Lichtenau

Der Altenau bei Atteln fehlen Millionen Liter Wasser

Regelmäßig fällt der Bach bei Atteln trocken. Schuld sein sollen Millionen Liter Wasser, die im Stausee bei Husen versickern.

Wieder trocken: Wo sich sonst Fische im Bachwasser tummeln, spazieren jetzt Hühner entlang. Die Altenau bei Atteln führt kein Wasser mehr. | © Uwe Müller

Uwe Müller
24.07.2019 | 25.07.2019, 13:01

Lichtenau-Atteln/Husen. Die Altenau soll leben – das fordern viele Menschen im Altenautal. Aber dazu braucht der Bach Wasser und das war in den letzten 30 Jahren das Problem. In den beiden Staugewässern bei Husen (Vor- und Hauptstau) versickerte so viel Wasser, dass im Sommer die Altenau jährlich trockenfiel. Jetzt ist es wieder soweit – bei Atteln ist die Altenau ausgetrocknet, Fische und Wasserinsekten verenden.

Über die Staumauer am Vorstausee läuft nicht wie geplant Wasser zur Altenau ab. - © Uwe Müller
Über die Staumauer am Vorstausee läuft nicht wie geplant Wasser zur Altenau ab. | © Uwe Müller

Der Hauptstau wurde dann 2014 abgelassen. Um den Forderungen einiger Husener nachzukommen, wurde ein kleinerer Ersatzstausee errichtet – vor allem für die Hobbyangler. Damit dieser Ersatzsee überhaupt Wasser hat, wird ständig Wasser aus der Altenau ab- und dem See zugeleitet. Das große Problem: das Wasser fließt die meiste Zeit des Jahres in den See, aber nicht mehr hinaus, weil es versickert – und fehlt damit der Altenau flussabwärts. „Dieser Ersatzsee war damals ein politischer Kompromiss, kein fachlicher", sagt Ulrich Eichelmann.

Der in Atteln aufgewachsene und seit 30 Jahren in Wien lebende Eichelmann fordert, die Ableitungen von der Altenau, die im Zuge des Umbaus der Staubecken bei Husen errichtet wurden, zu schließen. Geschieht das nicht, wird der Bachlauf bei Atteln weiterhin jedes Jahr trockenlaufen. Da ist sich der Naturschützer sicher. Um seine Forderungen durchzusetzen, hat er einen Antrag an die Bezirksregierung Detmold geschickt. Er weist in seinem Antrag auf Planungsfehler hin.

Mit dem Ablassen des Sees im September 2014 begann der Wasserverbandes Obere-Lippe (WOL) mit den Umgestaltungsarbeiten. Der Ersatzsee entstand. Es gebe von Natur aus kein stehendes Gewässer auf Karstboden (klüftiger Kalkstein), deshalb könne es auch keine Gesundung der Altenau gegen die Natur geben, so Eichelmann, „es wurden Fehler gemacht, aber aus Fehlern sollte man lernen."

Fehlplanung auf Kosten der Natur

Ulrich Eichelmann am Zuflussrohr zum Ersatzsee bei Husen - © Uwe Müller
Ulrich Eichelmann am Zuflussrohr zum Ersatzsee bei Husen | © Uwe Müller

Am Ende ist er überzeugt, wird es mit der jetzigen Regelung nur Verlierer geben: die Altenau, weil ihr Wasser entzogen wird und sie weiterhin trocken fällt, und auch die Angler im Ersatzsee, weil der im Sommer ebenfalls austrocknen wird und die Fische sowie Wasserinsekten verenden werden. Ein dritter Verlierer sind die Steuerzahler, die diese teure Maßnahme finanziert haben.

Bei den Planungen sei man davon ausgegangen, dass nur sehr wenig Wasser im Ersatzsee versickere und ähnlich viel Wasser aus dem See wieder in die Altenau zurückfließe. „Dem ist aber nicht so. Es fließen ständig sieben bis zehn Liter Wasser pro Sekunde in den See und nichts wieder zurück in die Altenau. Das versickert im Karstboden", sagt der Ökologe und spricht von enormer Wasserverschwendung.

Auch das Vorstaubecken funktioniert nicht so wie geplant. Auch hier versickert so viel Wasser, dass der Wasserstand nicht gehalten werden konnte. Daher leitet der Wasserverband vermehrt Altenauwasser in den See. „Dieser Wasserverlust im Vorstau addiert sich zu dem Verlust im Ersatzsee, so dass der Altenau im Sommer 10 bis 15 Prozent ihres Wassers künstlich entnommen wird", rechnet Eichelmann vor.

