
München/Augsburg. Mit Hochdruck arbeiten die bayerischen Fahrzeugkonzerne BMW, Audi und MAN an der Elektromobilität. Eher mit Missmut wird man dort vernommen haben, dass sich der größte Verkehrsclub Europas jetzt den Zweiflern an der E-Mobilität angeschlossen hat.
Der ADAC veröffentlichte unlängst eine in seinem Auftrag erstellte Studie des Joanneum Research (Graz), der zufolge es mit der Klimabilanz von E-Autos jedenfalls zur Zeit nicht so weit her ist. Die günstige Klimabilanz eines Erdgasfahrzeugs kann demnach ein E-Auto während seiner gesamten Lebenszeit nicht unterbieten.
"Petroboys" vs. "Steckdosen-Fetischisten"
"Damit ist quasi amtlich, was einige wenige schon lange sagen, die große Gemeinde der E-Mobilitätsgläubigen aber nicht wahrhaben will: Die Elektromobilität ist ohne jeden Nutzen für den Klimaschutz", kommentierte der Münchener Fernsehjournalist Christoph Arnowski, der sich seit Jahren für die seiner Meinung nach wesentlich umweltfreundlichere, billigere und viel rascher umzusetzende Antriebstechnik mit CNG-Gas (Compressed Natural Gas) einsetzt.
Der Streit zwischen den "Petroboys" und den "Steckdosen-Fetischisten" hat sich in letzter Zeit eher noch verschärft. So richtig in Gang kam er im Frühjahr dieses Jahres, als der ehemalige Chef des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn mit dem Physik-Professor Christoph Buchal und dem Energiefachmann Hans-Dieter Karl in einer Studie behaupteten, dass ein aktueller Mercedes 220 d mit Dieselmotor eine bessere CO2-Bilanz aufweist als ein rein elektrisch betriebener Tesla Model 3. Auch moderne Elektroautos würden "in den nächsten Jahren schwerlich in der Lage sein, einen Beitrag zur Minderung der deutschen CO2-Emissionen zu leisten", heißt es in der Studie.
E-Autos produzieren Treibhausgasemissionen
Rasch wurde nachgewiesen, dass die Sinn-Buchal-Karl-Studie in gewisser Weise Äpfel mit Birnen verglichen und jeweils die für den Elektroantrieb ungünstigsten Annahmen zugrunde gelegt hat. "Die Studie rechnet das Elektroauto schlecht", empörte sich der "Spiegel". Doch über eines sind sich auch die entschiedensten Befürworter der E-Mobilität im Klaren: Wer heute in Deutschland ein E-Auto bewegt, sollte nicht glauben, mit Null-Emission unterwegs zu sein.
Das behauptet auch das Bundesumweltministerium nicht. Der derzeitige deutsche Strommix mit einem Anteil von 35 Prozent Kohlestrom sowie die Treibhausgasemissionen, die bei der Produktion von Elektroautos, insbesondere von deren Batterie, entstehen, lassen den Vorteil von Elektroautos stark schrumpfen. "Ein heute auf die Straße kommendes Elektroauto stößt über seinen Lebensweg zwischen 16 und 27 Prozent weniger Klimagase aus, je nachdem mit welchem Verbrenner-Typ man vergleicht."
Öko-Bilanz erst nach zigtausend gefahrenen Kilometer besser
Der ADAC kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Die Treibhausgasbilanz eines rein elektrisch betriebenen Autos der Golf-Klasse fällt im Vergleich zu einem benzinbetriebenen Fahrzeug erst nach 127.500 Kilometern (8,5 Betriebsjahre) günstiger aus. Gegenüber einem Diesel-Auto kommt das E-Auto erst nach 219.000 Kilometer oder 14,6 Betriebsjahren in den grüneren Bereich. Eine gute Figur macht dabei nur das Erdgasfahrzeug, dessen Treibhausgas-Ausstoß über den gesamten Lebenszyklus unter den des Elektroautos liegt.
Anders gestaltet sich die Rechnung, wenn das E-Auto mit Strom betrieben wird, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommt. Dann überholt das E-Auto die mit Benzin oder Diesel betriebenen Konkurrenten aber auch erst nach 37.00 beziehungsweise 40.500 Kilometern. Und sogar das Erdgas-Auto wird nach 48.000 Kilometern überholt.
Mehr Öko-Strom gefordert
Die E-Auto-Unterstützer verweisen daher auf die saubere Zukunft der deutschen Stromproduktion. Wegen der aufwendigen Batterie-Produktion bringe ein E-Auto zwar einen großen "Treibhausgas-Rucksack" mit sich, der jedoch umso schneller amortisiert wird, je schneller in Deutschland die Umstellung auf Öko-Strom gelingt, so der ADAC: "Der deutsche Strommix muss sauberer werden."
