
Bielefeld. Er ist gertenschlank und groß gewachsen, er bewegt sich sportlich und seine Zugehörigkeit zur Familie Oetker ist nicht auf den ersten Blick für jedermann erkennbar. Der 42-jährige Carl Oetker übernimmt zum 1. Mai die Führung des Nahrungsmittelherstellers Dr. Oetker, und in seine Hände werden maßgeblich auch die Geschicke der kompletten Oetker-Gruppe gelegt. In fünfter Generation wird das Bielefelder Markenunternehmen damit nun von einem Mitglied der Familie gesteuert. Bei der Übernahme des Staffelstabes von seinem Vorgänger Albert Christmann, der den Konzern seit 2017 lenkte, kündigte Carl Oetker, der Sohn des heute 74-jährigen früheren Oetker-Chefs Richard Oetker, keine revolutionären Änderungen an. Doch er ließ durchblicken, was ihm wichtig ist.
Das Wort überließ der neue Unternehmenschef erst einmal Albert Christmann, der über die Geschäftsentwicklung im Jahr 2024 berichtete – dem letzten von ihm voll verantworteten Geschäftsjahr –, und der auch die Bedeutung der weltpolitischen Veränderungen für ein Unternehmen wie Dr. Oetker einordnete. Besonders erfreulich aus der Oetker-Sicht sei es gewesen, dass „trotz aller Widrigkeiten“ im Nahrungsmittelgeschäft ein „respektables Wachstum“ erzielt werden konnte – der Umsatz der Nahrungsmittelsparte inklusive der Tiefkühltorten-Tochter Coppenrath & Wiese sei um etwa 3 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro gestiegen, so Christmann (siehe Info-Box). Auch das Ergebnis sei „erfreulich respektabel“ ausgefallen.
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Das verdiente Geld sei gleich wieder investiert worden, sagte Christmann, und zwei Drittel dieser Investitionen sei nach Deutschland geflossen, obwohl hier „nur“ 35 Prozent der Konzernumsätze geschrieben werden. „Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland“, betonte er. Im Hinblick auf die entstehende neue Bundesregierung sei er zuversichtlich, dass die nötigen Verbesserungen der Rahmenbedingungen eingeleitet würden. Die irritierende US-Zollpolitik werde allerdings auch Oetker treffen.
Christmann hatte Carl Oetker ausgewählt
Christmann erinnerte bei einem Pressegespräch in Bielefeld jetzt daran, dass er selbst 2019 den damals noch bei einer Investmentfirma tätigen, studierten Betriebswirt Carl Oetker zum Assistenten der Geschäftsführung gemacht habe, und indirekt beantwortete er damit auch die denkbare Frage, ob die beiden aufeinander folgenden Manager eher Rivalen oder Partner waren. Und Christmann betonte mehrfach auch die Bedeutung der Unternehmenskultur und des menschlichen Umgangs für den Erfolg der Oetker-Gruppe – sein größter Erfolg wäre es, wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit hoher Motivation tätig seien.
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Carl Oetker nahm den Ball auf: Die Stimmung im Unternehmen sei gut, für die Oetker-Gruppe sei es wichtig, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, erst recht angesichts des in vielen Bereichen herrschenden Fachkräftemangels. In dieser Hinsicht sei er geprägt von Christmann, aber auch von seinem eigenen Vater. „Deswegen ist es für uns auch wichtig, dass wir gute Löhne und Gehälter bezahlen“, stellte Oetker klar.
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Für verschiedene Standorte würden im Unternehmen unterschiedliche Haustarifverträge abgeschlossen – zuletzt sei für einen großen Standort bei Trier ein Lohnplus von 5,8 Prozent verteilt auf zwei Jahre vereinbart worden. Christmann ergänzte, auch für die Standorte Bielefeld und Oerlinghausen werde es nach entsprechenden Verhandlungen gewiss Tariferhöhungen geben – die Gewerkschaft hatte gerade erst von „frostiger Stimmung“ in Bielefeld gesprochen und der Oetker-Führung vorgeworfen, Gesprächsangebote abzulehnen.
