Youtuber erklärt, wie er in Büren tonnenweise Krankenakten fand

Büren. Am Tag danach spricht der Mann, der in Büren den Skandal (O-Ton Bürgermeister Burkhard Schwuchow) aufgedeckt hat. Der Youtuber "ItsMarvin" aus Gladbeck hatte am späten Freitagabend ein Video ins Internet gestellt, auf dem zu sehen ist, dass im verlassenen Bürener St.-Nikolaus-Hospital jede Menge Patientenakten praktisch frei zugänglich waren. Das Entsetzen in der Stadt und bei der Stadtverwaltung ist groß (nw.de berichtete exklusiv), die Polizei leitete ein Strafverfahren gegen den Youtuber aus Gladbeck ein, doch der setzt sich im Gespräch mit der Neuen Westfälischen nun zur Wehr. Der Besitzer der Kliniken, die Hamburger Marseille-Gruppe hält sich zurück. "Ich bin Ende April von einer Anwohnerin in Büren kontaktiert worden, weil sie meine Videos über verlassene Orte kannte. Sie hatte bei Spaziergängen mitbekommen, dass das Gebäude offen war und dort wohl Patientenakten frei herum lägen. Sie ärgerte sich, dass sich niemand verantwortlich fühlte", sagt der Filmer im Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Als er mit seinen Begleitern Mitte Mai vor Ort gewesen sei, sei die Tür unverschlossen gewesen und der Weg zu den Akten im Inneren des Gebäudes stand offen. "Wir haben nur 25 Sekunden gebraucht und hatten die Papiere in der Hand", sagt der Angestellte einer Werbeagentur, der nach eigenen Angaben schon mehr als 450 Videos über "vergessene Orte" (engl. lost places) gedreht hat. Gewissensbisse, dass er verbotenerweise eingestiegen ist, hat der Social-Media-Mann nicht: "Es ist ja nichts passiert, aber wir konnten einen Stein ins Rollen bringen." Es sei nicht sein Ansinnen, Leute zu animieren, ebenfalls ins Gebäude einzusteigen. Der Strafanzeige sieht er nun entspannt entgegen. Den offensichtlichen Hausfriedensbruch habe er für einen guten Zweck begangen. "Wir wollten mit dem Video auf einen Missstand hinweisen und schließlich hat der Besitzer des Gebäudes auch eine Verkehrssicherungspflicht. Wir konnten rein, weil er dieser nicht nachgekommen ist. Die haben sich nicht gekümmert und das ist vorsätzliches Handeln." ItsMarvin sagt, ihm liegen Informationen vor, wonach die frühere Klinik zuletzt mindestens vier Wochen lang offen gestanden habe. "So steigert sich nur noch meine Reichweite" Ganz uneigennützig dreht der Youtuber jedoch seine Filme nicht. Wenn Clips in großer Zahl auf der Internetplattform abgespielt werden, kassieren die Ersteller einen Anteil der Werbeeinnahmen. So auch ItsMarvin. Daher ist er auch über die Öffentlichkeitswirkung des Filmes erfreut: "Wenn die Geschichte weitergeht, steigert sich dadurch nur noch meine Reichweite." Der Bürgermeister hält auch am Pfingstsonntag mit seiner Empörung über die Missstände nicht hinterm Berg. Im Gespräch mit der Neuen Westfälischen nennt Rathauschef Burkhard Schwuchow, der vom Urlaub an der Ostsee nach Büren zurückkehrte, den Umgang mit den Krankenakten "einen Skandal". Verantwortlich dafür sei der letzte Besitzer, die Marseille Kliniken AG, sagt Schwuchow. Das Unternehmen des Hamburgers Ulrich Marseille hatte die Klinik von der Kirche gekauft, dann zwei Gesellschaften gegründet - eine für den Betrieb und eine für Immobilien und Besitztümer - und war mit der Betriebsgesellschaft 2010 in die Insolvenz gegangen. Der Bürgermeister sagt, ihm sei zugetragen worden, dass Marseille sich nicht in Verantwortung sehe. Die Stadt konnte die Firma direkt noch nicht erreichen. Der Bürener Bürgermeister äußerte sich auch auf Facebook: "Bei den Gesprächen in der Insolvenzphase waren die Patientenakten auch ein Thema und es war klar, dass sich der Betreiber und nicht die Stadt kümmern musste", berichtet Schwuchow aus Verhandlungen der Vergangenheit. Der Bürgermeister selbst war am Wochenende nicht in der Klinik, doch seine Mitarbeiter fanden heraus, dass es drei Aktenräume gibt. Schwuchow spricht von "tonnenweise Akten". Kurzerhand beauftragte die Stadt auf eigene Kosten eine Fensterbaufirma, um Türen sowie vor allem die Aktenzimmer mit massiven Konstruktionen zu verriegeln. "Wir hatten sogar überlegt, die Ordner abtransportieren zu lassen, um sie in Sicherheit zu bringen, doch diese Menge war auf die Schnelle nicht zu handhaben", verrät Schwuchow. Er wäre dabei auch das Risiko eingegangen, des Hausfriedensbruchs und des Diebstahls bezichtigt zu werden. Denn schließlich spielt sich der Vorfall innerhalb des Gebäudes ab, das immer noch im Besitz der Marseille-Gruppe ist, die neben dem Krankenhaus eine Senioreneinrichtung betreibt. Ebenfalls auf Kosten der klammen Stadt hat Schwuchow ein Sicherheitsunternehmen beauftragt, das große Gebäude regelmäßig zu kontrollieren. Neben der Tür, die die Youtuber nutzten, seien zuletzt auch andere Fenster und Türen gewaltsam geöffnet worden, sagt der Chef der Stadtverwaltung. Dies habe die Stadt vom Sicherheitsunternehmen erfahren, das den Komplex im Auftrag von Marseille eigentlich überwachen soll.

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