Nach Attacke durch Autofahrer: Polizist leidet bis heute unter den Folgen

Espelkamp/Hille/Rahden/Minden. Es war ein Moment, der einem 44-jährigen Polizisten wohl für immer in Erinnerung bleibt. Er habe gedacht, mit seinem Leben abschließen zu müssen, nachdem ihn ein heute 31-jähriger Hiller bei einer Polizeikontrolle krankenhausreif prügelte. Der Beamte leidet bis heute unter den gesundheitlichen Folgen. Die verhängnisvollen Momente für den Beamten nahmen ihren Anfang in Frotheim und nach dem Amtsgericht Rahden befasste sich nun das Schöffengericht in Minden mit der Tat. Dort wurde der 31-jährige Hiller wegen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Widerstand, Beleidigung und Körperverletzung angeklagt. Die Tat am 12. Februar vorigen Jahres sorgte auch im Lübbecker Land für Gesprächsstoff. Die Polizei hatte nach jenem Tag gemeldet, dass ein angetrunkener Autofahrer bei einer Kontrolle Widerstand geleistet und einen Beamten und eine Beamtin verletzt hatte. Der Hiller sei ins Visier der Polizei geraten, &bdquo;weil er gegen 14.30 Uhr im Bereich Diepenauer Straße/Osterheider Straße in Frotheim mit einem Mercedes Sprinter in Schlangenlinien gefahren und dabei auf die Gegenfahrbahn geraten sein soll“, hieß es im Polizeibericht. &bdquo;Daraufhin entsandte die Polizeileitstelle Streifenwagen aus Lübbecke sowie in entgegengesetzter Richtung aus Minden. Wenig später konnten die Einsatzkräfte das Fahrzeug an der Mindener Straße in Hille anhalten.“ Angeklagter kann sich nicht erinnern Was dann geschah, das führte zu Anklagen gegen den heute 31-jährigen Bauarbeiter aus Hille. Laut Anklage soll der Hiller die Mindener Beamten, die den Sprinter anhielten, beleidigt haben. Den 44-jährige Mindener Beamten soll der Hiller dann attackiert, in den Streifenwagen gezogen und auf ihn eingeschlagen haben. Nur mit erheblichem Einsatz von Reizgas konnte eine andere Polizistin den Hiller aufhalten. Danach soll der Hiller weitere, als Verstärkung hinzugerufene Polizisten beleidigt und sich gegen eine Blutprobe gewehrt haben. Der Hiller konnte sich gegenüber Richter Sebastian Homeier nach eigenen Angaben nicht erinnern. Er sei an dem Tag arbeiten gewesen und wisse nicht, wie er von der Baustelle gekommen sei. Nach eigenen Angaben des Angeklagten soll dessen Erinnerung erst im Polizeigewahrsam in Minden wieder eingesetzt haben, als eine Richterin mit ihm sprach. Mehr als 2 Promille nach der Tat Ob er eine Erklärung habe, fragte Richter Homeier und verwies auf die erhebliche Alkoholisierung – laut Untersuchung wurde rund zwei Stunden nach der Tat ein Wert von 2,28 Promille festgestellt. &bdquo;Ich weiß es wirklich nicht“, sagte der Hiller. Er könne sich noch daran erinnern, mit einem russischen Arbeitskollegen getrunken zu haben. Was – das wisse er nicht. Er erinnere sich nicht an die Fahrt oder die Kontrolle. Von der Leitstelle sei eine Trunkenheitsfahrt zwischen Espelkamp und Hille gemeldet worden, sagte im Zeugenstand der 44-jährige Polizist. &bdquo;In Hille trafen wir auf den Kleintransporter.“ Der Angeklagte sei sofort aggressiv gewesen. &bdquo;Es war schnell klar, dass wir Verstärkung brauchten.“ Angesichts des abgelegenen Anhalteortes seien weitere Polizisten zur Unterstützung entsandt worden. Der angeklagte Hiller sei ausgestiegen, habe sich vor seiner Kollegin und ihm aufgebaut. Bei einer Durchsuchung habe er ein Messer bei dem Hiller gefunden, sagte der 44-jährige Polizist. &bdquo;Das nahm ich ihm ab.