
Lübbecker Land/Rahden. Über Jahrhunderte verbanden mittelalterliche Handels- und Heerstraßen das heutige Lübbecker Land mit dem Rest der Welt. Die heutige Bundesstraße 65 am Nordhang des Wiehengebirges war die Verbindung Richtung Niederlande und Richtung Elbe. Die heutige Bundesstraße 239 war eine Verbindung in Richtung Bremen und Herford – mit schwieriger Passage des Wiehengebirges. Daran änderte sich auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nichts. Anders in Minden: Die Stadt erhielt schon 1847 Anschluss an das schnell wachsende Eisenbahnnetz.
Im damaligen Landkreis Lübbecke folgte dieser Bahn-Anschluss an die große weite Welt erst mehr als ein halbes Jahrhundert später. Am 30. September 1899 wurde die Bahnlinie Bünde-Rahden offiziell eingeweiht. Am 1. Oktober – heute vor 125 Jahren – wurde der reguläre Betrieb aufgenommen. Das jährt sich nun zum 125. Mal und soll in Rahden gefeiert werden. Am Samstag, 5. Oktober, findet in Rahden von 12 bis 18 Uhr ein großes Fest statt. Es gibt ein Programm für die ganze Familie.

Manches ist noch erhalten aus den Anfangszeiten, als Rahdens Entwicklung zur Eisenbahnerstadt ihren Anfang nahm. Mit Eröffnung der Strecke wurde ein zweiständiger Lokschuppen nebst Wasserturm gebaut. Schnell wurde die Lokstation auf acht Stände erweitert und zum Bahnbetriebswerk aufgewertet. Das Empfangsgebäude ist mittlerweile in städtischem Besitz und wurde vor einigen Jahren grundlegend saniert. Unter Denkmalschutz steht das Stellwerk Rahden-Mitte. Zwei weitere kleinere Stellwerke, von denen die Bahnübergänge an der Weher Straße und an der Mindener Straße bedient wurden, stehen nicht mehr. Im Umfeld des Bahnhofs finden sich aber noch Wohnhäuser, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von der Bahnverwaltung für die Beschäftigten gebaut wurden.
Bahnhofsfest mit Musik und Gewinnspiel
Im Bahnhof und umzu soll das 125. Jubiläum der Bahnstrecke Bünde-Rahden am Samstag, 5. Oktober, gefeiert werden. Los geht es um 12 Uhr, der Ausklang ist um 18 Uhr vorgesehen. Zum Auftakt des Bahnhofsfestes begrüßt Rahdens Bürgermeister Bert Honsel die Gäste. Moderator Oliver W. Schulte spricht anschließend mit Stadtheimatpfleger Claus-Dieter Brüning und Christina Schwarze von der Museumsbahn. Mit weiteren Gästen gibt’s dann kurzweilige Interviews, etwa zur Bahn-Chronikgruppe oder auch zur einstigen Rahdener Bahnhofsgaststätte.

