
München/Palo Alto. Es begann als harmloser Sozialversuch eines Geschichtslehrers an einer kalifornischen Schule, der aus dem Ruder lief: gemeint ist „Die Welle". Die Geschichte vom Lehrer Ron Jones und seinen Schülern ging um die Welt. Der gleichnamige Roman von Morton Rhue ist weltweit seit Generationen Pflichtlektüre an vielen Schulen; eine deutsche Verfilmung mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle erschien vor rund zehn Jahren.
Eine True-Crime-Doku über "Die Welle"
Jetzt wurde das Experiment vom Produzenten Emanuel Rotstein in einer Dokumentation aufgearbeitet. „The Invisible Line – die Geschichte der Welle" ist die erste Eigenproduktion des Pay-TV-Senders „Crime \+ Investigation" von A+E Networks und wird am Donnerstag, 19. Dezember, um 20.45 Uhr erstmals ausgestrahlt.
Die True-Crime-Doku beleuchtet die wahre Geschichte und die Hintergründe des „Third-Wave"–Sozialexperiments im Jahr 1967. „Ron Jones nahm uns unsere Informationsfreiheit, unsere Versammlungsfreiheit und unsere Meinungsfreiheit." Mit diesem Résumé des ehemaligen Schülers und Mitglied der Welle, Mark Hancock, beginnt der Film.
Ein rascher Wandel in Richtung Faschismus
Gleich zu Anfang wird klar: jetzt kommen die Beteiligten von damals zu Wort. Spannend aufbereitet schildern sie ergreifend ehrlich den rasanten Wandel hin zu einem totalitären Gedankengut und faschistischem Handeln.Der ehemalige Geschichtslehrer Ron Jones gesteht, er wünschte, er hätte den Versuch nie durchgeführt, denn er habe „damit sehr viele Menschen in Gefahr gebracht." Jones kehrt an den Ort des Geschehens zurück: in die Klasse an der ehemaligen Cubberley High School in Palo Alto, Kalifornien. Hier erinnert er sich.
Der damals 26-jährige Jones habe mit eigentlich guten Absichten gehandelt, als er seinen Schülern mit innovativen Lehrmethoden zu vermitteln versuchte, warum sich die Deutschen nicht gegen das Hitler-Regime gewehrt und den Holocaust verhindert hätten. Durch eigenständiges Denken und Nachempfinden. Es sollte ein eintägiges Experiment bleiben, doch es verselbstständigte sich und wurde schlussendlich zu einer „Woche des Terrors".
Sie waren Opfer des eigenen Experiments geworden
Die Dokumentation zeigt, wie unterschiedlich die Charaktere der Schüler waren, doch sie hatten eines gemein: Die eingeführte Gleichheit und die Gruppenzugehörigkeit verlieh ihnen ein Gefühl von Stärke. Und auch Jones habe gespürt, wie ihn die gewonnene Aufmerksamkeit und Macht in der Klasse angezogen habe.
Am zweiten Tag überschritt er die unsichtbare Linie und führte das „Third-Wave-Experiment" weiter. Doch das sollte nicht der einzige gravierende Fehler sein, der aus einem Experiment plötzlich gefährliche Realität machte. Ron Jones war Opfer seines eigenen Experiments geworden. Doch als er das erkannte, war die Bewegung bereits weit fortgeschritten.
Wie bringt man ein Experiment zu Ende, das derart entgleist ist? Ron Jones hatte eine rettende Idee, wie er das Experiment lehrreich zu Ende bringen konnte. Ein Erlebnis, das seinen ehemaligen Schülern noch als Erwachsene sichtlich berührt. "The Invisible Line" ist eine spannende Dokumentation mit sehr persönlichen Einblicken in den Ablauf des Experiments sowie in die Gefühlswelt der Beteiligten.