Nach 21 Jahren ist Schluss: Altenbekens Bürgermeister nimmt Abschied

Herr Wessels, vor 21 Jahren waren Sie der erste direkt gewählte sozialdemokratische Bürgermeister im Hochstift. Und Sie haben sich bis heute im Amt gehalten. Haben Sie ein Geheimrezept? Hans Jürgen Wessels: Nein, ich habe nie nach einem Rezept gearbeitet. Ich habe immer das gemacht, was ich für vernünftig hielt. Ich habe mich all die Jahre auch nicht daran orientiert, was optimal für eine Wiederwahl wäre, sondern was in der Sache meinem Gefühl entsprach. Das wahlorientierte Handeln war nie mein Ding. Es war eigentlich genau das Gegenteil von einem Rezept. Sie sind nicht nur der dienstälteste Bürgermeister im Hochstift, Sie sind auch Sprecher der Bürgermeister im Kreis Paderborn. Wie schwer fällt es Ihnen, jetzt los zu lassen? Wessels: Gar nicht schwer. Ich habe das die ganzen Jahre gerne gemacht, aber ich habe auch mit dem Wechsel kein Problem – ich kann ganz gut loslassen. Vorher war ich auch lange bei der Polizei, da hatte ich stets nach fünf, sechs Jahren etwas vollkommen Neues gemacht. Ich war in unterschiedlichen Laufbahnen und habe in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, ob als Fachlehrer, im Streifendienst oder als Leiter einer Polizeiinspektion. Sie wollten auch mal Pfarrer werden, waren dann lange bei Polizei und letztendlich 21 Jahre Bürgermeister. Nach einem geplanten Lebenslauf hört sich das nicht an. Wessels: Nein, es war überhaupt nicht geplant. In meiner Klasse bekamen alle einen Werbebrief von der Polizei, nur ich nicht. Das hat mich geärgert, da habe ich mich aus &bdquo;Protest" beworben. Eigentlich wollte ich nicht zur Polizei, aber meine anderen Berufswünsche hatten sich zerschlagen. Es hat mir bei der Polizei gut gefallen und ich habe es auch nie bereut. Und was gab den Ausschlag, in die Politik zu gehen? Wessels: Das war auch wieder ein Zufall und nicht geplant. Ich war schon lange in der SPD und in der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen aktiv, aber nicht in den Ortsvereinen. Bei einer Sitzung mit dem damaligen SPD-Kreisvorsitzenden Gerd Bauer wollten wir vieles für die anstehende Kommunalwahl besprechen und kamen irgendwann auch auf Altenbeken. Der eigentliche SPD-Kandidat war nach Berlin mitgegangen und so wurde ein neuer Bürgermeister-Kandidat gesucht. Bauer sah eine gute Chance, in Altenbeken die Wahl zu gewinnen und im Laufe des Gespräches blieb sein Blick immer mehr an mir hängen. Nach einigen Gesprächen mit dem SPD-Ortsverein habe ich hier kandidiert. Diese Chance wahrzunehmen, im Kreis Paderborn als SPD-Bürgermeister gewählt zu werden, obwohl es traditionelles CDU-Gebiet ist, hat mich gereizt. Ich bin dann gewählt worden, weil die CDU taktische Fehler gemacht hat. Wenn die sich einig gewesen wären, hätte es keinen SPD-Bürgermeister gegeben. Es sind Zufälle, die mein Leben bestimmt haben. Ich habe keine Karriere geplant, nie. Aber ich habe die Chancen am Wegesrand ergriffen! Ihre Nachfolge tritt mit Matthias Möllers ein CDU-Mann an, der sich bei der Wahl klar gegen den SPD-Kandidaten Ingo Stucke durchsetzte. Wessels: Matthias Möllers hat das fachliche Knowhow, er weiß wie eine Verwaltung von innen funktioniert, ist in vielen Gremien. Die Menschen honorieren das, wenn jemand die Arbeit, für die er sich bewirbt, auch fachlich schon kann. Das war für ihn der Riesen-Vorteil. Zudem wohnt er mit seiner Familie hier in Altenbeken, kommt sympathisch rüber, ist im besten Alter – da hat es jeder Kandidat, der von außen kommt, schwer. Zudem war die CDU auch in den Wahlbezirken wesentlich stärker aufgestellt. Ich bin aber niemand, der nur parteipolitisch denkt und Tränen vergießt, weil jetzt die falsche Partei am Ruder ist. Ich hoffe, dass sie einen guten Job machen. Ich möchte in Altenbeken leben und möchte, dass sich Altenbeken gut entwickelt. Was geben Sie Möllers mit auf den Weg? Wessels: Im Grunde drücke ich ihm die Daumen. Er weiß logischerweise schon sehr viel über das, was auf ihn zukommt. Wenn er Fragen an mich hat, stehe ich selbstverständlich zur Verfügung. Nächste Woche haben wir uns zur Übergabe verabredet. Ein wichtiges Thema ist auch in Altenbeken die Windkraft. Wie sehen Sie da die Entwicklung, auch in Bezug auf Investoren? Wessels: Wir hatten da auch unsere Auseinandersetzungen bis hin zum Oberverwaltungsgericht. Aber wir hatten unterm Strich in den letzten Jahren eine einvernehmliche Situation. Es hat keine Klagen mehr gegeben und es hat eine breite Akzeptanz der politischen Entscheidungen gegeben. Man muss mit allen auch fair umgehen, offen reden und sich gleichwohl geschickt in diesem Feld bewegen. Dass eine Kommune vor Gericht mit ihrer Windkraftplanung nahezu keine Chance hat, das haben wir alle lernen müssen. Ich glaube, dass sich Investoren jetzt wieder verstärkt um Standorte in Altenbeken bemühen werden. Die Signale sind da. Es gibt mehrere Anfragen von Anlagen, die im Windvorranggebiet geplant sind – ich denke, das kann man lösen. Wir haben nur eine Anlage, die außerhalb des Windvorranggebietes südlich der B64 beantragt wurde. Das ist eine Standortentwicklung, die ich für nicht gut halte. Da kann man nur hoffen, dass sie verhindert werden kann. In 21 Jahren haben Sie in der Eggegemeinde einiges bewirkt. Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz? Wessels: Da gab es sehr, sehr viele in den Jahren. Der Hochwasserschutz in Schwaney war sehr wichtig. Natürlich habe ich mich auch über die Marketing-Entwicklung gefreut, über das erste Viaduktfest und dass wir daraus eine Serie gemacht haben und über den Viaduktwanderweg, den Viaduktradweg und die Beleuchtung des Viadukts. Auch dass wir in allen drei Ortsteilen eine Lebensmittelversorgung und Ganztagsgrundschulen haben, ist nicht selbstverständlich. Und was haben wir für einen Kampf geführt um die weiterführende Schule in Altenbeken, die am Ende als Privatschule für alle offen steht. Sie funktioniert und ich bin mir ganz sicher, dass sie eine gute Zukunft haben wird. Auch auf unseren klimaneutralen Bauhof und die dort stark aufgestellte, eigene Mannschaft bin ich stolz. Und auch der Bau der beiden Kunstrasenplätze war ein kleiner Geniestreich, jedenfalls die Zusammenarbeit mit den Vereinen und die Finanzierung – denn damals waren wir total klamm. Jetzt zuletzt konnten wir noch einen Waldkindergarten eröffnen, ein großartiges zu Altenbeken passendes Konzept. Das Wichtigste ist allerdings, dass wir es geschafft haben, die Gemeinde Altenbeken in der öffentlichen Wahrnehmung wieder positiv dastehen zu lassen. Das war 1999 ganz dringend nötig! Welche Projekte hätten Sie gerne noch umgesetzt? Wessels: Das Projekt Wohnpark Egge an der Christian-Schütze-Straße. Das liegt mir auch weiter am Herzen. Ich habe es als Regionale 2022-Projekt eingereicht und bin sehr optimistisch. Ich hoffe, dass wir den Zuschlag bekommen werden. Dann würde es ein ostwestfälisches unterstütztes Modellprojekt zum zukunftsgerechten Wohnen im ländlichen Raum werden, ein Wohnquartier besonderer Güte. Gab es auch mal eine Zeit, wo Sie die Brocken am liebsten hingeschmissen hätten? Wessels: Natürlich gab es auch mal Momente, in denen ich mich fragte, ob ich das auf Dauer physisch durchhalte. Es ist manchmal ausgesprochen anstrengend, stressig und ging mir auch emotional sehr nah. Aber ich bin nicht der Typ, der aufgibt. Ich kann gut aufhören, aber schlecht aufgeben. Wenn ich angegriffen werde, fordert mich das heraus – da habe ich mich schon immer gerade hingestellt. Sie sagten mal, dass die Aufklärung des Briefe-Skandals für Sie eine persönliche Verpflichtung sei. Jetzt soll das Urteil erst am 5. November verkündet werden. Wessels: Ich meine, dass wir den Sachverhalt aufgeklärt haben, wir wissen was wie gelaufen ist. Jetzt kommt man im Haftungsrecht zu der Frage, wer wie viel Schuld an der Misere hat und wer – je nach dem Grad des Verschuldens – für den Schaden aufkommen muss. Das wird zunächst das Arbeitsgericht eine wichtige Entscheidung treffen müssen. Das halte ich für eine sehr schwere Aufgabe. Aber am 5. November bin ich nicht mehr im Amt, da muss Herr Möllers die Gemeinde als Kläger vertreten. Als Bürgermeister bekommt man auch viel Kritik. Gab es denn auch mal ein besonderes Lob? Wessels: Man bekommt viel Kritik und auch viel Lob; häufig hat man weder das Eine noch das Andere verdient, schließlich arbeiten wir als großes Team. All die Projekte habe ich doch nicht alleine erreicht, das ist immer ein Zusammenspiel von mehreren Organisationen und ganz vielen Menschen. Ich repräsentiere eine Organisation in guten wie in schlechten Zeiten und bekomme dafür die Kritik. Werden Sie sich weiterhin politisch engagieren? Wessels: Parteipolitisch werde ich wahrscheinlich nichts oder wenig machen, aber ich möchte die alten Kontakte nicht verlieren. Ich kann mir aber vorstellen, dass ich mich im Umweltbereich engagiere. Sie sind jetzt 64 Jahre alt. Was ist Ihr Plan für die Zukunft? Wessels: Wir bleiben in Altenbeken, hier fühlen wir uns zu Hause. Ich werde aber nicht im Fernsehsessel enden, nur zu Hause sitzen und Däumchen drehen. Ich weiß noch nicht was auf mich zukommt, aber genau darauf freue ich mich, weil ich jetzt mindestens eine Zeit lang sehr spontan gestalten kann. Ich habe keinen eng getakteten Terminkalender mehr. Meine Kinder wohnen in der Nähe von Aachen und Koblenz. Wenn ich die mal besuchen wollte, musste ich das Wochen vorher im Terminkalender festhalten. Ich möchte mir jetzt die Zeit nehmen – vielleicht ein halbes Jahr – es ein bisschen laufen zu lassen, so dass sich ein neuer Alltag ganz nach meiner Facon bilden kann. Ich werde definitiv Sport machen und fotografieren und mich auf jeden Fall auch sozial engagieren.

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