60 Jahre nach der Heinrichsflut: Der Kreis Paderborn setzt auf Renaturierung

Kreis Paderborn. Es war die größte Naturkatastrophe im Kreis Paderborn: die Heinrichsflut. Im Juli 1965 starben im Kreis Paderborn 16 Menschen, allein in Etteln sechs – darunter eine Oma mit ihren vier kleinen Enkeln. Zudem wurden viele Häuser, Brücken und Straßen zerstört. Damit sich eine solche verheerende Katastrophe nicht wiederholt, wurde sechs Jahre später der Wasserverband Obere Lippe (WOL) gegründet – von den damaligen Kreisen Büren, Paderborn und Lippstadt. Seitdem ist sehr viel getan worden. Rund 80 Millionen Euro wurden in den vergangenen 54 Jahren investiert in Hochwasserrückhaltebecken und die Renaturierung von Gewässern. Die Arbeit des WOL ist aber noch lange nicht beendet, wie Geschäftsführer Volker Karthaus nun – 60 Jahre nach der Heinrichsflut – erklärte. &bdquo;Wir haben bisher 66 Renaturierungsprojekte umgesetzt, sind aktuell an etwa 35 bis 40 weiteren Projekten dran“, so der Diplom-Ingenieur. Wenn bis zu zwei Drittel der Bachläufe renaturiert seien, sei das große Ziel erreicht. Dann seien die Gewässer wieder ökologisch wertvoll und böten mehr Sicherheit bei Hochwasser. Lesen Sie auch: Nach der Heinrichsflut kam der einheitliche Hochwasserschutz Das erklärte Karthaus anschaulich im Quellgebiet in Borchen-Gellinghausen. Dort wurden gleich zwei Maßnahmen durchgeführt. Beide mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand (einmal 20.000 Euro, einmal 8.000), aber mit großer Wirkung. Einmal wurde die Altenau aus ihrem kanalisierten Flusslauf geholt. &bdquo;Wir haben nur grob mit dem Bagger den neuen Verlauf vorgegeben. Den Rest macht die Altenau alleine“, so Karthaus. Nun schlängelt sich der Fluss wieder, bildet dabei auch Kiesbänke und kleine Kolke, die ideale Laichplätze für Fische sind und Lebensraum für viele andere Lebewesen bieten. Überschwemmungsgebiet wird zum Lebensraum für Tiere und Pflanzen Wie gut das bereits bei Gellinghausen funktioniert sah Landrat Christoph Rüther, der auch Verbandsvorsteher des WOL ist, beim Ortstermin als er in der Altenau springende Fische entdeckte. Laut Karthaus fühlen sich vor allem Eschen, Forellen, Schmerlen oder Bachneunaugen dort wohl. Und durch den nun kurvenreichen Verlauf der Altenau reduziert sich die Fließgeschwindigkeit, was auch dem Hochwasserschutz dient. Nur 50 Meter von der Altenau entfernt ist ein weiteres Biotop entstanden. Wo früher der Quellbach in einem Kanal geleitet wurde und so die dortige Wassermühle betrieb, ist nun ein 30 bis 40 Meter breites und rund drei Hektar großes Feuchtgebiet, das sich nach und nach zu einem Auenwald entwickeln wird und zudem als Überschwemmungsgebiet Hochwasser großflächig aufnehmen kann. Auch interessant: Gedenken an &bdquo;Heinrichsflut“ vor 50 Jahren in Etteln &bdquo;Wir haben den Damm des alten Mühlengrabens an mehreren Stellen geöffnet, sodass das Quellwasser wieder in die Wiese laufen kann. Und wir haben bewusst nichts gepflanzt, das macht die Natur von ganz alleine. Hier werden viele Pflanzen sowie Erlen und Birken wachsen“, erklärt der WOL-Geschäftsführer. Flächenerwerb ist das größte Problem des WOL Zudem tummeln sich im Biotop Amphibien und auch Libellen oder Watvögel profitieren davon. Darüber hinaus seien die großen Überschwemmungsgebiete gut für die Grundwasserneubildung, da das Wasser dort langsamer versickern könne. &bdquo;Von 2018 bis 2020 hatten wir so wenig Niederschlag, dass selbst Bachabschnitte, die immer Wasser geführt haben, trocken gefallen sind. Letztes Jahr hatten wir das andere Extrem, sehr viel Niederschlag. Aber wir konnten das Wasser auf großen Flächen lange in der Landschaft halten“, beschreibt Volker Karthaus, wie wichtig die Überflutungsgebiete sind. Doch es sei nicht immer leicht, an sie heranzukommen. &bdquo;Manchmal stellen sich die Eigentümer etwas quer und es dauert, bis wir Flächen ankaufen können.“ Die Maßnahmen hingegen seien oft schnell gemacht und Fördergelder zu bekommen, sei nie ein großes Problem gewesen. Als der WOL 1971 gegründet wurde, sei man schon sehr weitsichtig gewesen, lobte Landrat Rüther. Mittlerweile habe sich der Hochwasserschutz extrem weiterentwickelt und gehe einher mit dem Arten- und Naturschutz. &bdquo;Es ist alles für den Schutz der Menschen und der Infrastruktur gemacht worden und die Renaturierungsmaßnahmen der Gewässer sind sehr wichtig für den guten ökologischen Zustand“, so Rüther. Beide Themen sind die satzungsgemäßen Aufgaben des Verbandes, dessen Mitglieder heute die Kreise Paderborn (75 Prozent) und Soest (25 Prozent) sind. Das Verbandsgebiet hat eine Größe von 1.890 Quadratkilometer und umfasst die oberen Einzugsgebiete von Lippe und Ems. Die Alme wird bald durchgängig bis zur Lippe sein Durch den verbesserten Hochwasserschutz habe der WOL rund 2.700 Häuser sichern können und auch viele Gebiete wieder nutzbar gemacht, wie Henrik Egeler, WOL-Vorstandsmitglied und Technischer Dezernent der Kreisverwaltung, ergänzte. Zudem lobte Rüther die gute Zusammenarbeit des WOL mit dem Kreis Paderborn, mit der Bezirksregierung und den Kommunen. Aber es gibt noch viel zu tun in den kommenden Jahren, auch um die EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erfüllen. Bis 2027 sollen alle EU-Länder alle Gewässer in einen guten ökologischen und guten chemischen Zustand gebracht haben. &bdquo;Das schaffen wir nicht und auch die anderen Länder nicht, daher wird die Frist wohl verlängert“, erklärt Karthaus. Die Altenau könnte in drei bis vier Jahren schon von allen Wehren befreit und durchgängig bis an die Kreisgrenze sein, die Alme könnte schon bald an die Lippe angeschlossen werden. &bdquo;Dafür müssen wir nur noch ein Wehr entfernen“, sagte Volker Karthaus.

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