Hohe Strafe im Mindener Totschlag-Prozess gefordert: „Sie haben eine böse Seite - das wissen Sie“

Minden. Der Prozess zum Tötungsdelikt an der Hahler Straße steht vor dem Abschluss. Dem aus dem Libanon stammenden 41-Jährigen, der am 19. August 2024 einen 65-Jährigen in seiner Wohnung brutal zu Tode geprügelt haben soll, droht eine lange Haftstrafe und anschließende Sicherheitsverwahrung. Eine solche Sanktion hielt Staatsanwalt Christopher York für gerechtfertigt. Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Sven-Helge Kleine hat am Mittwoch die Beweisaufnahme geschlossen und die Plädoyers gehört. Laut Anklage soll der Mindener zunächst seine Ex-Freundin in deren Wohnung an der Hahler Straße geschlagen haben. Die Polizei nahm ihn daraufhin in Gewahrsam. Bereits am nächsten Tag kehrte er – trotz eines Rückkehrverbots – alkoholisiert in das Mehrfamilienhaus zurück. Aus bisher unbekannten Gründen soll er dann den Nachbarn totgeschlagen haben. &bdquo;Ich glaube, dass Sie eine gute Seite haben – aber ebenso eine böse. Und das wissen Sie“, richtete sich York an den Angeklagten. Nach Ansicht des Staatsanwalts habe Nadim L. (Name von der Redaktion geändert) den 65-Jährigen als Ventil für seine Wut nach dem Streit mit seiner ehemaligen Freundin benutzt. &bdquo;Als Unbeteiligter musste er mit dem Leben bezahlen“, so York. Er sei eine tickende Zeitbombe Die Brutalität der Tat habe selbst ihn erschüttert, sagte der Staatsanwalt. &bdquo;Dem Opfer wurden sämtliche Rippen gebrochen und der Schädel zertrümmert – während es bereits am Boden lag.“ Angesichts der langen kriminellen Vorgeschichte des Angeklagten, die bereits im Alter von 14 Jahren begann, sei Nadim L. eine ernsthafte Gefahr für die Allgemeinheit: &bdquo;Eine tickende Zeitbombe.“ Lesen Sie auch: Toter mit schweren Verletzungen in Minden entdeckt Dass der Angeklagte angab, sich an die Tat wegen Alkohol- und Drogenkonsums nicht erinnern zu können, hielt York für eine Schutzbehauptung. &bdquo;Er wusste auch nicht mehr, dass er seiner früheren Lebensgefährtin vor den Augen ihrer Kinder die Nase gebrochen hatte – an andere Dinge konnte er sich aber durchaus erinnern.“ Diese selektiven Gedächtnislücken wertete der Staatsanwalt als unglaubwürdig und als Schutzbehauptungen. Der Staatsanwalt fasste zusammen, dass Nadim L. nach dem Streit mit der Ex-Freundin und dem ersten Gewahrsam am Tag vor dem Tötungsdelikt ausnüchtern konnte. Ebenso stellte York fest, dass der Angeklagte nach der Entlassung aus der Polizeistation direkt wieder getrunken hatte und danach Kontakt zu der Frau gesucht hatte. &bdquo;Wegen seiner Vorstrafen muss er wissen, dass ihn der Konsum enthemmt.“ Aufgrund des Alkohols und Cannabis wollte York nicht ausschließen, dass es dem Angeklagten an Einsicht und Steuerfähigkeit fehlte. Er sprach sich beim Totschlag jedoch gegen eine Strafmilderung aus. &bdquo;Highscore im negativen Sinne“ Insgesamt erkannte der Staatsanwalt auch keine Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen und nahm Abstand von einer Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus. Vielmehr halte er den Angeklagten gefährlich für die Allgemeinheit, da er einen klaren Hang zu schweren Straftaten feststelle. Aus diesem Grund beantragte York die Sicherheitsverwahrung für den Angeklagten, die empfahl zuvor auch der psychiatrische Gutachter. &bdquo;Sie erfüllen dafür nahezu alle Kriterien und haben einen Highscore im negativen Sinne.“ Darüber hinaus plädierte York angesichts der beiden Taten - Körperverletzung und Totschlag - auf eine Haftstrafe von zwölf Jahren und vier Monaten. Bei den Ausführungen des Staatsanwalts schüttelte Nadim L. mehrmals den Kopf und vergrub das Gesicht in den Händen. Naturgemäß bewertete sein Anwalt, Ralf Jordan, die Situation anders. Der Verteidiger erkannte an den zwei Tagen eine Spirale, aus der der Mindener nicht mehr herausgekommen sei und eine Ausnahmesituation. Jordan gab zu, dass die Beweislage erdrückend sei und aufgrund der Spuren kein anderer den 65-Jährigen getötet haben könnte. &bdquo;Ich glaube ihm allerdings, dass er nicht weiß, wie das passiert ist.“ Lesen Sie auch: Mann (65) in Minden getötet: Angeklagter bricht vor Gericht in Tränen aus Angeklagter sei kein kalter Totschläger Jordan vermutete eine Teilamnesie und dass bei seinem Mandanten im Kopf alles ausgeschaltet gewesen sei. Folglich sei eine Beziehungstat im Chaos geendet. Das Opfer habe er nicht gekannt; unmittelbar nach der Tat habe er sich eine Zigarette angezündet und sei im Haus nach oben zu seiner Ex-Freundin gegangen. &bdquo;Das ist nicht normal. Wenn man jemanden getötet hat, hat man eigentlich eine Fluchtreaktion.“ Was der Auslöser für den Totschlag war, konnte auch Jordan nicht benennen. Das Opfer sei nicht an dem Streit beteiligt gewesen, sein Mandant hat den 65-Jährigen zuvor nie gesehen. Eine verminderte Schuldfähigkeit sei aus der Sicht des Verteidigers aufgrund der Mischintoxikation gegeben. Da Nadim L zuvor keine ähnliche Tat begangen habe, lehnte Jordan die Sicherheitsverwahrung ab. &bdquo;Er hat zwar eine kriminelle Karriere, aber da gab es zwischendurch Unterbrechungen bei den Taten.“ Jordan wollte auch etwas klarstellen: &bdquo;Er ist kein kalter Totschläger ohne Mitgefühl, das alles hat ihn mitgenommen.“ Am Ende forderte der Verteidiger eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Bald soll das Urteil verkündet werden Vor den Plädoyers hörte das Gericht noch den Psychiater Dr. Carl-Ernst von Schönfeld, der wöchentliche Sprechstunden in der JVA Bielefeld-Brackwede anbietet. Bei ihm hatte sich der Angeklagte mehrmals vorgestellt und Medikamente gegen seine Schlafstörungen, depressive Symptome, Essattacken und grübelnde Gedanken gefordert. &bdquo;Er war überdurchschnittlich redegewandt, höflich, stand vor einem Rätsel und wusste nicht, wie er den Nachbarn seiner Ex-Freundin töten konnte.“ Jordan wollte den Arzt hören, da er vermutete, dass die verschriebenen Medikamente Nebenwirkungen beim Termin für das Gutachten mit Psychiater Gerhard Dankwarth hatte. Das schloss von Schönfeld jedoch aus. Dankwarth hatten den Angeklagten als sehr dominant auftretend, manipulativ beschrieben und zeichnete ein negatives Bild. Dankwarth erwähnte am Mittwoch noch einmal, dass Nadim L. aufgrund seines Verhaltens vor und nach den Taten wissen müsse, wie sie in groben Stücken abgelaufen seien. Das Urteil will das Gericht am 1. Juli verkünden. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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