Gütersloh. Bauboom, Sanierungswelle für den Klimaschutz, Einrichtungstrend – das Handwerk wird gebraucht wie vielleicht lange nicht mehr. „Doch wer soll das alles in den nächsten Jahren leisten, wenn wir kaum noch Nachwuchs finden?", fragt Thorsten Schröder vom Gütersloher Sanitärbetrieb Henrich Schröder. Einige Unternehmen in OWL versuchen, das Image des Handwerks aufzupolieren, junge Leute dafür zu begeistern. Sie erhielten jetzt den Zukunftspreis der Stiftung Zukunft Handwerk OWL.
„Das Handwerk ist ein wesentlicher Teil der so wichtigen Mittelstandsgesellschaft in NRW, es bietet mehr als einer Million Menschen Arbeit", sagte Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der die Zukunftspreise im Gütersloher Stadttheater übergab. Selbst gelernter Maschinenschlosser brennt Laumanns Leidenschaft für das Handwerk auch nach Jahrzehnten in Behörden noch immer. Das wurde klar.
„Wir müssen den jungen Menschen die Chance geben, sich überhaupt für das Handwerk, entscheiden zu können." Laumann zielte damit auf die Schulpraktika ab, bei denen das Thema Handwerk viel zu kurz komme. „Wenn die Mädchen und Jungen nie erlebt haben, was es heißt, mit den eigenen Hände etwas zu schaffen, wie sollen sie das dann schätzen?"
Auch den meisten Lehrern fehle diese Erfahrung. Die Hälfte aller Kinder mache heute Abitur, die wenigsten davon aber hätten Interesse an Handwerksberufen. „Dabei sind viele dieser Berufe längst modern, anspruchsvoll und mit klaren Aufstiegschancen verbunden." Laumann forderte außerdem eine bessere Ausstattung von Berufsschulen.
Aus vier Azubis wurden plötzlich 20
Was man mit Ideenreichtum und Pragmatismus ausrichten könne, das hätten die fünf Preisträger bewiesen, betonte der Minister. Beispiel Thorsten Schröder. Mit einem lustigen Video, in dem erstaunliche Tricks wie Müllbeutel-Zielwurf und Cent-Stück-Stapeln zu bestaunen sind, hat er junge Leute auf den Beruf des Anlagemechanikers für Sanitärtechnik aufmerksam gemacht. „Wir hatten vier Azubis, jetzt sind es 20." Ähnlich verfährt Christoph Fahnbruck vom gleichnamigen Betrieb für Elektrotechnik in Bad Salzuflen. In seinen Videos erklären Mitarbeiter schon mal, wie „der Chef eigentlich so tickt". Wer sich für eine Lehrstelle interessiert, könne einfach auf einen Kaffee vorbeikommen.
Beispiel Bäckerei Güttge aus Lemgo. Hier hat Ann-Kathrin Lüttmann ihren Mann Oliver Güttge als "Bäckelor" zum Social-Media-Star gemacht. „Wir sind auf Facebook, Instagram und Tiktok unterwegs", erklärte sie. Außerdem beteiligte sich das Unternehmen als eines der ersten an der Brötchen-App, bei der Kunden Produkte vorbestellen, bezahlen und nur noch abholen müssen. „Wir haben die Warteschlangen in der Pandemie gesehen und gedacht: Das kann man doch anders organisieren", so Oliver Güttge.
Das soll die Gesellschaft endlich tun
Das Konzept zahle sich aus. „Der Kunde im Laden kauft durchschnittlich für sechs Euro ein, der in der App für zehn." Ann-Kathrin Lüttmann forderte, dass die Gesellschaft das Handwerk grundsätzlich anerkennen müsse. Ebenfalls ausgezeichnet wurden die Glasmalerei Peters aus Paderborn, die kunsthandwerkliche Traditionen mit innovativen digitalen Techniken verbindet, und Kögel Bau aus Bad Oeynhausen, das auf vielen Wegen auf junge Menschen zugeht, um sie für das Bauhandwerk zu begeistern.
Bei all der Sorge um Nachwuchs im Handwerk gab es einen Hoffnungsschimmer, den Peter Eul, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Zukunft Handwerk OWL, mitbrachte: „Gegenüber dem Krisenjahr 2020 haben wir in diesem Jahr immerhin ein Plus von neun Prozent bei den Ausbildungszahlen."
Aufgrund der Pandemie wurden die Zukunftspreise 2020 nicht in einer Gala verliehen. Es gab sie aber trotzdem. Sie gingen an Jenz Maschinen- und Fahrzuebau in Pertshagen, Finke Formenbau GmbH in Altenbeken und das Bauunternehmen Josef Hauphoff in Verl.