“ "Zweistellige Zahl" von Schlägen Sie hätten den nach Alkohol riechenden Hiller dann wegen einer Blutprobe zur Wache nach Minden mitnehmen wollen, sagte der Beamte. Das habe der Hiller abgelehnt und sei nur widerwillig in den Streifenwagen gestiegen. Dann habe der Hiller ihn an seiner Weste gefasst und in den Wagen gezogen. &bdquo;Ich lag mit meinem Oberkörper auf seinem Schoß. Er schlug mich und ich dachte: ,Das ist es gewesen’“, berichtete der Beamte. Er sprach von einer &bdquo;zweistelligen Zahl“ von Schlägen mit Fäusten und Ellenbogen auch auf seinen Kopf. Irgendwann sei er aus dem Griff herausgekommen und nach draußen getorkelt, sagte der Beamte. Später habe er erfahren, dass seine Kollegin fast zwei komplette Reizgasgeräte gegen den Hiller eingesetzt habe. &bdquo;Ich war bei der Tat nicht Herrmeiner Sinne“ Der Beamte erlitt Prellungen, eine Gehirnerschütterung und leidet bis heute an Tinnitus. Er hat eine Reha absolviert, der Tinnitus ist geblieben. Deshalb hat der Beamte soziale Kontakte eingeschränkt. Er wechselte vom Außendienst in den Innendienst der Kriminalpolizei. Derzeit absolviert er eine Traumatherapie. Nach dem Vorfall war er zwei Monate dienstunfähig. Im Verfahren gegen den Hiller trat er mit seinem Anwalt Markus Versick als Nebenkläger auf. Während der Verhandlung spielten nicht nur Vorstrafen eine Rolle – zum Tatzeitpunkt war der Hiller allerdings noch nicht vorbestraft. Erst danach hatte ihn das Amtsgericht Rahden wegen Beleidigung und Bedrohung sowie in einem weiteren Verfahren wegen der Trunkenheitsfahrt am 12. Februar vorigen Jahres zu Geldstrafen verurteilt. Der Hiller, dessen Anwalt Peter Kresken, der Beamte und dessen Anwalt Markus Versick sowie Richter Sebastian Homeier erörterten auch zivilrechtliche Aspekte des Verfahrens – und laut dem später gesprochenen Urteil soll der Hiller für alle Auslagen aufkommen, die dem Beamten aufgrund des Vorfalls noch entstehen. Zudem einigten sich Anwälte und Gericht auf ein Schmerzensgeld. Beamter stand für den Staat "an der Front" Die Staatsanwältin forderte zwei Jahre Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Zudem solle der Hiller, der zur Tatzeit vermindert schuldfähig gewesen sei, eine Geldauflage zahlen. Der Beamte habe gedacht, sein letztes Stündlein habe geschlagen, als bei einer alltäglichen polizeilichen Maßnahme eine nicht zu erwartende &bdquo;totale Überreaktion“ erfolgte, sagte Nebenklage-Anwalt Markus Versick. Der Beamte habe für Staat und Gesellschaft an der Front gestanden, weil &bdquo;alkoholisierte Fahrer aus dem Verkehr gezogen gehören“. Auch er wolle nicht mit solch gesundheitlichen Folgen leben müssen wie der Polizeibeamte, sagte wie Versick auch Peter Kresken als Verteidiger des Hillers. Er nehme seinem Mandanten den &bdquo;Filmriss“ ab, auch wenn das die Eskalation nicht erkläre. Der Hiller sei ihm entfernt aus dem Sport bekannt, so ein Verhalten sei nicht seine Art. Kresken beantragte neun Monate Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. &bdquo;Ich war bei der Tat nicht Herr meiner Sinne. Ich entschuldige mich und wünsche Ihnen gute Besserung“, sagte der Hiller, der sich zuvor bereits einmal entschuldigt hatte. Richter Homeier verhängte ein Jahr Haft, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden sollen. Zudem soll der Hiller unter anderem 10.000 Euro Schmerzensgeld an den Beamten zahlen.

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