Wirtschaft

Küchenindustrie sieht Anzeichen für Belebung

Die Branche profitiert von langfristigen Neubau-Projekten. Viele Küchenmöbelhersteller in OWL wollen sich auch in diesem Herbst auf eigenen Ausstellungen präsentieren.

Blick in die automatisierte Produktion beim Küchenhersteller Nobilia in Verl. | © picture alliance / dpa

Andrea Frühauf
07.06.2020 | 08.06.2020, 09:22

Herford. Die deutsche Küchenindustrie, deren Herz in Ostwestfalen-Lippe schlägt, bleibt trotz Corona-Krise zuversichtlich. „Seit Mai hören wir aus dem Handel, dass die Geschäfte wieder gut laufen – teilweise sogar besser als im Vorjahr", sagt Jan Kurth, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie (VDM). Die Deutschen seien in Corona-Zeiten viel daheim und wollten ihr Zuhause nun verschönern.

Die vermehrte Nachfrage liege aber auch an einem Nachholeffekt. Denn im April brach der Auftragseingang mit den Ladenschließungen um 31 Prozent ein, nachdem er im März noch um 20 Prozent zugelegt hatte.
„Aber bei den Wohnmöbeln waren es im April sogar minus 60 Prozent", betont Kurth. Die Krise habe Küchenmöbelhersteller nicht ganz so abrupt getroffen.

"Neubau-Projekte laufen weiter"

„Häuser werden weiterhin gebaut, und die brauchen Küchen. Die Projekte laufen weiter", sagt Kurth als Begründung. Damit gebe es für die Küchenindustrie längere Auftragsvorläufe. Von Januar bis Ende April lagen die Auftragseingänge immerhin noch mit 1,4 Prozent im Plus – nach plus 13,4 Prozent im ersten Quartal. „Die Branche hatte noch einen Puffer aus dem ersten Quartal."

Impulse durch Hausmessen erhofft

Der Umsatz stieg im ersten Quartal um 4,4 Prozent auf rund 1,3 Milliarden Euro. Mit mehr als 70 Prozent Umsatzanteil liefern die noch 26 (2009: 36) ostwestfälischen Küchenmöbelhersteller (9.600 Beschäftigte) den Löwenanteil. Das Auftragsloch im April (Ausland: minus 37,5 Prozent) werde sich aber in etwa sechs Wochen auch auf den Umsatz auswirken, prognostiziert Kurth.

Doch auch mit den Hausausstellungen im September erwartet er einen Impuls für die Branche. Immerhin wollen bis auf wenige Ausnahmen die Unternehmen der Marketinggemeinschaft A30 Küchenmeile e.V. auch in diesem Herbst vom 19. bis 25. September ihre Hausausstellungen öffnen, um den Fachbesuchern die neuen Trends vorzustellen.

Auch die Orderfachmesse Area 30 soll unter „Einhaltung aller zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen" öffnen, wie die Marketinggemeinschaft nach einer Mitgliederversammlung mitteilte. Besucherströme sollen durch individuelle Terminvereinbarungen gelenkt werden. Die Möbelmesse in Mailand war im April wegen des Coronavirus abgesagt worden.

Branchenriesen treiben den Umsatz in OWL

Das Inlandsgeschäft bringt der Küchenindustrie weiterhin den Löwenanteil. Die Exportquote betrug im März noch 40 Prozent, nachdem sie 2019 auf 42 Prozent gestiegen war. Die wichtigsten Exportländer sind Frankreich, die Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz. „Die Logistik und der Lieferverkehr waren wegen der Corona-Pandemie im März stillgelegt", sagt Christian Langwald, Leiter für Wirtschaft und Statistik beim VDM. Konkurrenz aus China befürchtet er nicht. „Die deutsche Küchenindustrie hat weltweit einen hohen Stellenwert", betont er.

Dass die Küchenmöbelhersteller in OWL einen höheren Umsatz erzielen, obwohl ihre Zahl in den vergangenen Jahren geschrumpft ist, führt Langwald auf Branchenriesen wie Nobilia (Verl) zurück. Das Familienunternehmen machte 2019 fast 1,3 Milliarden Euro Umsatz.
Nach Häcker in Rödinghausen (2019: 616 Millionen Euro) ist Nolte in Löhne die Nummer drei der deutschen Küchenindustrie. „Diese Unternehmen sind gewachsen", so Langwald. Allerdings habe ein Großteil der Branche jetzt Kurzarbeit angemeldet. Und zwei Löhner Unternehmen – darunter Siematic – sind bereits in chinesischem Besitz.

Hart getroffen ist Brigitte-Küchen (330 Beschäftigte) in Hiddenhausen. Das Unternehmen, das im Mittelfeld gegen Riesen wie Nobilia konkurriert, war mit dem Versuch, Alno/Wellmann Marktanteile abzujagen, gescheitert. Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung läuft seit 1. Juni. Der Auftragseingang liegt nach eigenen Angaben über Plan.
Der insolvente Herforder Luxusküchenhersteller Poggenpohl steht zum Verkauf.