Bis zu 140 Tage kein Wasser für den See

Die Bezirksregierung hat auf Eichelmanns Anfrage reagiert. Bereits seit Beginn der Umbaumaßnahmen habe der WOL umfangreiche Daten zu Wasser- und Abflussstände erfasst. Seit Juni 2016 werde wöchentlich der Zustand der Altenau an acht Beobachtungspunkten von Atteln bis Henglarn dokumentiert. Bei der Auswertung kam heraus, dass sich die Zeiträume und die Dauer des Trockenfallens in den vergangenen zwei Jahren ähneln. Nun soll mit Hilfe einer Schwelle die Ableitung an den Piepensee bei Niedrigwasser unterbunden werden. Das könne zur Folge haben, dass an 120 bis 140 Tagen im Jahr kein Altenauwasser in den See fließe, so die Bezirksregierung.

Noch leben sie: Kleine Elritzen hat Eichelmann aus einer Pfütze der Altenau geholt. - © Uwe Müller
Noch leben sie: Kleine Elritzen hat Eichelmann aus einer Pfütze der Altenau geholt. | © Uwe Müller

Dieses Vorgehen wurde im Arbeitskreis Altenau am 1. Juli vorgestellt und auch abgesegnet. Es soll eine einjährige Testphase erfolgen. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, meint Eichelmann. Aber das reicht nicht, fürchtet Eichelmann, denn wenn man an den restlichen 240 Tagen im Jahr der Altenau Wasser entzieht, kann das zu einem generellen Absinken des Grundwasserspiegels im Bereich Husen und Atteln führen und damit zu einem rascheren Austrocknen der Altenau. In dem Zeitraum werden der Altenau etwa 250 Millionen Liter Wasser künstlich entnommen und die fehlen weiter unten.

Keine Durchgängigkeit ohne Wasser

Zudem meint die Bezirksregierung, dass eingehende Untersuchungen den Nachweis erbracht haben, dass die Altenau im Bereich Husen und Dalheim nach Umsetzung der Maßnahme vollständig ökologisch durchgängig sei und damit das wichtigste Projektziel erreicht sei. Die Fische könnten nun unbehindert zum Laichen stromaufwärts Richtung Quelle ziehen. „Die Durchgängigkeit war natürlich ein wichtiges Ziel, aber nicht das wichtigste. Wir sind natürlich froh darüber, dass die Fische wieder wandern können, aber was nutzt das, wenn vier Kilometer weiter flussab die Altenau trocken fällt? Da kommen die Fische dann auch nicht mehr weiter", kontert Eichelmann, der aber auch viel Lob für die Renaturierungsmaßnahmen des Wasserverbandes verteilt, aber eben nicht für die angelegten Seen.

Er sieht dadurch auch die Ziele des Altenau-Memorandums gefährdet. „Eine künstliche und zudem sehr teure Versickerungsfläche kann für keine Seite akzeptabel sein. Sie schädigt zudem die Qualität der flussabwärts liegenden Renaturierungen", meint der Attelner und fügt an: „Besonders in Zeiten der Klimaerhitzung müssen wir Wasser sparen. Die Ableitung in künstliche Teiche ist eine Wasserverschwendung, die wir unbedingt stoppen sollten. Man stelle sich nur vor, dass wir die 250 Millionen Liter für die Teichbewässerung aus der öffentlichen Wasserleitung entnehmen würden."

INFORMATION


Die Historie der Altenau

Nach dem Hochwasser 1965 wurde die Altenau zunächst begradigt. Sie glich von Husen bis zur Mündung in die Alme vielfach eher einem Kanal als einem Fluss. Als dann Mitte der 1980er Jahre die Altenau dann auch noch oberhalb von Husen gestaut wurde, war es aus mit dem Bach. Ab 1990 trocknete die Altenau jeden Sommer aus. 2001 verfassten Bürger des Altenautals unter Federführung des Heimatvereins Atteln das Memorandum „Die Altenau soll leben". Fast zeitgleich trat die Europäische Wasserrahmenrichtlinie in Kraft. Diese forderte den guten Zustand und die ökologische Durchgängigkeit für alle Gewässer. Anschließend wurde die Altenau unter der Leitung des Wasserverbandes für das Obere Lippegebiet (WOL) in vielen Abschnitten renaturiert.

Die Gesamtinvestitionen zur Renaturierung der Altenau liegen bei rund vier Millionen Euro. Da die Altenau sich wieder wie ein Fluss bewegt, kann sie auch Sand und Kies mit sich führen und für den Lebensraum Fluss die so notwendigen naturnahen Strukturen ausbilden. Doch die künstlichen Ableitungen in die Stauseen führen dazu, dass diese Investition nur halb so wertvoll sind, weil durch die renaturierten Strecken weniger Wasser fließt, als normalerweise. „Das ist nicht nur ein ökologisches Problem, sondern auch Steuerverschwendung in hohem Maß", so Ulrich Eichelmann.