Im Vollrausch: Bünder ging nach einem Unfall auf Polizisten los

Bünde. Als Prozessbeobachter konnte man sich selbst am Donnerstag im Amtsgericht Bünde fragen, was Alkohol und Drogen – vor allem in Kombination – mit einem Menschen anrichten können. Ein 28-jähriger Bünder musste sich verantworten, weil er im Vollrausch Auto fuhr und im Nachhinein auch noch Polizeibeamte so massiv anging, dass er von mehreren Polizisten gebändigt werden musste. Es war der 19. Februar 2023, als der Angeklagte Jannik F. (Name geändert) morgens um 7.30 Uhr mit einem VW Bulli von der Lübbecker Straße von der Wasserbreite in Richtung Meyerhofstraße in Spradow unterwegs war. Eine folgenschwere Fahrt, wie sich später herausstellte. Er hat mehrere Verkehrsschilder beschädigt und sich dann von der Unfallstelle entfernt. Wie eine Zeugin – eine Zeitungszustellerin – damals der Polizei berichtete, sei der Fahrer kurz darauf zurückgekommen, um ein abgefallenes Kennzeichen einzusammeln. Kurz darauf wurde das Fahrzeug des damals noch 27-jährigen Jannik F. aufgrund von Zeugenaussagen ausfindig gemacht. Ein Polizeihauptkommissar aus Bünde trat F. dann vor dem Haus an. F. wollte sich der Befragung durch den Polizisten allerdings entziehen und ins Haus gehen. Wie der Polizeibeamte aussagte, habe er Mühe gehabt, den Angeklagten am Weggehen zu hindern. Er war als Dienstgruppenleiter allein in einem Streifenwagen unterwegs. Er brauchte beide Hände, um den Angeklagten festzuhalten, der immer aggressiver wurde. &bdquo;Es fiel mir schwer, das Funkgerät zu bedienen, um Verstärkung anzufordern“, sagt der Polizeihauptkommissar, der als Zeuge in dem Verfahren geladen war. &bdquo;Sag denen, dass du gefahren bist.“ Für einen Moment jedoch habe er die Sprechtaste drücken können, was zur Folge hatte, dass die Hauptwache mitbekam, dass offensichtlich etwas nicht stimmte. Neu eingebaute GPS-Module in den Funkgeräten ermöglichten es den Kollegen auf der Wache, die Position des Dienstgruppenleiters zu lokalisieren und Verstärkung dorthin zu schicken. In der Folge kamen mehrere Polizisten hinzu. F. soll zuvor seinem Bruder, der zwischenzeitlich rausgekommen war und vor dem Haus stand, zugerufen haben: &bdquo;Sag denen, dass du gefahren bist.“ Ebenso standen auch die Eltern des Angeklagten vor dem Haus und es sei laut dem Polizisten zu einer tumultartigen Situation gekommen. Während Jannik F., der sich in seinem Rausch kurz zuvor erbrach, die Beamten bespuckte und lauthals mit Worten wie &bdquo;Hurensöhne“ und &bdquo;Hure“ beleidigte, versuchte die Verstärkung den tobenden Mann zu fixieren. Als er von den Beamten zu Boden gebracht wurde, hat er versucht, einen Beamten in seinen Fuß zu beißen. &bdquo;Die Familie war sehr aufgebracht“, sagte der Polizeihauptkommissar vor Gericht. Aus der Erfahrung früherer Ereignisse wisse er, dass die &bdquo;Familie es mit dem Angeklagten nicht leicht hat“. Die Angehörigen hätten das Fixieren des 27-Jährigen durch mehrere Beamte vor der Haustür mit Smartphones gefilmt. F. wurde daraufhin zur Wache nach Herford gebracht, wo er erneut randalierte und auf die Polizisten losging. Alkohol und Psychopharmaka wirkten zusammen Über seinen Verteidiger ließ der Angeklagte die Vorwürfe im Grunde einräumen. Fraglich sei allerdings, inwieweit F. überhaupt schuldfähig gewesen sei. Eine Blutprobe zwei Stunden nach seiner Festnahme ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,7 Promille. Zurückgerechnet bis zum Angriff auf die Polizisten und zuvor bis zu seiner Trunkenheitsfahrt könnte er bis zu 2,5 Promille gehabt haben. Doch der Alkohol allein brachte ihn nicht in diesen Rauschzustand. Ein Labor fand noch erhebliche Mengen Benzodiazepine im Blut. Lesen Sie auch: Bünder liefert sich Verfolgungsjagd mit der Polizei durch Hiddenhausen Diese Stoffe werden in der Medizin eingesetzt und wirken angstlösend und beruhigend – jedenfalls wenn sie gemäß ihrer eigentlichen Bestimmung eingenommen werden. &bdquo;Die Konzentration war jedoch wesentlich oberhalb dessen, was als therapeutische Dosis gilt“, verlas die Richterin das Ergebnis eines Labors. Jannik F. leidet ärztlich bestätigt unter einer bipolaren Störung und Depressionen. In der jüngeren Vergangenheit war er häufiger auch in Behandlung – zuletzt in einer Klinik am Chiemsee. Für Polizei und Gericht ist er allerdings kein unbeschriebenes Blatt. Schon 2017 fiel er wegen einer Trunkenheitsfahrt auf. Im selben Jahr war er auch wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung angeklagt. &bdquo;Sehen Sie dieses Urteil als allerletzten Warnschuss.“ Bei der Bemessung einer Strafe für den heute 28-jährigen Jannik F. lag die Staatsanwaltschaft bei sechs Monaten auf Bewährung zuzüglich einer Geldstrafe von 1.000 Euro. Darin sah der Verteidiger allerdings das Geständnis seines Mandanten zu wenig berücksichtigt. Er hielt eine Gesamtstrafe von 3.750 Euro für angemessen. Die Richterin gab Jannik F. zu verstehen, dass sie eine Verhandlung normalerweise nicht für eine Urteilsfindung unterbricht. Hier sei es ihr allerdings etwas schwerer gefallen, weil sie viel abzuwägen hatte. &bdquo;Es war ihr Glück, dass niemand körperlich zu Schaden gekommen ist“, sagte sie zu Jannik F. und blieb mit ihrem Urteil von 150 Tagessätzen zu je 50 Euro (7.500 Euro) über der Forderung der Verteidigung. Hinzu kamen aber noch sechs weitere Monate Entzug der Fahrerlaubnis, die Jannik F. bereits vor einem Jahr entzogen worden war. Eine Freiheitsstrafe sah die Vorsitzende als nicht angemessen. Dennoch machte sie dem Angeklagten deutlich: &bdquo;Sehen Sie dieses Urteil hier als allerletzten Warnschuss.“

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