Heinrichsflut vor 60 Jahren: Als Paderborn in Wassermassen versank

Paderborn. Schon das Frühjahr des Jahres 1965 war ausgesprochen nass. Die Böden sind längst gesättigt, als über das Paderborner Land Mitte Juli eine verhängnisvolle Wetterlage zieht. Ein extremer Starkregen kommt herunter, in der Stadt Paderborn fallen innerhalb von nur 24 Stunden mehr als 136 Liter Niederschlag auf einem Quadratmeter – mehr als normalerweise in einem ganzen Monat. Die Folgen sind verheerend: Paderborn erlebt eine Naturkatastrophe. Rückblick auf die sogenannte Heinrichsflut vor genau 60 Jahren. Am Donnerstag, dem 15. Juli, und auch tags drauf schüttet es so sehr, dass am Freitagmittag beispielsweise ein Schulhof bis zu 30 Zentimeter unter Wasser steht. Vorboten dessen, was an dem katastrophalen 16. Juli 1965 noch passieren wird. Die Flüsse Altenau, Alme und Lippe sind bereits überfüllt; die Flutwelle erreicht am frühen Nachmittag Paderborn. &bdquo;Innerhalb weniger Minuten stand die gesamte östliche Innenstadt unter Wasser“, erinnert das Buch &bdquo;Paderborn im Spiegel der Zeit“ an den Tag. Der Hauptstrom flutet zunächst durch die Driburger Straße und das Gierstor, dann in die schmale Straße Giersmauer zum Detmolder Tor. Die braunen Wassermassen nehmen das Ükernviertel und die Straßenzüge rund um die Paderquellen ein. Der Maspernplatz wird zu einem See, Pkw in der Innenstadt schwimmen auf dem Wasser. Sandsäcke an der Busdorfschule werden von den Fluten, die aus Richtung Krumme Grund kommen, weggerissen. Die Telefonverbindungen in der Stadt werden zum größten Teil zerstört. Schloß Neuhaus ist besonders von der Heinrichsflut bedroht Das Wasser bahnt sich weiter seinen Weg. Besonders bedroht ist Schloß Neuhaus, wo sich Lippe, Pader und Alme vereinigen. Nach einer ersten Flutwelle, die über die Lippe und Alme aus höher gelegenen Regengebieten kommt, rollt eine zweite Welle über die Pader aus Paderborn an. Die Alme etwa schwillt auf 300 Metern Breite an. Um 17.30 Uhr am 16. Juli stehen sämtliche Straße im Ortskern von Schloß Neuhaus unter Wasser. Kurz darauf werden die Menschen in Flussnähe aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen und Notquartiere aufzusuchen, wie Archivar Wilhelm Grabe in der Heimatzeitschrift &bdquo;Die Warte“ berichtet. Mehr zur Heinrichsflut vor 60 Jahren: Zeitzeuge erinnert sich an Tragödie in Etteln Um 22 Uhr ist die Brücke über die Lippe nicht mehr passierbar – Schloß Neuhaus ist vom Wasser eingeschlossen. Schwimmpanzer, Schlauch- und Rettungsboote kommen zum Einsatz. Im Ortskern steigt das Wasser bis zu 1,80 Meter hoch, in den Benteler-Werken sogar auf zwei Meter. Durch den Rückstau der Alme an der Almebrücke werden auch die Wassermassen von Lippe und Pader zurückgehalten. Als überlegt wird, die Brücke deshalb zu sprengen, bricht sie gegen 4 Uhr in der Frühe von selbst zusammen. Einer der Hauptverbindungswege wird zerstört. Das Hochwasser in Neuhaus fordert zwei Menschenleben: Ein 7-Jähriger stirbt in der Nähe der Almebrücke, ein 39-Jähriger in seinem Keller. Die Hochwasser-Schäden in Paderborn sind immens Ab jetzt drängen die Wassermassen Richtung Sande. Der Ort wird innerhalb eines Tages zu einer stellenweise Kilometer breiten Seenplatte, berichten Vinzenz Heggen und Johannes Hubert Rothenberg in dem Buch &bdquo;Sande – Von der bäuerlichen Streusiedlung zum modernen Vorort der Großstadt Paderborn“. Im Laufe des Wochenendes wird der Katastrophenalarm im Kreis Paderborn aufgehoben. Die Schäden sind immens und zeigen sich erst richtig, als das Wasser abfließt. Angeschwemmte Holzstämme sowie zahlreiche ertrunkene Kühe, Rinder und Schweine liegen auf Feldern und Wiesen. Weil Seuchengefahr besteht, erfolgt die Trinkwasserversorgung zunächst über Tankwagen. Pioniere der Bundeswehr ersetzen eine zerstörte Brücke in Schloß Neuhaus durch eine Bailey-Behelfsbrücke. Lesen Sie auch: Kreis Paderborn setzt nach Heinrichsflut auf Renaturierung Die Aufräumarbeiten dauern einige Zeit. Auswirkungen hat die Heinrichsflut, die auch über Paderborn hinaus – unter anderem war Etteln stark betroffen – für Zerstörungen sorgte, bis heute. Damit sich solch eine verheerende Katastrophe nicht wiederholt, wurde 1971 der Wasserverband Obere Lippe (WOL) gegründet. Seitdem wurden rund 80 Millionen Euro in Hochwasserrückhaltebecken und die Renaturierung von Gewässern investiert.

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