Eltern meiden Gesamtschule Porta: Was steckt hinter den geringen Anmeldezahlen?

Porta Westfalica-Lerbeck. Dem Papier nach geht es um die Bildung einer zusätzlichen Klasse an der Realschule. Tatsächlich steckt hinter dem Tagesordnungspunkt, der an diesem Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss verhandelt wird, aber ein weitaus brisanteres Thema: die Zukunft der Gesamtschule Porta. Denn dort sind die Anmeldezahlen dramatisch gesunken: Gerade einmal 42 Fünftklässler wollen vom Sommer an ihre Schullaufbahn in Lerbeck fortsetzen. Das ist bei 251 Anmeldungen nur noch jedes sechste Kind. Angesichts von Anmeldezahlen, die an der Gesamtschule Porta einst die Marke von 150 übertrafen, ein absurd niedriger Wert. Ohne Aufstockung müsste Realschule 23 Kinder abweisen Konträr das Bild an den beiden anderen weiterführenden Schulen. Für die Realschule verzeichnet die Verwaltung nach Anmeldeschluss 116 Schülerinnen und Schüler, am Gymnasium sind es 93. Da die Realschule nur dreizügig ausgelegt ist, soll eine vierte Eingangsklasse gebildet werden. Andernfalls müsste die Schule insgesamt 23 Fünftklässler ablehnen. Über die Aufstockung entscheiden die Politiker am Mittwoch. Sven Hering, der nach dem Tod von Axel Nagel die Gesamtschule kommissarisch leitet, betrachtet die Bildung einer zusätzlichen Realschulklasse &bdquo;mehr als kritisch“, wie er auf MT-Anfrage erklärt. Da dies auf Kosten der Gesamtschule gehe, wo nicht genügend Eingangsklassen gebildet werden könnten, &bdquo;leidet und verarmt schließlich die gesamte Schullandschaft“, meint er. Ein Problem aus Sicht der Gesamtschule: die &bdquo;Abschulung“ Ohnehin solle man sich von den reinen Anmeldezahlen nicht täuschen lassen. Spätestens ab Klasse 7 nehme die Gesamtschülerzahl sprunghaft zu. Dahinter stecke ein strukturelles Problem. Aufgrund der niedrigen Anmeldezahlen sei die Gesamtschule in den vergangenen Jahren zu einem Auffangbecken für Schüler aus dem gesamten Umland geworden. &bdquo;So kamen im Schuljahr 2022/23 insgesamt 66 Schülerinnen und Schüler nur für die Jahrgänge 6 bis 10 von anderen Schulen zu uns.“ Sven Hering spricht sich für eine &bdquo;Behaltenskultur“ aus Dabei seien schlechte Noten, die die sogenannte &bdquo;Abschulung“ zu Folge hätten, nicht auf bloße Überforderung zurückzuführen, berichtet Hering. Das zeige sich oft daran, dass die betroffenen Schüler bei angepassten Anforderungen an der Gesamtschule ihre Leistungen nicht verbesserten. Die Probleme lägen meist im sozialen Bereich, meint der kommissarische Schulleiter. &bdquo;Solange das gegliederte Schulsystem keine ’Behaltenskultur’ für diese Schülerinnen und Schüler entwickelt, werden Verhaltensdefizite durch schlechte Noten verschleiert, und das Problem an integrierte Schulformen abgeschoben, was die Situation dort weiter verschlechtert.“ Wie groß ist das Gewaltproblem? Auf Nachfrage äußert sich Hering auch zu Gewalt- und Mobbing-Fällen an seiner Schule. Zwar lägen dazu keine belastbaren Zahlen vor, doch hätten solche Probleme durchaus zugenommen. Dies sei aber auch an anderen Schulen der Fall und spiegele die gesellschaftliche Situation wider. Dabei gingen Straftaten in der Regel nicht von der breiten Masse aus, &bdquo;sondern von einer relativ kleinen Minderheit aus, die aber weder durch Hilfsangebote noch durch Sanktionen zu erreichen ist.“ Komme es wegen Abschulungs- und Zuweisungspraxis systembedingt dazu, dass solche Kinder und Jugendliche an einem öffentlichen Ort wie der Schule gehäuft zusammentreffen, sei es nicht verwunderlich, dass der Eindruck entstehe, die Institution selbst wäreUrsache für diese Missstände, so Hering. &bdquo;Damit wird aber das Engagement und die Sozialkompetenz des weitaus größten Teils der Schülerinnen und Schüler wie auch der Einsatz der Lehrkräfte in Misskredit gebracht.“ Eingespielte Klassenstrukturen werden aufgebrochen Probleme träten an der Gesamtschule in der Regel weniger bei Schülern auf, die dort seit der 5. Klasse unterrichtet würden. &bdquo;Diese kennen das System Gesamtschule von Beginn an, konnten sich in relativ kleinen Eingangsklassen darauf einstellen und sind so in der Lage, später dazukommende Schülerinnen und Schüler in bestehende Klassenverbände zu integrieren“, sagt Hering. Dies gelinge jedoch wesentlich schlechter, wenn nicht genug parallele Eingangsklassen gebildet werden konnten und nach zwei bis drei Jahren in Jahrgang 7 oder 8 eingespielte Klassenverbände getrennt werden müssten, um alle Neuanmeldungen aufnehmen zu können. Nur so seien Klassenneubildungen in diesen Jahrgängen sinnvoll umzusetzen. &bdquo;Letztendlich führt diese Situation aber auch weiter in die Abwärtsspirale und damit zu einer weiteren Verschlechterung des Rufes.“ Vier Parallelklassen für geordneten Schulbetrieb Darüber macht sich auch die Politik Gedanken. Die Wählergemeinschaft Porta (WP) will zwar der Bildung einer zusätzlichen Klasse an der Realschule zustimmen, sorgt sich aber gleichermaßen um die Zukunft der Gesamtschule. Denn laut Schulgesetz NRW, so die WP in einer Erklärung, müssen Gesamtschulen bis Klasse 10 für einen geordneten Schulbetrieb mindestens vier Parallelklassen pro Jahrgang haben. Und diese Mindestgröße dürfe nur vorübergehend unterschritten werden. Fast die Hälfte der Gesamtschüler hat einen Migrationshintergrund Die WP plädiert deshalb in Porta für eine &bdquo;ganzheitliche Schulentwicklungsplanung, um angesichts &bdquo;neuer gesellschaftlicher Herausforderungen auch und gerade die Qualität der Schulen zu verbessern“. Dabei verweist die WP auch auf den hohen Anteil von Gesamtschülern mit Migrationshintergrund (dies sind laut Schulleitung 46 Prozent) und stellt die Bedeutung von individueller Förderung und Schulsozialarbeit heraus. Zudem sollten Schulformwechsel (Abschulung) möglichst vermieden werden.

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