Wie lange dies dauert und wann umwelt- und ressourcenschonendere Batterietechniken serienreif sind, kann aber derzeit nicht genau bestimmt werden. Durch die einseitige Förderung der Elektromobilität würden andere saubere Technologien, die mit einem weitaus geringeren Kostenaufwand sofort eingesetzt werden könnten, "behindert und ausgebremst", kritisiert TV-Journalist Arnowski.
Erdgasbusse sind günstiger als E-Alternative
Auch der Bund der Steuerzahler in Bayern vermutet inzwischen eine Verschwendung von Steuergeldern in großem Stil, was am Beispiel der Augsburger Verkehrsbetriebe festgemacht wird. Deren aus etwa 100 Fahrzeugen bestehende Busflotte wird seit Jahren mit CNG-Biogas betrieben, das CO2-neutral, im Betrieb stickoxidminimiert und feinstaubfrei sei.
Ein Gasbus kostet nur halb so viel wie ein Elektrobus, dessen Anschaffungskosten mit 700.000 bis 800.000 Euro beziffert werden. Der E-Bus wird freilich aus Steuermitteln mit bis zu 300.000 Euro gefördert, obwohl wegen dessen geringerer Reichweite mehr Fahrzeuge und mehr Fahrpersonal benötigt werden. Für einen Gasbus rückt der Staat dagegen nur etwa 10.000 Euro heraus, und das bei einer besseren Gesamt-Ökobilanz, wie die Stadtwerke Augsburg betonen. Im Winter haben nach Recherchen der "Welt" viele E-Busse sogar dieselbetriebene Zusatzheizungen an Bord, damit die Reichweite nicht völlig in den Keller geht.
Synthetische und biologische Kraftstoffe werden wichtiger
Skepsis gegenüber der EU-Förderpolitik gibt auch der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) Bertram Brossardt zu erkennen. Weil der Erdgasantrieb bei Bussen im Betrieb CO2-Emissionen verursache, würden synthetische und biologische Kraftstoffe immer wichtiger. Sie hätten zudem den Vorteil, dass die vorhandene Infrastruktur wie Tankstellen und Erdgasnetz sowie Fahrzeuge klimaneutral weitergenutzt werden können. "Dafür müssen klimaneutrale Kraftstoffe regulativ fair behandelt werden, was gegenwärtig auf EU-Ebene noch nicht der Fall ist", so der vbw-Geschäftsführer.
Die europäische "Clean-Vehicle-Richtlinie", fasst der Bund der Steuerzahler in Bayern zusammen, "gefährdet die Technologieoffenheit bei der Verkehrswende und bedroht das Erfolgsprojekt der Stadtwerke Augsburg mit klimaneutralen Biomethanbussen". München will ab 2020 nur noch Elektrobusse anschaffen. Derzeit sind an der Isar nur zwei der 511 innerstädtischen und 776 Regionalbusse elektrifiziert.
Preisanstieg bei E-Bussen
Gleichwohl wird eifrig die Werbetrommel für die nach Ansicht des Steuerzahlerbundes noch mit zahlreichen Schwachstellen belasteten E-Busse gerührt, vielleicht auch im Interesse der Industrie. "Durch die immens hohe Förderung (...) zeigt sich bereits jetzt ein deutlicher Preisanstieg", so der Steuerzahlerbund.
Das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) beklagte in einer am Freitag bekannt gewordenen Studie, dass bundesweit erst 838 elektrifizierte Busse im ÖPNV unterwegs seien - immerhin 38 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zuwächse reichten aber längst nicht aus, um die Forderungen der Politik zu erfüllen, so PwC: "Dafür müssen deutlich mehr Busse mit alternativen Antrieben auf die Straßen - und zwar in allen Bundesländern".
Wasserstoffbusse sind nicht die Lösung
In Bayern sind nach dieser Studie 59 dieser Busse unterwegs, in Nordrhein-Westfalen 264, in Niedersachsen 136, in Baden-Württemberg 96, in Hamburg 86 und in Schleswig-Holstein 62. Zu den elektrifizierten zählte PwC auch Hybride, Oberleitungsbusse oder Busse mit Brennstoffzelle.
Apropos Brennstoffzelle: Wer glaubt, dass die Wasserstofftechnik die Lösung aller Mobilitätsprobleme sein könnte, dem verpasste der Wiener Professor Manfred Schrödl vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU einen massiven Dämpfer. Mit Wasserstoffautos und den erforderlichen Aufbau einer flächendeckenden Wasserstoff-Tank-Infrastruktur sei die Energiewende nicht zu schaffen, erläuterte Schrödl. Es sei "weitaus effizienter, auf das Elektroauto zu setzen".