Tödliche Frontalkollision: Acht Jahre Haft für Mann in Detmold wegen Totschlags

Detmold/ Lügde. Es sind Tränen purer Verzweiflung, die sich nach und während der Urteilsverkündung in Saal 165 entladen. Das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Richter Karsten Niemeyer ist nach sechs Verhandlungstagen überzeugt davon, dass der 30-jährige Angeklagte aus Pyrmont sein Auto am 7. März dieses Jahres absichtlich auf einer Schnellstraße in Lügde in den Gegenverkehr steuerte und dabei billigend in Kauf nahm, einen anderen Menschen zu töten. Die Kammer verurteilt den Berufssoldaten daher wegen Totschlags in Tateinheit eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu acht Jahren Haft. Bei dem frontalen Zusammenstoß hatte ein 54-Jähriger aus Emmerthal keine Chance. Für den angeklagten Unfallfahrer sei der Fremde im Gegenverkehr nur eine &bdquo;abstrakte Person“ gewesen, führt der Richter aus. Weil er mit der Trennung von seiner Freundin nicht klar gekommen sei und schon am Nachmittag anhand entsprechender Googlesuchen den eigentlichen Tatentschluss eines Suizids gefasst habe, hätten für ihn alle negativen Konsequenzen keine Rolle gespielt. &bdquo;Ihm war alles egal, er wollte sich einfach das Leben nehmen.“ Mordprozess nach tödlichem Unfall in Lippe: Psychiater von Suizidversuch überzeugt Aus Sicht des Gerichts gibt es dafür einige Beweise. Da sind zum einen die Sprachnachrichten, in denen sich der 30-Jähriger kurz vor dem Unfall emotional von seiner Mutter und Ex-Freundin verabschiedet und sich entschuldigt, sie trauern zu lassen. Zum anderen habe das technische Obergutachten ergeben, dass der Audi des Angeklagten in den letzten fünf Sekunden von 100 auf 135 Kilometer pro Stunde beschleunigt hatte. Weil aber nicht genau nachzuweisen sei, wann genau der 30-Jährige sein Auto auf die Gegenfahrbahn lenkte, könne die Kammer nicht mit Sicherheit feststellen, ob das Opfer kurz vor dem Unfall tatsächlich arg- und wehrlos war, wie es bei der Heimtücke der Fall sein müsse. &bdquo;Vielleicht hat er die Scheinwerfer auch noch auf sich zukommen sehen und die Situation falsch eingeschätzt“, sagt Niemeyer. Deshalb stimmt das Gericht nicht mit dem von der Staatsanwaltschaft angeführten Mordmerkmal überein. Staatsanwalt fordert lebenslange Haftstrafe Eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes kommt daher aus Sicht der Kammer nicht in Betracht, so wie es Staatsanwalt Alexander Görlitz in seinem Plädoyer mit klaren Worten beantragt. &bdquo;Er hat seinen Wagen in suizidaler und höchst egoistischer Art in den Gegenverkehr gelenkt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass andere dabei ebenfalls sterben könnten“, sagt Görlitz. Der bilanzierte und geplante Suizid, mit dem er das zufällige Opfer überrascht habe, sei dem Angeklagten daher eindeutig nachzuweisen, auch wenn er selbst angegeben habe, dass er sich nicht an den Unfall erinnern könne und ihm schwarz vor Augen geworden sei. &bdquo;Er hat für sich selbst Bilanz gezogen, dass sein Leben ohne seine Freundin nicht lebenswert ist.“ Weil das Gericht im Vorfeld aber schon den rechtlichen Hinweis erteilt hatte, dass auch eine Verurteilung wegen Totschlags in Betracht kommen könnte, plädiert der Staatsanwalt für diesen Fall alternativ ein Strafmaß von zwölfeinhalb Jahren mit. Das Urteil fällt am Ende deutlich milder aus. Der 30-jährige Angeklagte bricht dennoch aufgelöst zusammen. Dabei kann Verteidiger Torsten Gieseke es wohl objektiv als Erfolg sehen, dass es zu keiner Verurteilung wegen Mordes gekommen ist. Der hatte im Plädoyer eine angemessene Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Tötung beantragt, weil nicht auszuschließen sei, dass sein Mandant vom Handy oder etwas anderem abgelenkt gewesen sein könnte. Für das Argument, der 30-Jährige hatte von seinen Suizidgedanken Abstand genommen und sich mit seiner Ex-Freundin am Schiedersee treffen wollen, sieht die Kammer keine Anhaltspunkte. Neben der Haftstrafe ordnet das Gericht noch den Entzug des Führerscheins und eine fünfjährige Sperre an. Sicher ist, dass der Verteidiger in Revision gehen wird. &bdquo;Acht Jahre wegen Totschlags für einen Verkehrsunfall erscheinen relativ hart, wenn man andere Urteile nach Messerstechereien betrachtet“, sagt Verteidiger Giesecke im Anschluss. Das sei schwer zu vermitteln. Letztendlich lässt dieses Verfahren zwei zerbrochene Familien zurück. Selbst die Familie des Getöteten sagt, dass der verantwortliche Unfallfahrer aus ihrer Sicht nicht ins Gefängnis gehört. &bdquo;Ich glaube ihm, dass er niemanden schaden wollte“, sagt eine Angehörige. Den Menschen, der jetzt fehlt, bringt das nur nicht zurück. Hinweis der Redaktion Generell berichten wir nicht über Selbsttötungen, es sei denn, es gibt besondere Gründe für eine erhöhte Aufmerksamkeit. Wir halten uns möglichst zurück, da es bei Suiziden eine hohe Nachahmerquote gibt. Sollten Sie sich von besonderen Lebensumständen betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie 24 Stunden am Tag Hilfe und Beratung.

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