Opfer kann verzeihen: Urteil gegen Tankstellenräuber von Sennelager

Paderborn. Als David O. (alle Namen geändert) und Noah N. am 21. August eine Tankstelle bei Sennelager überfielen, während ihr Kumpel Armin M. auf einem nahen Feldweg hinter dem Steuer eines Autos auf sie wartete, verübten sie eine sehr schwere Straftat - auch wenn die Beute mit nicht einmal 600 Euro doch sehr klein war. Für schweren Raub sieht das Gesetz bei erwachsenen Tätern mindestens fünf Jahre Gefängnis vor. Das Trio, das kurz nach der Tat aufgrund des beherzten Eingreifens eines Zeugen geschnappt werden konnte, kam vor Gericht aber glimpflich davon - letztlich dank des Mannes, der an diesem Abend in Tankstelle seinen Dienst versehen hatte. Dabei war es alles andere als eine Lappalie, die der 23 Jahre alte Delbrücker an seinem Arbeitsplatz erlebte. Es war schon dunkel, als gegen 22.30 Uhr der gleichaltrige David O. sofort beim Betreten der Tankstelle mit seiner Schreckschusspistole in die Luft schoss und sein Spießgeselle Noah N. (20) an der Tüte Schmiere stand. Opfer zeigt großes Verständnis Sofort gab der junge Mann alles Scheingeld erst aus der Kasse und dann weitere Summen aus dem Tresor heraus - und rief, nachdem sich die Räuber davon gemacht hatten, zunächst seinen Chef und dann erst die Polizei an. Seit diesem Vorfall leidet der junge Mann an einem schweren Tinnitus, seinen Job verlor er auch. Er sei zu lange krankgeschrieben geschrieben gewesen, so mochte sein Arbeitgeber den 23-Jährigen nicht weiterbeschäftigen. Wut auf David O., der nach kurzer Flucht zu Fuß in Schloß Neuhaus festgenommen wurde, oder auf Noah N. und Armin M. (28), die ein couragierter Verfolger in einer Sander Sackgasse stellte, empfindet der junge Mann trotzdem nicht. Er könne es nachvollziehen, dass Geldsorgen zu einer solchen Tat verleiten könnten, sagte er vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Paderborn, nahm die Bitten der Angeklagten um Entschuldigung an und mochte sich auch nicht sperren, als ihm Armin M. und Noah N. nach dem ersten Verhandlungstag im Sinne eines Täter-Opfer-Ausgleichs 500 Euro Schmerzensgeld zukommen ließen. Richterin zeigt sich erstaunt Zwar wollte er mit Blick auf seine Erkrankung, anstehende Therapien und die damit möglicherweise verbundenen Kosten nicht ausschließen, demnächst Schadenersatz zu fordern, doch ein höheres Schmerzensgeld sei nicht sein Ziel. "Ich will nur nicht auf irgendwelchen Kosten hängen bleiben." Als Wiedergutmachung aber reiche ihm die bereits gezahlte Summe, sagte er. "Ich persönlich möchte damit abschließen." Für die Richter ein wichtiges Faktum. Denn das Gesetz sieht es vor, dass es sich positiv auswirken muss, wenn sich Täter aktiv um eine Wiedergutmachung bemühen, also etwa auch ohne Anordnung eines Gerichts ein Schmerzensgeld zahlen. "Sie hatten ein irres Glück bei der Auswahl Ihres Opfers", machte die Vorsitzende Richterin Nicole Klein aus ihrem Erstaunen über die Contenance des jungen Mannes keinen Hehl. "Wie leichtherzig er Ihre Entschuldigung angenommen hat", das habe die Kammer schon sehr verwundert. Einmal Erziehungsgedanke und zwei Haftstrafen Armin M., der nach Aussagen seiner Kumpel am meisten Angst gehabt und im Auto gewartet hatte, muss für dreieinhalb Jahre hinter Gitter, während gegen Noah N., der Schmiere gestanden hatte, eine zweijährige Bewährungsstrafe verhängt wurde. "Aber nur weil Jugendrecht Anwendung finden musste", wie die Richter betonten. Denn da stehe der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Genau dafür hatte sich die Jugendgerichtshilfe im Prozess stark gemacht und beschrieben, dass der 20-Jährige nun in seiner Ausbildung mächtig Gas gebe und nur noch Einser-Noten nach Hause bringe. Damit der junge Mann aber weiterhin spürt, dass Handeln stets Konsequenzen nach sich zieht, muss er 2.500 Euro in Raten an den Weißen Ring zahlen und im Rahmen eines Trainingsprogramms für junge Straftäter einen Tag in der Justizvollzugsanstalt verbringen. "Damit Sie sehen, dass das ein Ort ist, an dem sich niemand gerne aufhält", so Richterin Klein. Bedeutend heftiger sind die Folgen für David O., der sich selbst als Ideengeber und Haupttäter beschrieben hatte. Er muss für fünf Jahre und drei Monate hinter Gitter. Denn bei aller Eintracht zwischen dem verständnisvollen Opfer und den reuigen Tätern - auf einen minderschweren Fall konnten die Richter nicht erkennen. "Warum geht man hin", sagte Nicole Klein kopfschüttelnd, "und setzt für einen so geringen Betrag einen anderen Menschen solchen Schrecken aus?"

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