„Gesicht förmlich zerschlagen“: Prozess nach brutaler Attacke in Paderborn

Paderborn. Andreas R. (Name geändert) tritt erst demnächst dem Alter nach ins Erwachsenenleben ein. Das ist ein großes Glück für ihn, denn vor dem Gesetz gilt er so noch als Heranwachsender. Wäre das nicht der Fall, müsste er wahrscheinlich für längere Zeit ins Gefängnis. Denn er hat an einem frühen Sonntagmorgen im April 2024 schwere Schuld auf sich geladen, als er in der Marienstraße drei Männer brutal attackierte und schwer verletzte. Jetzt musste er sich vor dem Landgericht Paderborn verantworten. Viel ist dem 20-Jährigen nicht gelungen. Einen Schulabschluss erreichte er nicht, lange lebte er in diversen Jugendhilfeeinrichtungen, sogar ein Boxcamp war dabei. Kontinuität gab auch nicht in der Entwicklung seiner Persönlichkeit. Mit dem Gesetz allerdings geriet er nicht in Konflikt – bis zum 28. April 2024. Damals war Andreas R. auf der Feiermeile Marienstraße unterwegs – und versetzte dort vor dem &bdquo;Franz Ferdinand“ Daniel S. unvermittelt einen heftigen Schlag ins Gesicht. Der Student hatte die Gruppe von Andreas R. angesprochen, ob es sich lohne, vom &bdquo;Container“ in diesen Club zu wechseln, und anschließend Andreas R. auf seinen wohl recht finsteren Blick angesprochen, aber wohl nur unbedacht und ohne jeden Gedanken an Provokation, wie die spätere Beweisaufnahme ergab. Beide Gruppen begegnen sich noch einmal auf dem Heimweg Konsterniert von dem Übergriff kehrte der 26-Jährige zu seinen Freunden zurück. Als er zusammen mit ihnen wenig später den Heimweg antrat, begegnete die Gruppe Andreas R. und seinen Begleitern. Daniel S. deutete auf den 20-Jährigen, um seinen Freunden jenen Mann zu zeigen, der ihn zuvor geschlagen hatte. Für Andreas R. anscheinend eine Provokation, denn als ein Freund von Daniel S. mit ihm das Gespräch suchte, schlug der geübte Kampfsportler einfach zu. Danach drosch er auf den 26-Jährigen ein, den zweiten Kumpel des Studenten warf er nach Wrestlingmanier zu Boden. Die Bekannten von Andreas R. beließen es nicht beim Zuschauen, sondern griffen in das Geschehen ein und schlugen gleichfalls zu. Daniel S., der sich wie sein Begleiter nicht wehrte, war da längst zu Boden gegangen, musste aber weitere Attacken ertragen, bis er schließlich wegkriechen konnte. Schwer verletzt wurden alle drei Männer, doch den 26-Jährigen erwischte es am schlimmsten. &bdquo;Sein Gesicht ist förmlich zerschlagen worden“, konstatiert anderthalb Jahre später die Vorsitzende der 5. Großen Strafkammer des Paderborner Landgerichts. Fast acht Stunden lang musste er in einer Spezialklinik operiert werden. Mehr als 30 Implantate waren notwendig, um sein Gesicht wiederherzustellen. Der 26-jährige Paderborner leidet unter starken Ängsten Monatelang hatte er mit starken Schmerzen zu kämpfen, Daniel S. verlor immens an Gewicht, weil er lange Zeit nur Flüssignahrung zu sich nehmen konnte. Einiges hat er überwunden, aber &bdquo;er wird diese Nacht lebenslang in sich tragen“, sagt seine Rechtsanwältin. Denn er leidet nicht nur weiterhin an Nervenschmerzen und einem Taubheitsgefühl, sondern vor allem an starken Ängsten, die ihn stets überkommen, wenn er auf fremde Menschen trifft. Andreas R. hat sich nach der Schlägerei allein davon gemacht – aber nicht, ohne sich vor der Masse noch heftig zu brüsten mit seiner Tat. Wenige Tage später wurde er gefasst. Die Ermittler, die mit der Aufklärung der Attacke beschäftigt waren, die einen 30-Jährigen in der Nacht auf den 1. Mai 2024 letztlich das Leben kostete, waren auf seine Spur gekommen. Gefährliche Körperverletzung in Paderborn: Hauptverdächtiger gefasst Bereits im Juni legte Andreas R. vor dem Jugendschöffengericht ein Geständnis ab. Die Richter verurteilten ihn zu einer anderthalbjährigen Jugendstrafe ohne Bewährung. Eine Entscheidung, gegen die die Staatsanwaltschaft wie auch die Verteidigung Berufung einlegten. Neues Strafmaß des Landgerichts Paderborn wird zur Bewährung ausgesetzt Tatsächlich findet die 5. Große Strafkammer des Landgerichts zu einer zweijährigen Jugendstrafe. Dass sie sich aber für eine Aussetzung zur Bewährung entschieden haben, begründet die Vorsitzende Richterin Nicole Klein so: Andreas R. habe sich in geschlossenen Institutionen, wie in jenem Boxcamp, in dem er als Jugendlicher lebte, oder zuletzt in der Untersuchungshaft gut geführt. &bdquo;Aber das Problem ist draußen auf der Straße.“ Dort gelinge es dem 20-Jährigen nicht, seine Impulse zu kontrollieren. Er müsse unbedingt weiterhin erzieherisch erreicht werden, so die Ansicht der Kammer. Das gelinge in Freiheit besser als in der Justizvollzugsanstalt. &bdquo;Es darf nichts mehr passieren. Sie müssen sich im wahren Leben bewähren“, sagt die Vorsitzende Richterin. Polizei zur Marienstraßen-Kriminalität: &bdquo;Haben Szene empfindlich getroffen“ Und so sind es viele Auflagen, die das Gericht an die Bewährungsstrafe knüpft. Andreas R., dem eine Bewährungshelferin zur Seite gestellt wird, muss bis zum Beginn der Abendrealschule im Januar 2026 wöchentlich zehn Sozialstunden ableisten, an einem Antiaggressionstraining teilnehmen, aber darüber hinaus mit einer auf Gewalttäter spezialisierten Beratungsstelle Kontakt aufnehmen, um mit deren Hilfe gegen seine Probleme anzugehen. Zudem wird der 20-Jährige seinem Opfer ein Schmerzensgeld zahlen müssen, denn die Kammer hat Daniel S. einen solchen Anspruch im sogenannten Adhäsionsverfahren zugesprochen. Wie jene Männer heißen, die den Studenten und seine Freunde schwer misshandelten, hat er bislang für sich behalten. 📲 News direkt aufs Smartphone? Hier gehts zum kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Paderborn

Meistgelesen