Monatelang zu Unrecht in U-Haft: 44-Jähriger aus Minden bekommt mehr als 11.000 Euro vom Staat

Minden. Mehrere Monate hat ein 44-Jähriger in Untersuchungshaft gesessen. Am Freitag durfte der Mindener die Mauern der JVA Brackwede wieder verlassen und das Leben in Freiheit genießen. &bdquo;Ich war zum ersten Mal im Gefängnis und muss da nicht wieder hin“, beschrieb der Mann mit den Rastalocken seine Eindrücke vor dem Amtsgericht Minden. Dort musste er sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten – und wurde nach der vierstündigen Verhandlung freigesprochen. Nun bekommt er Geld aus der Staatskasse als Entschädigung. Die Bielefelder Staatsanwaltschaft warf dem Deutschen vor, dass er eine Frau mit einer Bierflasche bei einem Streit im August 2024 vor einer Gartenlaube verletzt haben soll. Sie wurde anschließend ins Mindener Klinikum gebracht, wo ein Arzt ihre Platzwunde am Kopf nähte, so der Staatsanwalt. Beim Prozess bestritt der Angeklagte vehement die Vorwürfe. Er wohnte bis zur U-Haft in einer Gartenlaube in der Nähe des Mindener Südfriedhofs. An dem Abend habe er mit einer Freundin ein Lagerfeuer gemacht, eine Flasche Wein getrunken und einen Joint geraucht. &bdquo;Wir haben um das Feuer getanzt und wollten uns näher kommen“, sagte der 44-Jährige. Irgendwann sei die Polizei bei ihm erschienen und habe ihn mit einer Tat konfrontiert, die er nicht begangen habe. Angeklagter verspürte Abneigung gegen sein vermeintliches Opfer Der Angeklagte gab zu, dass er die betroffene Frau kennen würde, sie an diesem Tag aber nicht gesehen habe. Er verspüre eine Abneigung gegen sie und habe sie zuvor zurückgewiesen, als sie ihm sexuelle Avancen gemacht haben soll. Unter anderem bei seinem Cannabis-Dealer sei er ihr begegnet. Der Angeklagte vermutete deswegen einen Racheakt der Frau und glaubte auch, dass sie Spiritus auf seiner Parzelle verteilt habe. Das mutmaßliche Opfer erschien selbst nicht vor Gericht, die Polizei und der Vorsitzende Richter Andreas Böhme konnten nicht ermitteln, wo sich die Frau aufhält. Erfolgreicher war die Suche nach ihrem Ex-Partner. Auch er war bei dem Vorfall dabei, zur Verhandlung tauchte er jedoch ebenfalls nicht auf. Am Freitagmorgen leistete die Polizei Amtshilfe, zwei Beamte entdeckten den 34-Jährigen in der Stadt. Dabei stellten sie einen Alkoholwert von 2,4 Promille fest. Sie nahmen ihn fest und brachten ihn in den Saal 223, wo sie ihm die Handschellen abnahmen. Obwohl der Mann erheblich alkoholisiert war, konnte er gerade stehen und aussagen. &bdquo;Er war es nicht – ich hätte ihn erkannt“, betonte er gleich mehrmals in Richtung des Angeklagten, ohne zu lallen. An den Abend selbst konnte er sich angeblich nur teilweise erinnern. Zusammen mit seiner Ex-Freundin sei er bei der Aral-Tankstelle an der Ringstraße gewesen, um weiteren Alkohol zu kaufen. Auf dem Rückweg seien sie einem Mann begegnet, den er im Dunklen nicht identifizieren konnte. &bdquo;Ich hatte keinen Bock auf Stress und bin weitergegangen. Plötzlich kam sie jaulend und blutend zu mir gelaufen.“ Danach habe er ein Auto angehalten und den Fahrer gebeten, einen Krankenwagen zu rufen. Weitere Angaben wollte er nicht machen. Konkrete Hinweise zu dem Aufenthaltsort der Frau waren aus ihm nicht herauszubekommen: &bdquo;Sie arbeitet als Prostituierte, hat Schulden, versteckt sich deshalb und schläft mal hier, mal dort.“ Da er aktuell kein Handy habe, könne er sie nicht anrufen. Angeklagter und Richter sind sich bereits früher vor Gericht begegnet Auch die Frau, die mit dem Angeklagten den Abend verbracht hatte, war für die Justiz nicht greifbar. Dafür sagten drei Polizisten aus und sprachen über ihre Eindrücke. Eine angehende Polizistin bestätigte, dass der Angeklagte überrascht gewesen sei, als die Einsatzkräfte an dem Abend bei ihm aufkreuzten: &bdquo;Er wusste nicht, worum es uns ging.“ Letztlich konnte das Schöffengericht nicht genau aufklären, was an dem Tag geschehen war, wer die Frau verletzt hatte oder ob sie möglicherweise gestürzt war. Weil zu viele Fragen offen blieben, kam es zum Freispruch. Der Angeklagte und der Vorsitzende Richter waren sich vor 15 Jahren bereits einmal begegnet. Der Mindener stand damals auch wegen einer Körperverletzung mit einer Flasche, damals an der Martinitreppe, vor Gericht. Der Polizei fiel er bereits mehrmals auf, er hat schon einige Vorstrafen gesammelt, unter anderem wegen Drogendelikten. Demnächst erhält der Mindener, der eine kleine Rente bezieht, eine Finanzspritze. Da er, wie sich im Nachhinein im Prozess herausstellte, zu Unrecht in U-Haft saß, bekommt er dafür eine Art Schadensersatz und Schmerzensgeld. Für jeden Tag des Freiheitsentzugs erhalten Betroffene 75 Euro. Der Staat wird dem Mindener deswegen mehr als 11.000 Euro überweisen müssen. Demnächst wird er sich voraussichtlich aber wieder vor Gericht verantworten müssen. Der Vorsitzende Richter gab ihm auf den Weg, dass eine weitere Anklage auf ihn wartet.

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