Mann (65) in Minden getötet: Angeklagter bricht vor Gericht in Tränen aus

Minden/Bielefeld. Nadim L. (Name geändert) blickt zu Boden, er stützt seinen Kopf mit der linken Hand, über seine Wangen laufen ununterbrochen Tränen. Der Angeklagte kann am Montagvormittag offenbar nur schwer ertragen, was Dr. Roland Schulz vorträgt. Der Gerichtsmediziner aus Münster beschreibt am dritten Prozesstag vor dem Landgericht Bielefeld detailliert, welche Verletzungen der 40-Jährige nach Auffassung der Staatsanwaltschaft im August 2024 einem körperlich eingeschränkten 65-Jährigen aus Minden zugefügt haben soll. Das Opfer starb bei der brutalen Attacke. Während der Ausführungen werden Fotos der Obduktion auf einem großen Bildschirm gezeigt. Bilder, die für den mutmaßlichen Täter zu viel - und auch für die restlichen Prozessbeteiligten schwer zu ertragen sind. Weil es so viele Verletzungen waren, braucht der erfahrene Gerichtsmediziner für seine Aussage mehr als eine Stunde. &bdquo;Mein Mandant bittet um eine Pause“ &bdquo;Mein Mandant bittet um eine Pause“, sagt dessen Verteidiger Ralf Jordan deshalb. &bdquo;Das hat ihn alles sehr mitgenommen.“ Der Vorsitzende Richter Sven-Helge Kleine spricht den Angeklagten auf seine Tränen an. Dieser hatte sich bislang nur über seinen Anwalt zu den Vorwürfen eingelassen - und mitteilen lassen, dass er keine Erinnerung an eine Tat am 20. August habe. Er kenne den Getöteten nicht, hieß es beim Prozessauftakt. Warum er am Montag dennoch weint, versucht der Anwalt für Nadim L. zu erklären: &bdquo;Er ist völlig schockiert. Er ist heute das erste Mal mit den Bildern konfrontiert worden.“ Der Anwalt aus Stadthagen habe sie seinem Mandanten zuvor bewusst nicht gezeigt. Kurz vorher hatte Gerichtsmediziner Schulz erklärt, dass das 65-jährige Opfer brutal zugerichtet worden sei. Letztlich habe der Mann so viel Blut in der Lunge gehabt, dass er daran regelrecht ertrunken sei. &bdquo;Die Atmung fand noch statt, aber die Atemwege wurden mit Blut geflutet“, führte der Gutachter aus. Von den 22 Rippen des Opfers waren laut Gerichtsmediziner 20 gebrochen, manche mehrfach. &bdquo;Dazu kommen innere Verletzungen und zahlreiche Brüche im Gesicht“, so Schulz. Der Mann sei durch Anwendung massiver stumpfer Gewalt gestorben, es sei eine Art &bdquo;Übertötung“ gewesen, erklärt er auf Nachfrage des Richters. Wie der Sachverständige ebenfalls erklärte, gebe es viele Anzeichen dafür, dass auf den 65-Jährigen eingeschlagen und eingetreten worden ist, als er auf dem Boden lag. Anhand der Verletzungen des Opfers gehe er davon aus, dass sich der 65-Jährige zunächst massiv gewehrt habe. Als der Mindener bewusstlos gewesen sei, müsse weiter auf ihn eingewirkt worden sein - offenbar mit Schlägen und Tritten. &bdquo;Das gibt das Bild der Verletzungen her.“ Ein Tisch, der beim Auffinden auf dem Leichnam lag, sei seiner Meinung nach eher nicht als &bdquo;Waffe“ eingesetzt worden. &bdquo;Das kann ich jedoch nicht ausschließen.“ Als letzter Zeuge sagt am Montag ein weiterer Gerichtsmediziner aus. Dieser war am Tatort im Einsatz, untersuchte aber vor allem den Angeklagten in der JVA Brackwede. Er berichtet von mehreren Verletzungen an den Fingern und Händen von Nadim L., die beim Schlagen mit der Hand entstanden sein könnten. Auf Fotos waren frische, blaue Flecken zu sehen. Bei einer Verletzung gab der Angeklagte während der Untersuchung an, dass diese schon älter sei, was der Mediziner vor Gericht anzweifelt. Dies ruft Verteidiger Jordan auf den Plan. Er widerspricht der Verwertung des Beweismittels. Sämtliche Angaben des Gerichtsmediziners dürften nicht mit in die Urteilsfindung berücksichtigt werden. Sein Mandant sei seiner Auffassung nach nicht förmlich vom Mediziner belehrt worden. &bdquo;Ich habe ihm gesagt, dass ich Arzt bin, aber von der Schweigepflicht verbunden bin“, erklärt der Mediziner. Dies sei laut Jordan nicht genug. Ob dem Widerspruch stattgeben wird, ist noch unklar. Zudem beantragt der Anwalt ein weiteres pharmakologisch-toxikologisches Gutachten, da sein Mandant während der ihm vorgeworfenen Tat ein Schlafmittel, Testosteron und weitere Substanzen im Blut gehabt haben soll. Jordan will damit offenbar eine verminderte Schuldfähigkeit seines Mandanten erreichen. Wie berichtet, war er auch alkoholisiert und hatte THC im Blut. Briefe an Ex-Freundin werden verlesen Zwei Briefe des Angeklagten an seine Ex-Freundin, die er im Oktober im Gefängnis verfasste, sollen scheinbar ebenfalls eine Erinnerungslücke des 40–Jährigen offenbaren. Der Vorsitzende Richter verliest sie am Montag. Er habe seine Ex-Freundin und ihre zwei Kinder geliebt. &bdquo;Mein Leben ist ruiniert und das einer anderen Familie auch“, schreibt er darin. Er habe keine Erinnerungen, heißt es mehrfach. Er verstehe das alles nicht. Wenn er könne, würde er die Zeit zurückdrehen. Auch zwei Polizisten aus Minden machen ihre Aussagen. Sie waren am Tattag und am Abend zuvor an der Hahler Straße im Einsatz. Hier soll der 40-Jährige, der im Libanon geboren ist, seine Ex-Freundin in der Nacht von Montag auf Dienstag in ihrer Wohnung geschlagen haben. Deshalb bekam er ein Rückkehrverbot wegen häuslicher Gewalt ausgesprochen. &bdquo;Lauft ihr mir hinterher, erschieße ich euch“ Beide Polizisten thematisieren die Aggressivität des Angeklagten. &bdquo;Lauft ihr mir hinterher, erschieße ich euch“, drohte er etwa, als er in der Nacht von Montag auf Dienstag vor den Beamten flüchtete. Letztlich habe man den Angeklagten kurze Zeit später in einem Garten in der Herderstraße ohne Gegenwehr, jedoch offenbar eingenässt, festnehmen können. Zuvor sei Pfefferspray gegen ihn eingesetzt worden. Am nächsten Morgen durfte er das Polizeigewahrsam verlassen und soll Stunden darauf den 65-Jährigen getötet haben. Warum, ist bis heute ein Rätsel. Der Prozess wird am Mittwoch, 12. März, fortgesetzt. Ursprünglich sollte dann auch das Urteil verkündet werden, doch dies ist nicht möglich. Es sind weitere Termine für den 21. März, 2. April und 4. April angesetzt worden. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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