Wie ein Memory-Spiel: So sieht das Mahnmal zu sexuellem Missbrauch im Paderborner Dom aus

Paderborn. Es ist ein bisschen wie Memory: Christoph Brechs Siegerentwurf für das Denk- und Mahnmal zu sexuellem Missbrauch hat im Herzen einen Tisch mit 25 Feldern, die jedoch nicht einfach umgedreht werden, sondern zur Auseinandersetzung auffordern. Wer sie wendet, macht dies mit dem Willen zur Interaktion und sich an Menschen zu erinnern, die sexuelle Gewalt erlebt haben. Denn die Motive werden von Betroffenen themenbezogen und aktualisierbar mit Texten und Zeichnungen gestaltet. Mit dem Kunstwerk soll das Leid aller Betroffenen sichtbar einen Platz im Bereich des Paderborner Doms erhalten. &bdquo;Der Prozess der Aufarbeitung ist nicht abgeschlossen“, sagt Brech, von dem schon mehrfach Arbeiten in Paderborn und hier besonders im Diözesanmuseum zu sehen waren. Deshalb können die Tafeln in einem festen Rhythmus oder bei Bedarf neu gestaltet werden. Der Münchner Künstler entwickelt dabei den Raum der Brigidenkapelle im Dom. Dies wurde bei der Präsentation bekanntgegeben. Neben dem 2-mal-2-Meter großen Metalltisch mit 40 mal 40 Zentimeter großen drehbaren Feldern ist ein krähender Hahn auf den drei Fenstern an der Ostseite der zweite Teil von Brechs Entwurf. Auf der Wand steht der sogenannte Hahnenhymnus von Ambrosius aus dem 4. Jahrhundert. Darin ist der Hahn Mahner und erinnert mit dem Schrei daran, dass Petrus Jesus verleugnet hat. Zugleich steht der krähende Hahn für einen neuen Tag und Hoffnung. &bdquo;Es ist wichtig, dass die nicht verloren geht“, sagt Brech. Zudem sind Sitzgelegenheiten vor den drei Nischen der Südwand geplant sowie die Möglichkeit, auf dem Altar Kerzen zum Gedenken anzuzünden. Jury kürt Siegerentwurf: Paderborner Dom bekommt Mahnmal zu sexuellem Missbrauch Erzbistum Paderborn will Verantwortung übernehmen Ihm und Erzbischof Udo Markus Bentz sei es Anliegen &bdquo;als katholische Kirche von Paderborn Verantwortung zu übernehmen und Räume für Erinnerung, Dialog und Mahnung zu schaffen“, sagte Generalvikar Michael Bredeck. Den Siegerentwurf beschrieb er als eindrucksvoll. Er dankte allen Projekt-Beteiligten, die sich diesem mutigen, wegweisenden und sehr sensiblen Projekt gestellt hätten und besonders der Betroffenenvertretung im Erzbistum. Auch die Errichtung eines Mahnmals sei Teil des Prozesses - und kein Schlusspunkt. Die Auseinandersetzung mit dem Thema und die Aufarbeitung sexueller Gewalt gingen weiter. &bdquo;Wir sind dies den betroffenen Menschen schuldig, ebenso wie all jenen, die Vertrauen in ihre Kirche verloren haben. Aufarbeitung, Prävention und Intervention haben weiterhin höchste Priorität“, sagte Bredeck. Seiner Ansicht nach sei es das einzige Mahnmal dieser Art in Deutschland. Die Umsetzung des Denk- und Mahnmals werde nun mit dem Künstler weiterentwickelt, sagte Dompropst Monsignore Joachim Göbel für das Metropolitankapitel. Vor allem mit der Denkmalbehörde müsste viel geklärt werden, schließlich wird das Mahnmal auf historischem Grund stehen. Interview: Missbrauch-Betroffener: &bdquo;Wir fordern aktivere Aufarbeitung vom Erzbistum Paderborn“ Eine Jury bewertet acht Entwürfe für den Paderborner Dom Insgesamt acht Beiträge gab es im Wettbewerb für das Mahnmal. Von der Idee bis zur Siegerkürung durch eine Jury vergingen rund zwei Jahre. Der Siegerentwurf und die eingereichten Vorschläge von sieben weiteren Künstlerinnen und Künstlern sind bis zum 18. Mai im Foyer des Erzbischöflichen Diözesanmuseums präsentiert. Der Eintritt ist frei. Alle Künstler hätten sich dem Thema Missbrauch und dessen Aufarbeitung auf unterschiedliche Weise genähert, sagte Holger Kempkens, Direktor des Diözesanmuseums. Er sagte auch, dass sich auf eine erste offene Ausschreibung nur drei Künstler gemeldet hätten. Daher wurden mithilfe seines Vorgängers Christoph Stiegemann weitere Teilnehmende angesprochen. Neue Ausstellung im Diözesanmuseum Paderborn: Mittelalter trifft auf zeitgenössische Kunst Die beiden Entwürfe von Thomas Jessen aus Eslohe und Nina Koch aus Bielefeld wurden prämiert. Außerdem reichten Matthias Braun aus Würzburg, Pater Abraham Fischer OSB aus Meschede, Will Rumi aus Essen sowie Annette Voltmann aus Rietberg Vorschläge ein. Und Hermann Reichold aus Paderborn - und zwar als &bdquo;Wortkünstler“, wie Kempkens sagte. Auf einer Glasplatte steht das &bdquo;Vater unser“, vor einer zweiten Platte sind die Leuchtschriftzüge &bdquo;Dein Wille geschehe“ (in Rot) und &bdquo;Mein Wille geschehe“ (in Grün). Anstrengende Auseinandersetzung mit Missbrauch für Betroffenensprecher Reinhold Harnisch als Vorsitzender der Betroffenenvertretung im Erzbistum und Jurymitglied ist froh, dass das Mahnmal nun realisiert werde. Die Künstler hätten sich &bdquo;mit Tiefe und Intensität“ eingearbeitet. Die Juryarbeit sei zugleich eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Missbrauch. &bdquo;Viele von uns sagen: Wir haben überlebt.“ Denn manche hätten sich das Leben genommen. Harnisch sieht das Thema Missbrauch und dessen Aufarbeitung &bdquo;als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Der Siegerentwurf von Brech sei Erinnerung und Mahnung, &bdquo;kein Mahnmal, das als Abschluss des Themas interpretiert werden könnte“. Zugleich sei es eine Mahnung an andere Bistümer, in denen die Aufarbeitung sexueller Gewalt noch nicht so vorangeschritten sei. Missbrauch: Über Verfehlungen der Paderborner Bischöfe wird auch online informiert Das Mahnmal sei auch Hauptthema des Jahrestreffens der Unabhängigen Betroffenen-Vertretung im Erzbistum Paderborn am vergangenen Wochenende gewesen. Durch fünf Neuzugänge gäbe es aktuell nun 40 Mitglieder. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Missbrauch sei &bdquo;ein anstrengender Weg und kann retraumatisierend sein“, sagte Harnisch. Bei 200 bekannten Fällen gehe die wissenschaftliche Einschätzung von dem 2,5- bis 10-Fachen aus: also 600 bis 2.000 Fällen. Harnisch habe sich auch als Erster im Ausstellungsbuch verewigt. In Abwandlung des afrikanischen Sprichworts &bdquo;Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“, schrieb er: &bdquo;Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu missbrauchen.“ Lesen Sie auch: Trendwende? Zahl der Kirchenaustritte im Kreis Paderborn geht erneut zurück

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