Küchenmeile

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Start der Messen in OWL: Küchenmöbler lassen Krise hinter sich

Zum Auftakt der Küchenmeile in OWL ist die Stimmung bestens: Die Branche gehört zu den wenigen, die im Corona-Jahr ein Wachstum erwarten. Diesmal ist es nicht der Export, der die Erfolge bringt.

Für die Küchenmöbelindustrie am Herd: Jan Kurth (l.)  und Stefan Waldenmaier vom Küchenmöbelverband VdDK. | © Martin Krause

Martin Krause
21.09.2020 | 22.09.2020, 06:59

Löhne. Krisenjahre sind gute Jahre für die Einrichtungsbranche, so sagt man in der Möbelindustrie. Weil die Menschen sich auf ihr Zuhause besinnen, machen sie es sich gemütlich. Die Faustregel klingt recht pauschal, zugegeben, aber für die Küchenmöbelindustrie scheint sie in Zeiten von Corona voll ins Schwarze zu treffen: Während in aller Welt die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg beklagt wird, erwartet der Verband der Deutschen Küchenmöbelindustrie (VdDK) für das Gesamtjahr 2020 ein dreiprozentiges Umsatzplus.

Auf der mit lässigen Sommermöbeln bestückten Terrasse der Architekturwerkstatt in Löhne stellten Stefan Waldenmaier (Vorsitzender des VdDK) und Jan Kurth (Geschäftsführer des VdDK) zum Auftakt der ostwestfälischen „Küchenmeile" die Eckdaten einer außergewöhnlich guten Branchenkonjunktur vor.

Aufholjagd setzte schon im Juni mit voller Wucht ein

Zwar habe es auch für die Küchenmöbler in den Lockdown-Monaten April und Mai „dramatische Einbrüche" bei den Umsätzen und Auftragseingängen gegeben. Doch weil das erste Quartal eine gute Auftragsbasis lieferte und die Aufholjagd nach Öffnung der Geschäfte schon im Juni mit voller Wucht einsetzte, endete das erste Halbjahr unter dem Strich mit einem Auftragsplus von 1,2 Prozent.

In den Sommermonaten Juli und August traten viele Verbraucher dann nicht wie sonst üblich eine Urlaubsreise an, mancher ging stattdessen in ein Küchenstudio. Das solide 2,8-prozentige Umsatzplus des Jahres 2019 könnte im Krisenjahr 2020 also übertroffen werden. „Die Grundhaltung hat sich verändert – das Einrichten wird jetzt wieder höher bewertet", vermutet Waldenmaier. Und er glaubt, dass dieser Trend kein Strohfeuer bleibt, sondern in den nächsten Jahren anhält.

60 Prozent der deutschen Küchen kommen aus OWL

Die Stimmung auf der Küchenmeile ist daher bestens – auch wenn die zahlreichen Hausmessen diesmal nur ein Drittel bis höchstens die Hälfte der üblichen Fachbesucher-Zahlen erwarten. Mit mehr als 20 teilnehmenden Küchenherstellern sind fast die Hälfte der 50 Verbandsmitglieder auf der Küchenmeile vertreten, hinzu kommen Zulieferer wie Liebherr (Geräte) oder Gessi (Armaturen).

Für OWL ist die Branchenentwicklung ohnehin gut, denn hier sind bedeutende Markenhersteller wie Marktführer Nobilia, das Rödinghausener Familienunternehmen Häcker, Nolte-Küchen, Poggenpohl, Siematic, Bauformat, Eggersmann, Pronorm und andere beheimatet. Hinzu kommen Zulieferer wie Hettich und Küchengerätehersteller wie Miele. Jan Kurth schätzt, dass rund 60 Prozent der deutschen Küchen in OWL produziert werden – bundesweit erzielte die Branche 2019 mit inzwischen 17.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 5,03 Milliarden Euro. Beide Zahlen markierten Rekordwerte.

"Bisher ungekannte Dynamik aus dem Inland"

Waldenmaier, im Hauptberuf Chef des süddeutschen Küchenherstellers Leicht (der wiederum zur Paderborner Welle-Holding gehört), hat das Augenmerk in den vergangenen Jahren oft auf die ausländischen Märkte gerichtet. Die Exportquote der Küchenmöbler wuchs von gut 35 Prozent im Jahr 2012 auf knapp 42 Prozent im Jahr 2019 stetig an. Doch während jetzt gerade das Ausland schwächele (Umsatz minus 6,1 Prozent im ersten Halbjahr), komme eine „bisher ungekannte Dynamik aus dem Inland".

Dazu beigetragen habe wohl der Umzug ins Homeoffice („da kann man nicht in der Kantine essen"), vor allem aber profitiere die Branche von der Senkung der Mehrwertsteuer, die den Kauf einer hochwertigen Küche um mehrere hundert Euro verbilligt. Jan Kurth sieht auch eine positive psychologische Wirkung der Steuersenkung – für die Verbraucher ergibt sich eine günstige Gelegenheit.

Deutsche Hersteller profitieren vom harten Wettbewerb im Inland

Aber auch die europäischen Absatzmärkte – als wichtigster Exportmarkt gilt das schwer coronageplagte Frankreich – beleben sich wieder: Hier profitieren die deutschen Hersteller vom harten inländischen Wettbewerb, der zu Effizienz zwinge, so Waldenmaier: „Wir sind gesund aufgestellt."

So kommt es, dass 90 Prozent der Betriebe inzwischen wieder über eine Vollauslastung ihrer Kapazitäten berichten, 55 Prozent der Firmen hätten die coronabedingten Einbußen schon jetzt wieder ausgeglichen. „Die Branche ist fast wieder auf Vorkrisenniveau", sagt Kurth.

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Spanplatten werden knapp

Bei allem Licht zeigen sich auch kleine Schatten: Spanplatten zum Beispiel seien knapp geworden, obwohl eigentlich mehr als ausreichend Holz zur Verfügung steht, sagen die Experten. Marktteilnehmer vermuten demnach, dass die Spanplattenhersteller versuchen, ihre Preise durch eine Beschränkung der Produktion in die Höhe zu treiben. Eine Rolle spiele dabei allerdings auch, dass Möbelhersteller mehr Spanplatten auf Lager halten wollen.

Gerüchteweise zeigen sich leichte Knappheiten auch bei Geräten – „es gibt keine Geschirrspüler mehr", so heiße es etwa.

Die Lieferzeiten verlängern sich: Termine für die Montage beim Kunden könnten schon bald ins neue Jahr fallen.