Mit Überlebenswillen und Weisheit: Richard Oetker wird 70

Bielefeld. Eine Geschichte, wie es sie sonst nur in Filmen gibt: Ein sympathischer Unternehmersohn lebt ein zwangloses Leben, geht studieren und fährt mit seinem VW Käfer durch die Gegend – bis ihn ein Verbrecher entführt und in eine Kiste sperrt. Der Vater zahlt das geforderte Lösegeld in Millionenhöhe und der Sohn kommt nach zwei langen Tagen frei, aber er ist nicht mehr der unbeschwerte Jungspund von früher. Er ist jetzt ein Mann, der dem Tod ins Auge geblickt hat. Eingepfercht in die enge Kiste und gequält durch heftige Stromstöße erlitt Richard Oetker Lungenschäden und mehrere Brüche in Brustwirbeln und Oberschenkelhalsknochen. Der Täter erpresste 21 Millionen Mark - und wurde später zu 15 Jahren Haft verurteilt. Über Oetker wird später berichtet, er habe sich sogar in dem Prozess gegenüber seinem Peiniger fair und menschlich verhalten. Die Entführung, die Richard Oetker Ende 1976 mit 25 Jahren durchleben musste, habe ihn verändert. Sein Weg wäre sonst sicherlich ein anderer gewesen, erzählt Oetker erst 35 Jahre später, in einem seiner ersten Interviews zu dem Thema überhaupt. Am Montag, 4. Januar, feiert der Bielefelder seinen 70. Geburtstag. "Kann nicht verstehen, über welch unwichtige Themen Menschen steiten" Bis auf die Gehbehinderung, die er seit der Entführung hat, gehe es ihm gesundheitlich gut, heißt es vom Oetker-Konzern. Insgesamt habe er trotz des Schicksalsschlags ein glückliches Leben geführt, verriet der Optimist in dem Interview. Er könne nicht nachvollziehen, über welch’ unwichtige Themen Menschen streiten können, sagte Oetker ebenfalls bereits vor vielen Jahren – noch vor dem offenen Ausbruch des Familienstreits unter den acht Kindern seines 2007 verstorbenen Vaters, des Konzernpatriarchen Rudolf-August Oetker. Der hatte die Firmenanteile zwar gleichmäßig auf alle acht Nachkommen verteilt, doch für eine friedliche Nachfolgeregelung hatte er nicht gesorgt. Als der langjährige Konzernchef August Oetker 2010 mit 65 Jahren in den Beirat wechselte, galt sein jüngerer Bruder Richard daher in dem aufkommenden Machtkampf als salomonische Besetzung für die Spitzenposition: Seine Autorität gründete weniger auf Geburtsrechten oder akademischen Titeln und mehr auf seinen Erfahrungen und seinem weisen Umgang mit dem Leben. Als persönlich haftender Gesellschafter der Dr. August Oetker KG und Vorsitzender der Geschäftsführung der Dr. Oetker GmbH stand er bis 2017 an der Unternehmensspitze. Kauf von Coppenrath & Wiese war ein Höhepunkt seiner Arbeit Richard Oetker scheint kaum machtbewusst oder an Karriere interessiert zu sein. Er tritt freundlich, zurückhaltend und unprätentiös auf, er spricht klar und schnörkellos. Für jedermann verständlich und auf Augenhöhe. Als Unternehmer gelangen ihm wichtige Erfolge – die Übernahme des Tiefkühltortenherstellers Coppenrath & Wiese im Jahr 2015 war ein Höhepunkt seiner Arbeit und ein Meilenstein für den Konzern. Die Belegschaft des Mettinger Unternehmens jubelte ihm zu, als er das Geschäft verkündete. Das gelingt nicht vielen Investoren. Doch unter seiner Führung gab es auch schmerzhafte Schritte. So wurde der Verkauf der Reederei Hamburg Süd 2017 noch in seiner Amtszeit beschlossen. Über das Privatleben von Richard Oetker ist wenig bekannt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Und es heißt, Oldtimer und Oldtimer-Rallys seien seine Leidenschaft. Bekannt durch sein Engagement für den Weißen Ring Bundesweit bekannt ist der gebürtige Bielefelder hingegen für sein soziales Engagement. Seit Jahrzehnten ist er vor dem Hintergrund seiner Entführung für die Opferschutzorganisation Weißer Ring aktiv. Seit 2002 ist er Mitglied des Bundesvorstandes der Organisation und Vorstandsvorsitzender der Weißen Ring Stiftung. Für seinen unnachgiebigen Einsatz für Opfer von Verbrechen verlieh ihm das Komitee Courage Bad Iburg im Jahr 2008 den Courage-Preis. Und auch für die Hilfsorganisation SOS Kinderdorf setzt Richard Oetker sich ein. Zentrale Werte – allen voran Kontinuität, Qualität, Sicherheit und das menschliche Miteinander – sind dem Ostwestfalen schon immer wichtig gewesen und charakterisieren sein Handeln, betonen jene, die ihn kennen. 2011 zeichnete die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ihn für sein Engagement mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen aus.

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