Künftig setzt Dr. Oetker verstärkt auf Snacks
Christmann attestierte seinem Nachfolger Kompetenz und eine gute Unternehmerpersönlichkeit sowie Bodenständigkeit: „Er liebt Bielefeld, so wie ich“, so der 62-Jährige. Christmann will nach dreieinhalb arbeitsreichen und erfolgreichen Jahrzehnten in Diensten der Oetker-Gruppe den Wohnsitz in Bielefeld nicht aufgeben, aber wohl wieder häufiger in seiner Heimat in Rheinhessen sein, wo auch seine Mutter lebt. Im Beirat wird der christlich engagierte und über den Klimawandel besorgte Manager weiterhin für Oetker tätig sein, aber: „Ich freue mich auf die 35-Stunden-Woche“, lacht er.
Carl Oetker lebt mit seiner Familie seit Jahren wieder in Bielefeld, nachdem er viele Jahre zuvor an anderen Orten zwischen Hamburg und München, London und Turin wohnte und arbeitete. „Aber Bielefeld war immer für mich Heimat, nicht nur, weil mein Vater hier lebt“, sagt Oetker. Nebenbei outete sich der neue Oetker-Chef in seiner – dann doch sehr Oetker-typischen – schnörkellosen und direkten Art auch als Arminia-Fan. Die anderen Fans, die Sponsoren und der Verein werden es erleichtert hören.
Die Bemühungen um Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die Verbesserung der Effizienz („dabei geht es nicht um den Abbau von Arbeitsplätzen“) werden im Konzern weitergeführt, „das sind zum Teil fortlaufende Prozesse“ , erklärt Oetker. Und, wichtig für Verbraucher, die Preise sollen nach den Erhöhungen der jüngeren Vergangenheit erst einmal stabil bleiben. Ob das Produktsortiment irgendwann etwa durch Firmenzukäufe erweitert wird, ließ er offen – alles sei möglich. Im Vordergrund steht demnach erst einmal die Weiterentwicklung der bestehenden Sortimente. „Wir werden auf jeden Fall mehr im Bereich Snacking machen“, kündigte Oetker jedoch an. Pizza, Kuchen und Desserts in kleinen Portionen sind demnach unter der Marke Dr. Oetker vermehrt zu erwarten.
INFORMATION
2024 war „respektables“ Jahr
Der Wirtschaftskrise zum Trotz steigerte die Nahrungsmittelsparte des Oetker-Konzerns die Investitionen erneut kräftig, und zwar um mehr als 7 Prozent von 171 auf 184 Millionen Euro. Ein großer Teil des Geldes sei in den Ausbau der Kapazitäten in den internationalen Pizzawerken geflossen, heißt es. Bei Coppenrath Wiese sei in nachhaltige Energielösungen investiert worden – etwa in die Optimierung von Lüftungsanlagen oder der Stromversorgung.
Stabil blieb den Angaben zufolge 2024 die Belegschaft im Geschäftsbereich Nahrungsmittel: Die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist demnach leicht von 16.510 auf 16.599 gewachsen. Gut 43 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Deutschland, obwohl Dr. Oetker im Inland nur etwa 35 Prozent seiner Umsätze erzielt.
Der Umsatz der Nahrungsmittelsparte mit der Marke Dr. Oetker und der Tiefkühltorten-Tochter Coppenrath & Wiese ist 2024 um etwa 3 Prozent auf 4,3 (Vorjahr 4,2) Milliarden Euro gestiegen. Für 2025 erwartet der neue Unternehmenschef Carl Oetker ein moderates Umsatzwachstum. „Trotz der derzeitigen Situation auf den Weltmärkten rechnen wir insgesamt mit einer stabilisierten Konsumnachfrage.“ Die Investitionen in Innovationen, Nachhaltigkeit und Digitalisierung sollen weiter wachsen.