Gnadenhochzeit in Delbrück: Nach 70 Jahren immer noch verliebt

Delbrück-Westenholz. Als Anton Lübbers aus Westenholz den Richtspruch auf der Remise eines Kottens im sauerländischen Dorf Frielinghausen verkündete, war die junge Adelheid Hengesbach aus der Nachbarschaft beeindruckt von dem jungen Zimmermann. Drei Jahre später, am 10. November 1955, gaben sie sich das Ja-Wort. &bdquo;Es hat sofort gefunkt“, schauen sie sich nach 70 Jahren Ehe noch immer verliebt in die Augen. Im Gespräch mit der NW erzählen sie von ihrem gemeinsamen Lebensweg bis hin zur Gnadenhochzeit. Die 92-jährige Seniorin und ihr gleichaltriger Mann sind geistig sehr rege. Dankbar blicken sie auf die Feier ihrer Gnadenhochzeit zurück, die sie im engen Familienkreis mit ihren beiden Töchtern, den Schwiegersöhnen, vier Enkelkindern und zwei Urenkelkindern feierten. Die Ehejubilare leben in der Hausgemeinschaft mit ihrer Tochter Ingrid und Schwiegersohn Heinz Bremhorst. Bei der liebevollen Rundum-Pflege ihrer Eltern kann die Tochter auf ihren Mann, ihren Sohn und die Schwiegertochter bauen. Um die vier zu entlasten, übernehmen zudem Ingrids Schwester Monika und ihre Tochter Sabrina regelmäßig Betreuungszeiten. Verluste musste der junge Anton Lübbers schon früh hinnehmen. Zwei seiner Brüder starben während und einer an den Folgen des Zweiten Weltkriegs. Sein Vater war zweimal verheiratet, weil die erste Frau bei der vierten Geburt im Kindbett starb. Die zweite Frau bekam fünf Kinder, von denen zwei früh starben. Adelheid Lübbers wuchs mit drei Geschwistern auf und ging in der Schmallenberger Strumpffabrik Falke als Näherin in die Lehre. Anton Lübbers erlernte das Zimmermannshandwerk. Mit einer 100er Adler ging es jedes Wochenende ins Sauerland Er erzählt, wie es zu dem Arbeitseinsatz im Sauerland kam, bei dem er seine spätere Frau kennenlernte. Der Westenholzer Möbelfabrikant Phillipp Peitz, in dessen Betrieb damals auch Munitionskisten gebaut wurden, interessierte sich für einen Kotten mit 380 Morgen Land in Frielinghausen. Den Kauf musste der Tischler über seinen Bruder Martin Peitz abwickeln, da nur Landwirte solche Anwesen erwerben durften. Der Lehrling Anton Lübbers gehörte zu einer zehnköpfigen Handwerkergruppe, die auf dem neu erworbenen Anwesen eine Remise zimmerte. Abends wurde Richtfest gefeiert. Der Ehejubilar lächelt: &bdquo;Eigentlich durfte ich nicht tanzen. Mein Bruder war vor einigen Wochen gestorben und damals galt eine einjährige Trauerzeit. Aber ich musste mir die Adelheid zum Tanzen holen. Mein Vater Franz hat mich beruhigt, das sei schon in Ordnung gewesen.“ Nach seiner Gesellenprüfung kaufte er sich eine 100er Adler und machte sich nun an jedem Wochenende mit dem Motorrad auf den 72 Kilometer langen Weg über den Stimmstamm. Sie seien abends in der &bdquo;Samba-Höhle“ im benachbarten Eslohe gewesen, erinnern sich beide an ihre fröhliche Kennenlernzeit. Dann zog Adelheid Lübbers in die Nähe ihres Auserwählten. Sie fing als Küchenhilfe in der Gaststätte Fernhomberg in Lippstadt an. Dort war sie die Heidi, die überall mit anpackte. Der Kartoffelsalat aus dem Hause Fernhomberg genießt noch heute Kultstatus in der Familie Lübbers. Nach einem Jahr zog Adelheid nach Schöning zur Schwester von Anton Lübbers. Sie führte der Familie eines Studienrats den Haushalt. Später arbeitete sie als Näherin bei Eos-Moden in Rietberg. Standesamtlich heirateten sie am 31. August 1955. Das hatte einen Grund. &bdquo;Bis zu diesem Datum galt eine Regelung des Landrats. Wir bekamen für das Jahr eine hohe Lohnsteuersumme erstattet“, erklären die Eheleute. Am 10. November fand nach ihrer Trauung in der Schöninger Kirche eine kleine Feier statt. Im Jahr 1956 wurde Tochter Monika geboren. Anton Lübbers bekam als Erbteil neben dem elterlichen Hof am Köttmers Kamp das damals noch bewaldete 5.000 Quadratmeter große Grundstück, auf dem er mit viel Eigenleistung das Haus errichtete. Anton Lübbers war als versierter Handwerker gefragt Das Paar mietete zwei Zimmer beim Nachbarn Anton Sandmeyer, um näher an der Baustelle zu wohnen. Adelheid machte sich jeden Tag mit dem Bollerwagen auf den rumpeligen Weg, um den Männern das Essen zu bringen. Im Jahr 1961 zogen sie ein, zwei Jahre später kam Tochter Ingrid zur Welt. Anton Lübbers arbeitete ab dem Jahr 1960 bis zu seiner Rente als Betriebszimmermann beim ehemaligen Möbelhersteller Driftmeier in Mastholte. In der Zimmerei von Josef Rübbelke war er danach weiterhin als versierter Handwerker gefragt. Das junge Ehepaar erledigte alle Wege zu Fuß, auf dem Fahrrad oder auf dem Motorrad. Erst im Jahr 1969 stand der erste Opel Kadett vor der Tür. Zum Einkaufen ging seine Frau in die kleinen Außenbezirksläden von Simons Ferdi und Ewers &bdquo;Hickel“. Als Hilfe bei Landwirten in der Nachbarschaft verdiente sie dazu. In der Freizeit nahm sie an den örtlichen Aktivitäten der Frauengemeinschaft teil. Zu Hause hatten die beiden bis zu 100 Gänse, einige Schweine, Hühner und Tauben. Obst und Gemüse aus dem Garten wurden in großen Mengen verarbeitet und eingekocht. Nach dem Schlachten gab es das traditionelle, westfälische Möpkenbrot. Das Gnadenpaar findet Kraft im katholischen Glauben. Besuche in der Westenholzer Kirche sind für die beiden zu beschwerlich geworden. Jeden Mittwoch und Samstag verfolgen sie daher die Gottesdienste im Fernsehen. Täglich vor dem Einschlafen nimmt sich Adelheid Lübbers viel Zeit für ihr Gebet, in das sie ihren Mann und alle ihre Lieben einschließt.

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