Unternehmen Gerry Weber im Kreis Gütersloh insolvent: Mitarbeiter bangen um Jobs

Halle. Bereits vergangenen Donnerstag, am 6. März, hatten die Mitarbeitenden der Gerry Weber International GmbH kein gutes Gefühl. Alle miteinander – am Standort Halle sind es noch etwa 300 bis 350 und beim Retail etwa 350 Beschäftigte – wurden sie für 14 Uhr zu einer verpflichtenden Mitarbeiterversammlung in die Zentrale an der Haller Neulehenstraße eingeladen. Unabhängig davon, ob sie im Homeoffice oder am Standort tätig waren: Alle sollten persönlich erscheinen. Am Ende war die Zusammenkunft nach gut zehn Minuten schon wieder erledigt. Statt der befürchteten Kündigungen erklärte die Geschäftsführung kurz und knapp, die Lage sei schwierig. Aber man versuche alles. Das war’s. Und dafür der Aufwand? Die Unsicherheit blieb. Und tatsächlich – es folgte die Einladung zu einer weiteren Versammlung. Dieses Mal am Dienstagmittag um 12 Uhr. Was die Geschäftsführer Torsten Waack van Wasen und Arnd Buchardt den Mitarbeitenden dort verkündeten, war bereits drei Stunden zuvor publik geworden: Um kurz nach 9 nämlich hatte das Amtsgericht Bielefeld bekannt gegeben, dass man für die Gerry Weber International GmbH rückwirkend zum 10. März, 12.10 Uhr, die Insolvenz angeordnet habe. Gewerkschafterin kritisiert Vorgehen der Verantwortlichen Zum vorläufigen Sachwalter habe man Rechtsanwalt Professor Lucas F. Flöther bestellt. Zur Begleitung des Verfahrens wurde der branchenerfahrene Sanierer Christian Gerloff in die Geschäftsführung berufen. Gerloff kennt sich bei Gerry Weber aus, er war bereits beim Insolvenzverfahren der Gerry Weber International AG 2019 als Generalbevollmächtigter für den Konzern eingesetzt. Janina Hirsch ist Gewerkschaftssekretärin bei der IG Metall Bielefeld und in dieser Funktion zuständig für die Belegschaft von Gerry Weber. Im Gespräch kritisiert sie das Vorgehen der Verantwortlichen am Dienstag massiv: &bdquo;Die Insolvenz von Gerry Weber war leider absehbar und trifft vor allem die Beschäftigten, die die Hauptlast dieser Entwicklung tragen. Besonders frustrierend ist, dass die Tarifbeschäftigten im Rahmen eines entsprechenden Tarifvertrages 2023 dem Unternehmen noch Geld gestundet haben. Ein kleiner Teil ist bereits zurückgeflossen, aber der Großteil eben nicht.“ Lesen Sie auch: Ärztin aus dem Kreis Gütersloh eröffnet neue Praxis in bekannter Gerry-Weber-Immobilie Und sie legt nach: &bdquo;Die Tatsache, dass die Beschäftigten dieses Geld dem Unternehmen nur geliehen haben, hat 2023 schon gezeigt, dass die Mitarbeitenden zwar eine Hoffnung auf eine Wende haben, aber der Glaube an langfristige Stabilität und das Management nicht vorhanden war. Leider bestätigt sich diese Einschätzung jetzt. Die Folgen sind für viele Beschäftigten existenzbedrohend, sie bangen nun – wieder – um ihren Arbeitsplatz und ihre Zukunft.“ Beschäftigte haben Kredit für sichere Arbeitsplätze gegeben Zum Hintergrund: Damals hatten die IG-Metall-Mitglieder bei Gerry Weber mit großer Mehrheit dafür gestimmt, das Urlaubsgeld 2023 und obendrein 75 Prozent des Weihnachtsgeldes 2023 zu verschieben. Das heißt: 25 Prozent des Weihnachtsgeldes 2023 wurden ausgezahlt. Die Differenz sollte nachgezahlt werden – zu einem Drittel im Oktober 2024 und zu zwei Dritteln im Oktober 2025, zuzüglich vier Prozent Verzinsung. Außerdem wurde verhandelt: Wem gekündigt wird, der erhält einen Monat nach Kündigung die Sonderzahlung nebst Zinsen. Wer selber kündigt, erhält sein Geld zum Beendigungszeitpunkt. Ausgenommen bleiben die Auszubildenden. Sie erhalten die Sonderzahlungen auch 2023 zu den üblichen Zeitpunkten, also im Frühsommer und vor Weihnachten. &bdquo;Die Beschäftigten haben praktisch Kredit gegeben, um sichere Arbeitsplätze zu bekommen“, fasst Janina Hirsch zusammen, &bdquo;vor diesem Hintergrund halte ich die Aussichten für die Beschäftigten hier für maximal unsicher.“ Insolvenz des Unternehmens hat auch Auswirkungen auf den Ravenna-Park Die Nachricht der neuerlichen Insolvenz dürfte derweil auch Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Aktivitäten in Logistikzentrum und Outlet des Haller Gewerbegebietes Ravenna-Park haben. Christian Busch, geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter bei Walbusch und Eigentümer von Logistikzentrum und Outlet, gab sich am Dienstag irritiert und erklärte angesichts der neuerlichen finanziellen Schieflage seiner Mieterin: &bdquo;Ich bedauere sehr, das zu hören. Und bin auch einigermaßen überrascht, zumal wir gerade erst die Verlängerung der Zusammenarbeit in der Logistik über 2026 hinaus unterschriftsreif verhandelt hatten.“ Lesen Sie auch: Ex-Chefin von Gerry Weber aus dem Kreis Gütersloh: Neuer Job für 61-Jährige Die Umbauarbeiten des Logistikzentrums seien unterdessen in vollem Gange, ergänzte der Modemanager aus Solingen im Gespräch. Und man habe demzufolge ein großes Interesse daran, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Halle zu halten. &bdquo;Jetzt werden wir uns in Absprache mit dem Insolvenzverwalter darüber unterhalten müssen, welche Leistungen die Gerry Weber International GmbH abrufen kann – und wie wir das Logistikzentrum auch weiterhin angemessen auslasten.“ Shops geöffnet, Onlinebestellungen aktuell nicht möglich Wichtig für die Kundinnen von Gerry Weber: &bdquo;Das Geschäft läuft normal weiter“, betont Frank Elsner, der für das Unternehmen die Kommunikation führt. &bdquo;Unsere Partner aus Logistik und Beschaffung tragen den Prozess der Insolvenz in Eigenverwaltung mit, auch der Wholesale wird weiterhin beliefert. Auch die 32 Shops sowie die elf Outlets in Deutschland sind weiterhin geöffnet – allein Online-Bestellungen sind aktuell nicht möglich.“ Aber es werde dran gearbeitet, dass das bald wieder geht.

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