Die Varler „Puppen up Platt“ sind ebenso dabei beim Bahnhofsfest wie die „Essern Highlanders“ mit ihren Dudelsäcken. Neben weiterer Musik können Gäste bei „Dalli Klick“ Preise gewinnen. Zum Bahnhofsfest gibt es außerdem zahlreiche Info- und Aktionsstände. Die Eurobahn ist dabei und auch die Museumsbahn Rahden-Uchte und auch die Museumseisenbahn Minden. Das Draisinen-Team stellt sich vor – ebenso wie die Mobil-Agenten, die Fahrschule Logemann und der ehrenamtliche Fahrdienst der Stadt Rahden. Mit von der Partie ist auch das Aktionsbündnis Eisenbahnstrecke Bünde-Bassum, das sich seit vielen Jahren sehr für die Reaktivierung des Sulinger Kreuzes und damit auch der Bahnstrecke von Rahden nach Bremen einsetzt.
Für Kinder wird es unter anderem Animation und eine Hüpfburg geben. Spaß und Spannung verspricht das Bobbycar-Rennen. Auch für Speisen und Getränke beim Bahnhofsfest ist gesorgt.
Wichtig für die Entwicklung der Wirtschaft
Der Anschluss an das Bahnnetz im Jahr 1899 war für den Landkreis Lübbecke und seine wirtschaftliche Entwicklung von enormer Bedeutung. Bis zur Eröffnung der Bahn wurden Güter per Pferdefuhrwerk zum schon 1847 eröffneten Bahnhof Minden oder nach Lemförde gebracht werden. Die Lübbecker Barre Brauerei etwa brachte Fässer und Flaschen per Fuhrwerk zum Bahnhof Lemförde.
Ab Oktober 1899 und vor allem ab 1901 konnte Tabak von den norddeutschen Seehäfen per Bahn direkt in den Landkreis Lübbecke transportiert werden und war so schnell in der heimischen Tabakindustrie. Auch die Lübbecker Brauerei hatte nur noch einen kurzen Weg zum Bahnhof und konnte von Lübbecke aus schnell ihr Bier in die Seehäfen zum Norddeutschen Lloyd für dessen Atlantik-Dampfer liefern. Im Jahr 1901 wurde die Strecke Bünde-Rahden bis Bassum verlängert und hatte dort Anschluss an die „Rollbahn“ Ruhrgebiet-Hamburg, damals als „Venloer Bahn“ bezeichnet.

Rahden entwickelte sich mit seinem Bahnbetriebswerk und weiteren Dienststellen der Bahn zur Eisenbahnerstadt im Landkreis, mehrere 100 Menschen arbeiteten hier bei der Bahn. Aber auch auf den anderen Bahnhöfen gab es durch die Bahn Lohn und Brot für die Menschen. Mit der Eröffnung der Bahnstrecke nach Nienburg im Jahr 1910 wurde Rahden zum Nebenbahn-Knoten. Lübbecke erhielt nahe dem Staatsbahnhof im Jahr 1907 Anschluss an die Mindener Kreisbahn, Bad Holzhausen erhielt 1900 Anschluss an die Wittlager Kreisbahn. Über Rahden fuhren Eilzüge auf den Relationen Cuxhaven-Altenbeken und Bremen-Frankfurt. Diese sogenannten „Heckeneilzüge“ boten umsteigefreie Verbindungen aus dem Lübbecker Land in große Metropolen.
Einsatz für Strecken-Wiederbelebung
In den 1980er-Jahren wollte die damalige Deutsche Bundesbahn die Strecke komplett stilllegen. Die Interessengemeinschaft 105 – die Strecke hatte damals die Kursbuch-Nummer 105 – wehrte sich dagegen. Vor allem der damalige Pr. Oldendorfer Stadtdirektor Manfred Beermann engagierte sich für die Strecke, die auch für den Kurort Holzhausen große Bedeutung hatte. Sein Einsatz ist vielen Menschen unvergessen.
Am 27. Mai 1994 fuhr der vorerst letzte Zug von Bielefeld über Bünde und Rahden nach Bremen. Im Jahr 2001 kündigte die Gütersparte der Deutschen Bahn AG den Liefervertrag mit der Rahdener Eisengießerei Meier. Derzeit einziger Güterkunde ist das Lübbecker Unternehmen Besta.
Mittlerweile gibt es Bestrebungen, die Strecke nach Bremen wiederzubeleben. Experten sehen darin großes wirtschaftliches Potenzial – für die Nutzer der Strecke im Personen- und im Güterverkehr, aber auch einen großen Nutzen für die Regionen entlang der Strecke. Der Nutzen der Reaktivierung des Sulinger Kreuzes überwiege die Kosten, hatten Wissenschaftler vor zwei Jahren beim Bahnkongress in Rahden deutlich gemacht.