Kreis Paderborn

Mit Konzept gegen Hochwasserkatastrophen im Kreis Paderborn

Der Wasserverband Obere Lippe entstand als Reaktion auf die Heinrichsflut 1965. Seine Fachleute arbeiten dafür, dass derartige Ereignisse nicht mehr solch verheerende Wirkung haben. Der Verband wird 50.

Am Hochwasserrückhaltebecken Sudheim, südlich von Lichtenau, stellt der Wasserverband die erste von 14 Info-Tafel auf. | © Kreis Paderborn

09.04.2021 | 09.04.2021, 05:00

Kreis Paderborn. Manchmal erreichen den Wasserverband Obere Lippe (WOL) Bürgeranfragen, was denn der „alte, ungenutzte" Damm am Fluss soll. „Das zeigt doch, dass wir unsere Aufgabe gut machen", lacht Volker Karthaus, Geschäftsführer des WOL. Denn die 14 Hochwasserrückhaltebecken des WOL sind keineswegs ungenutzt, sondern schützen im Ernstfall vor Hochwasser. Früher waren zahlreiche Orte im Kreis durch Hochwässer bedroht. Heute wird der Wasserabfluss durch die Hochwasserrückhaltebecken so deutlich gedämpft, dass die Bevölkerung die Bedrohung durch ein solches Naturereignis fast vergessen hat. In diesem Jahr begeht der Wasserverband ziemlich trocken seinen 50. Geburtstag.

Was heute ein Grund zum Feiern ist, entstand nach Mitteilung des Kreises einst aus einem traurigen Anlass: Am 16. und 17. Juli 1965 fielen im oberen Lippegebiet, wie in ganz Ostwestfalen, Nordhessen und Südniedersachsen bis dahin nicht gemessene Niederschlagsmengen und verursachten ein Katastrophenhochwasser, wie es nur alle 500 Jahre vorkommt. Noch heute ist es in der Region als Heinrichsflut bekannt. Es schüttete wie aus Kübeln, aus kleinen Bächen wurden reißende Ströme, Ortschaften versanken in trüben Fluten. Allein am 17. Juli 1965 gingen 130 Millimeter Niederschlag in Paderborn nieder. Neben verheerenden Schäden an privaten und öffentlichen Anlagen, die später auf 71 Millionen D-Mark taxiert wurden, waren elf Tote zu beklagen. Nach der Heinrichsflut wurde 1971 auf Initiative der Bezirksregierung der Wasserverband Obere Lippe gegründet, dem heute die Kreise Paderborn und Soest angehören.

„Der Grundgedanke des Wasserverbands war damals etwas ganz Neues. Die Gründer orientierten sich nicht an Kreis- und Gemeindegrenzen, sondern an den Läufen der Flüsse", erklärt Landrat Christoph Rüther (CDU). „Wollen wir Mensch und Eigentum wirksam schützen, können wir das nur gemeinsam erreichen. Dies galt damals genauso wie heute."

Pegel werden automatisch gemessen

Die Übersichtskarte des Verbandsgebietes des WOL zeigt die Hochwasserrückhaltebecken. - © Kreis Paderborn
Die Übersichtskarte des Verbandsgebietes des WOL zeigt die Hochwasserrückhaltebecken. | © Kreis Paderborn

Die erste Aufgabe des WOL war der Bau von 14 Hochwasserrückhaltebecken (HRB). Im Jubiläumsjahr 2021 werden an diesen verbandseigenen Becken Info-Tafeln zur Funktionsweisen aufgestellt. Die Becken sind mit technischen Pegelmessern ausgestattet, die im Fall eines Hochwassers Daten an die WOL-Zentrale in Büren liefern. Hier laufen nicht nur die Daten der verbandseigenen Becken ein, sondern auch von anderen Becken und Messstationen. Sie haben laut Verband ein Rückhaltevolumen von rund 20 Millionen Kubikmeter und werden im Verbund gesteuert. Dadurch haben sie eine überregionale Wirkung, die bis nach Lippstadt reicht. „Im Falle eines Hochwassers leisten die 14 Mitarbeiter hochkonzentrierte Arbeit. Jede Anpassung des Wasserpegels in einem Becken hat später am unteren Lauf des Flusses Auswirkungen. Sie müssen den Zeitverzug und die örtlich unterschiedlichen Regenfälle in die Berechnung einbeziehen", erklärt Betriebsleiter Martin Lehmann. Jeder Mitarbeitende sei sich bewusst, dass von seinen Entscheidungen auch Menschenleben abhängen können, ergänzt Karthaus.

Nach und nach wandelten sich die Aufgaben des WOL im Laufe von 50 Jahren. „Seit Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie vor über 20 Jahren betreiben wir nicht nur Hochwasserschutz, sondern auch Renaturierungsprojekte", sagt Volker Karthaus. Durch Maßnahmen würden die Bach- und Flussauen wieder häufiger überschwemmt und Wasser in der Fläche zurückgehalten. Hier seien Überschwemmungen gewünscht, denn so verbleibe das Wasser in der Landschaft und biete Tieren und Pflanzen neue Lebensräume. „Bei den Projekten legen wir zum Beispiel auch durch Rohre kanalisierte Quellen und Drainagen wieder offen und vernässen dadurch unsere Flächen. So können wir das Austrocknen der Gebiete durch ausbleibende Regenfälle deutlich verlangsamen", so Karthaus.

Die Info-Tafel am Lichtenauier Hochwasserrückhaltebecken Sudheim gibt Erläuterungen. - © Kreis Paderborn
Die Info-Tafel am Lichtenauier Hochwasserrückhaltebecken Sudheim gibt Erläuterungen. | © Kreis Paderborn

Als weitere Aufgabe ist der WOL für die Unterhaltung von 60 Bächen und Flüssen mit einer Gesamtlänge von rund 500 Kilometern zuständig. Dazu gehören Kontrolle und Unterhaltungsarbeiten (Mahd etc.) der Gewässer. Ein Schwerpunkt liege auf der Gewährleistung des Hochwasserabflusses in den Ortslagen. „Die Natur lässt sich nichts vorschreiben. Hochwasser werden, wie zuletzt im Mai 2019, auch bei uns auftreten. Wir sind heute jedoch besser daraufvorbereitet als vor 50 Jahren. Alle Aufgaben des WOL, egal ob Hochwasserschutz oder Renaturierung, dienen dem Schutz der Menschen und unserer Natur", betont Landrat Rüther.

Zur Feier des Jubiläums hatte der WOL ein Programm mit kostenlosen Exkursionen geplant. „Sobald die Corona-Lage es zulässt, werden wir dies nachholen", verspricht Geschäftsführer Karthaus.