Kritik am Impfprogramm

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Hausärzte-Verband für Aufhebung von Corona-Auflagen bei Geimpften

Der Deutsche Hausärzteverband hat Lockerungen der Corona-bedingten Einschränkungen für alle Geimpften gefordert, sofern diese nach der Immunisierung nicht mehr ansteckend sind.

Ein Arzt setzt eine Impfung gegen Corona in den Arm eines Patienten. | © AFP

09.01.2021 | 09.01.2021, 19:00

Berlin. Der Bundesverband der deutschen Hausärzte hat die Bundesregierung scharf für die Verzögerungen im deutschen Impfprogramm kritisiert und zudem die Aufhebung der Corona-Auflagen für Geimpfte gefordert. "Sehr viele Menschen wollen sich aktuell erfreulicherweise impfen lassen, und wir Hausärztinnen und Hausärzte bestärken sie darin, indem wir sie beraten und ihnen verlässliche Informationen rund um die Impfung zur Verfügung stellen”, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

"Aber selbst das größte ärztliche Engagement kann nur dann den erhofften Erfolg zeitigen, wenn genügend Impfstoff vorhanden ist”, betonte er. "Es ist nicht die Schuld der Bürgerinnen und Bürger, dass die Regierung viel zu spät und dann auch noch viel zu wenig Impfstoff bestellt hat, der nun nicht für alle reichen kann.”

Die Ärzteschaft unterstütze die Impfkampagne ehrenamtlich und mit großen Engagement, sagte Weigeldt dem RND: "Viele Kolleginnen und Kollegen sowie ihre Mitarbeitenden sind derzeit freiwillig in den Impfzentren und in den mobilen Teams tätig – zusätzlich zu ihrer Arbeit in den Praxen.” Damit das Programm jedoch erfolgreich sein könne, müsse die Bundesregierung die Lücke schnell ausgleichen, forderte er.

"Die Menschen wollen zurecht von den Vorteilen profitieren dürfen"

Außerdem dringt der Hausärzteverband darauf, die Corona-bedingten Einschränkungen für Geimpfte fallen zu lassen, sofern sie nach der Immunisierung nicht mehr ansteckend sind. "Die Menschen wollen zu Recht jedenfalls dann von den Vorteilen des Impfens profitieren dürfen, wenn diese Impfungen tatsächlich nicht nur vor Erkrankung schützen, sondern auch die Übertragung des Virus verhindern”, sagte Weigeldt dem RND.

Es gebe viele Klagen über die zahlreichen Einschränkungen, die wegen der Pandemie seit rund einem Jahr bestünden. "Dann kann man sich andererseits nicht darüber beschweren, dass Menschen, die geimpft sind und deshalb für ihre Mitbürger keine Gefahr mehr darstellen, diese Einschränkungen nicht länger hinnehmen wollen”, erklärte Weigeldt.

Man könne beispielsweise einer 85-Jährigen, die seit Monaten ihr Pflegeheim weder verlassen, noch dort Besuch empfangen durfte, kaum erklären, dass sie trotz der endlich erfolgten Impfung weiterhin das Heim nicht verlassen oder ihre Familie sehen darf, sagte der Verbandsvorsitzende: "Wollen wir dieser Frau ernsthaft zumuten, dass sie sich aus Rücksicht auf die Ungeimpften weiterhin selbst einsperrt?”

Nicht angemessen, von Spaltung der Gesellschaft zu sprechen

"In diesem Zusammenhang von einer Spaltung der Gesellschaft oder einer Privilegierung der Geimpften zu sprechen, ist nicht angemessen”, so Weigelt. Schließlich stelle die Impfung lediglich die normalen Lebensmöglichkeiten wieder her. "Die Politik muss den Geimpften zubilligen, diese Möglichkeiten auch wieder wahrzunehmen. Nur so lässt sich die Akzeptanz der Maßnahmen sicherstellen.”

Derzeit gibt es zwischen der Bundesregierung und einzelnen Bundesländern Uneinigkeit darüber, ob Geimpften die obligatorische Quarantänepflicht nach einer Auslandsreise erlassen werden soll.

Zuvor hatten sich unter anderem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gegen eine Ungleichbehandlung nach Immunisierungsstatus ausgesprochen. "Eine Vorzugsbehandlung für Geimpfte birgt die Gefahr der Spaltung der Gesellschaft”, hatte zuletzt auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gesagt.

Der Deutsche Hausärzteverband hat nach eigenen Angaben mehr als 30.000 Mitglieder und ist damit der größte Berufsverband niedergelassener Ärztinnen und Ärzte in Deutschland.