eigenverwaltung läuft, bekommen die Mitarbeitenden von Gerry Weber statt ihres Gehalts ein sogenanntes Insolvenzgeld, das in etwa ihrem Nettoeinkommen entspricht: drei Monate maximal allerdings, es muss nicht versteuert werden, führt aber zu einem höheren Steuersatz auf das übrige, demnach auch das bisherige Einkommen im laufenden Jahr.
Lesen Sie auch: Unternehmen Gerry Weber im Kreis Gütersloh: Neue Vertriebschefin hilft bei Expansion
Nach Ablauf dieser Frist muss Gerry Weber in der Lage sein, die Beschäftigten wieder regulär zu bezahlen – alternativ drohen Kündigungen. Inwiefern auch Anschlussinsolvenzen von Tochtergesellschaften der GWI nötig sind, werde derzeit geprüft. Eine dieser Tochtergesellschaften vereint die aus vorheriger Insolvenz verbliebenen eigenen Filialen.
Christian Gerloff und Lucas Flöther haben bereits verschiedene Projekte gemeinsam begleitet; zuletzt steuerten sie insgesamt sieben deutsche Gesellschaften der Esprit-Gruppe durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Ziel hier war es, das europäische Geschäft des Modekonzerns, das maßgeblich aus Deutschland heraus geführt wurde, zu restrukturieren und zukunftsfähig neu aufzustellen. Am Ende ohne Erfolg: Mittlerweile sind die letzten Filialen der Modekette geschlossen; insgesamt 1.300 Mitarbeitende haben ihren Job verloren. Dem Team von Gerry Weber bleibt zu wünschen, dass es bald bessere Nachrichten zu hören bekommt.